Kullen will für die Zukunft planen
Erste Amtszeit des Kickers-Präsidenten kann sich sehen lassen – sportlich und wirtschaftlich
STUTTGART. Heute steht die Mitgliederversammlung der Stuttgarter Kickers auf dem Programm – mit Neuwahlen. Wobei die Zahlen (Platz vier in der Regionalliga, 60 000 Euro Gewinn) so gut sind wie nie seit dem Abstieg im Jahr 2001. Eine Bestandsaufnahme.
Von Joachim Klumpp
Das Präsidium: Die erste Amtsperiode von Hans Kullen (64) geht zu Ende, und dass diese nicht immer reibungslos verlaufen ist, zeigt sich an der Tatsache, dass von seinen ursprünglichen Mitstreitern im Präsidium keiner mehr an Bord ist. „Allerdings gibt es da in jedem Einzelfall Gründe“, sagt Kullen, der als Nachfolger von Axel Dünnwald-Metzler im Juli 2003 ein schweres Erbe angetreten hat. Doch selbst der ehemalige Schatzmeister Siegfried Jahnke gibt inzwischen zu: „Ich bin ja nicht im Streit geschieden.“
Das aktuelle fünfköpfige Gremium jedenfalls steht erneut zur Verfügung – worüber letztendlich der Aufsichtsrat entscheidet. Dessen Vorsitzender Christian Mauch hat sich für den Fall der Wiederwahl bereits festgelegt: „Wir haben uns für das jetzige Präsidium ausgesprochen.“ Das besteht neben Kullen aus Dirk Eichelbaum (Finanzen), Edgar Kurz (Jugend- und Amateure), Jürgen Köhn (übrige Abteilungen) sowie Dieter Wahl (Marketing), über den Kullen sagt: „Er ist ein Segen für den Verein.“
Der Aufsichtsrat: Der Vorsitzende Christian Mauch und drei seiner bisherigen Kollegen (nur Joachim Bayh scheidet aus persönlichen Gründen aus) stellen sich zur Wiederwahl, dazu gesellt sich eine Hand voll neuer Kandidaten, um auf die maximale Stärke von neun Personen zu kommen. Dazu zählen zum Beispiel der Exprofi Walter Kelsch, der frühere Finanzbürgermeister Klaus Lang oder Frieder Kummer von der Kommunikationsfirma ADP, die als Ärmelsponsor einsteigen möchte – wobei es jedem anderen Vereinsmitglied überlassen ist, sich heute zur Wahl zu stellen. „Insgesamt standen die Kandidaten nicht unbedingt Schlange“, sagt Mauch, der vor einem Jahr selbst relativ euphorisch an die Aufgabe herangegangen war. Stellvertretend sei nur an die Aussage erinnert: „Wir bekommen frischen Wind mit beruflich erfolgreichen Leuten.“
Inzwischen fällt das Resümee eher bescheiden aus. „Ich muss zugeben, dass ich mir die Aufgabe leichter vorgestellt habe“, sagt Mauch. Das bezieht sich weniger auf die Zusammenarbeit mit dem Präsidium, auch wenn da in Detailfragen der Kompetenzen immer mal wieder kontrovers diskutiert wird, als vielmehr auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Gremiums. „Das haben wir absolut unterschätzt“, gibt der Orthopäde zu und nennt eine Größenordnung: „Statt 300 000 Euro haben wir über die persönlichen Kontakte eben nur 30 000 zusammenbekommen.“ Dennoch hat Mauch die Hoffnung auf eine so genannte große Lösung – im Sponsoren- oder Investorenbreich – „noch nicht ganz aufgegeben“.
