StN: Das leibhaftige Maskottchen

Seit Guido Dobbratz Pressesprecher der Stuttgarter Kickers ist, gewinnt die Mannschaft
 
Degerloch. Seit Ende Mai ist der SWR-Sportreporter Guido Dobbratz im Ruhestand – doch von Ruhe ist bei ihm keine Rede. Seit Juli ist er Pressesprecher der Stuttgarter Kickers. Seitdem siegt der lange erfolglose Club wieder.

Von Andrea Jenewein

Geschäftig stürmt er voran in sein Büro. „Wir müssen uns gerade um die Karten für das Pokalspiel der Kickers gegen Hertha BSC kümmern“, erzählt Guido Dobbratz, Ex-Sportreporter des SWR und Neu-Pressesprecher der Kickers, „wir bekommen Anrufe aus ganz Deutschland“.

„Setzen Sie sich , setzen Sie sich“, sagt er, und auch er versucht es einmal mit dem Still- und Innehalten. Er erzählt erst einmal nicht von sich, sondern weiter von seinen Kickers und deren derzeitigen Erfolgen. „Das ist wirklich eine super Phase, die ich begleiten darf“, sagt Dobbratz, „aber das war auch die Prämisse, mit der ich hier angetreten bin: Ich wollte etwas bewegen“. Der Pressesprecher fühlt sich als Rad einer Maschinerie – und er will rotieren, damit die Kickers den Aufstieg in die zweite Liga schaffen. Zumindest darf er behaupten, dass er als Glücksbringer taugt. Seit dem 1. Juli, dem Tag als Dobbratz zu den Kickers kam, sind die Chancen seit langem einmal wieder realistisch, dass dieses Ziel erreicht werden kann. Die Mannschaft gewinnt.

Das ist natürlich nicht Dobbratz“ Verdienst, aber seine Freude. „Das blaue Blut ist schon seit jeher in mir“, sagt er, „mein Opa hat mich bereits Ende der Vierziger mit auf den Kickers-Platz genommen – und ich habe in der Spielzeit 1947 auf 48 den ,Hundert-Tore-Sturm“ miterlebt“. Sein Vater Kurt war Hockeyspieler und Ehrenmitglied des HTC Stuttgarter Kickers. Also ist mit ihm selbst, sagt Guido Dobbratz, die Familie Dobbratz den Blauen schon in der dritten Generation treu.

Er erzählt all das so schnell, als wolle er sich nicht einmal die Zeit zum Atmen gönnen. Auch auf diese Weise hat er es zu fast 5000 Fernsehbeiträgen gebracht – und ist damit Rekordhalter beim SWR. Am 11. November 1967 ist sein erster Beitrag archiviert worden. „Ich bin sehr vielseitig veranlagt, konnte über Kickers-Spiele, Motocross-Rennen oder Volleyball-Turniere berichten“, sagt der Ex-Reporter. Außerdem war Dobbratz immer Fürsprecher kleinerer Vereine. Immer wollte er zeigen, dass auch unterhalb der obersten Ligen guter Sport geboten wird.

Seine journalistische Karriere begann er nach dem Studium der Soziologie, Politik- und Zeitungswissenschaften als Volontär bei der Stuttgarter Zeitung. Vorbelastet war er durch sein Elternhaus, ist doch sein Vater Gründer der Sportnachrichtenagentur Internationale Sport-Korrespondenz. Dobbratz wusste, wovon er sprach, wenn er von Schweiß, Arbeit und Verzicht für den sportlichen Erfolg berichtete, denn als Eiskunstläufer hat er zusammen mit seiner Schwester Brigitte die baden-württembergischen Eistanzmeisterschaften gewonnen. Als Hockeyspieler war er jahrelang beim HTC aktiv.

Die Sportart, die er am meisten liebt, ist trotzdem der Fußball. Keine andere schürt mit so leicht verständlichen Regeln so große Gefühle. Dobbratz hat auch selbst gekickt, beim FC Sport im Dritten war er Teamchef. Mit der Prominentenmannschaft erspielte er in gut hundert Partien 400 000 Euro für soziale Zwecke. Dafür bekam er die Staufer-Medaille verliehen.

Die Umstellung von der „Regelmäßigkeit im Fernsehen auf die Unregelmäßigkeit im Privatleben“ ist Dobbratz nur deshalb nicht sonderlich schwer gefallen, weil er sich bei den Kickers gleich einen neuen Job aufhalste. Dreißig Stunden die Woche wendet er für den Verein auf – weshalb seine Frau Sibille anmerkte, dass sich nach seiner Pensionierung an ihrem Zusammenleben nichts Wesentliches geändert habe.

Dobbratz ist eben ein rastloser Mensch, wie er selbst zugibt, und er möchte seine Energie aufwenden, um den Fußball, der „ein tolles gesellschaftliches Ventil“ ist, zu unterstützen. „Erst habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht – und jetzt zu meinem Lebensinhalt“, sagt der Rastlose, aber Zufriedene. „Mein ganzes Leben hat sich um den Sport gedreht – und ich würde alles wieder genau gleich machen, mit einer Ausnahme: Ich würde für ein paar Jahre den Sender wechseln, um mehr Erfahrungen zu sammeln.“

Um den Kickers zu helfen, ihr Image zu stärken und eine größere Breitenwirkung zu erzeugen, reicht seine Erfahrung allemal. Und diesen Job will er nun auch wieder machen. Lange hat er es nicht ausgehalten, still zu sitzen und innezuhalten.

Stuttgarter Nachrichten

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