Das sportliche Feld: In den drei Jahren unter Hans Kullen ging es sportlich kontinuierlich bergauf, wenngleich nicht immer in den großen Sprüngen, die sich manch einer insgeheim erhofft hatte. Doch Rang vier nach 17 Spieltagen dieser Saison ist die – mit Abstand – beste Platzierung seit dem Abstieg aus der zweiten Liga 2001 zum Ende der Vorrunde, selbst wenn die Anfangseuphorie verbunden mit der Tabellenführung einen Dämpfer erhalten hat. Das Thema Aufstieg ist zwar nicht abgehakt, aber auch nicht akut. „Selbst wenn es diesmal nicht klappt, werden wir das Ziel wieder in Angriff nehmen“, sagt Mauch. „Und da wollen wir auch mit dem Trainer Robin Dutt weitermachen.“ Dessen Vertrag soll verlängert werden, die Arbeit wird honoriert, wenngleich die drei Neuzugänge Okpala, Benda und Kanyuk zuletzt (im Preis-Leistungs-Verhältnis) nicht immer die erhofften Verstärkungen waren.
Die wirtschaftliche Bilanz: Die Blauen schreiben schwarze Zahlen, etwa 60 000 Euro in der Bilanz zum 30. Juni. Womit Kullen sein Versprechen aus dem Vorjahr wahr gemacht hat. Was keine Selbstverständlichkeit ist. Schließlich dürfen alle Kritiker nicht vergessen, dass das erste Jahr in der Regionalliga (das unter Trainer Rainer Zobel den Wiederaufstieg bringen sollte) mit einem Verlust von 1,379 Millionen Euro geendet hat. „Die wirtschaftlichen Zahlen sind exzellent“, lobt auch Mauch die Arbeit des Präsidiums. „Wir haben jetzt eine viel bessere Ausgangsposition als vor einem Jahr.“
Alleine die Fernsehpräsenz war so hoch wie noch nie in der dritten Liga. In der Sportschau waren die Kickers fünfmal vertreten, was bei einer Einschaltquote von bis zu vier Millionen Zuschauern ein Pfund ist. Dazu kommen die beiden Pokalpartien gegen den Hamburger SV und Hertha. Das zahlt sich aus: „Wir haben Firmen gehabt, die speziell nur für die Fernsehspiele eine Bande angemietet haben“, sagt Martin Kurzka, der Marketingmann von der Geschäftsstelle.
Stuttgarter Zeitung
Der streitbare Chef stellt Bedingungen
Kickers-Präsident Hans Kullen macht eine zweite Amtszeit von der Aufsichtsratswahl abhängig
Stuttgart – Im Prinzip ist vor der Mitgliederversammlung der Stuttgarter Kickers am heutigen Dienstag (19 Uhr) im Clubhaus alles klar: Präsident Hans Kullen soll bestätigt werden. Sollte die Wahl des Aufsichtsrats jedoch nicht nach seinem Geschmack verlaufen, stellt er seine Zusage in Frage.
VON DIRK PREISS
Das Wichtigste vorneweg: Die Einladungen zur Mitgliederversammlung wurden fristgerecht verschickt. Das ist nicht selbstverständlich: Die Delegiertenversammlung des TSV 1860 München etwa war kürzlich wegen eines peinlichen Versäumnisses nicht beschlussfähig, als über Prinzipielles abgestimmt werden sollte. Bei den Kickers steht dem am Dienstag dagegen nichts im Weg.
Womöglich läuft auch sonst alles reibungslos für das amtierende Präsidium der Blauen, schließlich hält es einen Trumpf in der Hand, den man in vielen Jahren zuvor nicht mehr hatte ausspielen können. Wenn Finanz-Vorstand Dirk Eichelbaum seinen Bericht abgeben wird, lautet die zentrale Nachricht: Unterm Strich steht eine schwarze Zahl, das abgelaufene Geschäftsjahr haben die Kickers mit einem – wenn auch geringen – Gewinn abgeschlossen.
Für den Präsidenten Hans Kullen bedeutet dies den Höhepunkt seiner ersten Amtszeit. „Darauf sind wir stolz“, sagt der 64-Jährige, der den Club vor gut dreieinhalb Jahren übernommen hatte.
Geschafft hat Kullen den Kraftakt durch einen Sparkurs, der strikter nicht sein konnte – und mit dem er sich nicht nur Freunde gemacht hat. „Sicher“, gibt er zu, „es gab immer wieder Querelen.“ Aus seiner Sicht aber unvermeidbare. „Ich habe auf mehr Verständnis gehofft“, sagt der Versicherungsfachmann, „aber manche lebten nicht mehr in der Realität.“
Im Sparen macht Kullen keiner was vor. Im persönlichen Umgang mit Funktionären, Mitgliedern und möglichen Sponsoren vertrat der Hülbener allerdings häufig eine Art, als wolle er eine Herz-OP mit einer Kettensäge durchführen. Und Entscheidungen, die einer Zustimmung der Vereinsgremien bedurften, traf er regelmäßig im Alleingang. Die Folge: neun Rücktritte in Aufsichtsrat und Präsidium in drei Jahren. Wenn Kullen nun seinen einzigen Fehler darin sieht, zu nachgiebig gewesen zu sein, mutet das seltsam an. Kompromisse kannte er jedenfalls keine: „Es ging immer wieder um die Frage: der oder ich.“ Die Antwort ist bekannt – Kullen ist noch im Amt.
Und das will er drei weitere Jahre bleiben. „Ich habe der geplanten Aufsichtsrats-Mannschaft mein Jawort gegeben“, sagt er, betont aber auch: „Nur dieser Mannschaft.“ Soll heißen: Nicken die Mitglieder nicht den Vorschlag von Aufsichtsrat und Präsidium brav ab und wählen womöglich von Kullen nicht gelittene Personen in das Kontrollgremium, stellt er eine zweite Amtszeit selbst in Frage.
Aus diesem Grund wurden bisherige Vorstöße auch, so gut es ging, verhindert. Am Freitag etwa ließ sich Ex-Präsidiumsmitglied Michael Hofstetter auf die Kandidatenliste setzen – mit sanftem Druck überzeugte man den Rechtsanwalt, es besser zu lassen. Gerhard W. Kluge, der sein aktuelles Mandat zurzeit ruhen lässt, wird dagegen wieder antreten. Zudem stellen sich neben den bisherigen Aufsichtsräten Christian Mauch, Kay-Uwe Völschow, Rainer Lorz und Christian Dinkelacker auch Walter Kelsch, Klaus Lang, Frieder Kummer, Heinz Höfinger und Alexander Lehmann zur Wahl.
Sollten die letztgenannten neun Personen gewählt werden, ist die Bestätigung des aktuellen Präsidiums Formsache. Wenn nicht, kann es ein spannender Abend werden.
Stuttgarter Nachrichten
Neun Rücktritte in drei Jahren
Als Quartett war die Führung der Stuttgarter Kickers im Sommer 2003 angetreten, noch dabei ist nur Präsident Hans Kullen. Im Aufsichtsrat war die Fluktuation ähnlich groß. Der Grund für den Rückzug war meist derselbe: Meinungsverschiedenheiten mit Kullen. Die neun Rücktritte der letzten drei Jahre:
Präsidium: Edin Rahic (18. Mai 2004), Jürgen Hollenbach (16. Juli 2004), Siegfried Jahnke (17. November 2005), Bernd Klingler (5. Dezember 2005), Michael Hofstetter (25. Juli 2006).
Aufsichtsrat: Günter Daiss, Hans-Peter Bauer (4. Dezember 2003), Hans-Jürgen Wetzel (22. September 2005), Manfred Parlow (31. Dezember 2005). dip
Stuttgarter Nachrichten
NACHGEFRAGT HANS KULLEN, PRÄSIDENT DER STUTTGARTER KICKERS
„Am Realitätsverlust hatte ich zu knabbern“
Der 64-Jährige vor der Mitgliederversammlung über den Sparkurs, Widerstände im Verein und Ziele einer weiteren Amtszeit
Stuttgart – Bei den Stuttgarter Kickers weiß man nie so genau. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch groß, dass auf der Mitgliederversammlung heute (19 Uhr) ein neuer Aufsichtsrat gewählt wird, der Hans Kullen erneut als Präsidenten beruft. Der 64-Jährige Reutlinger jedenfalls will weitermachen. „Um den Verein zu retten, musste ich ganz gewaltig gegensteuern – auch wissend, dass ich dem einen oder anderen weh tun muss“, blickt Kullen im Gespräch mit Sigor Paesler zurück.
Sie sind seit Juli 2003 Präsident der Kickers. Was ist das Gravierendste, was sich seither geändert hat?
Kullen:
Da gibt es einige Punkte. Einer der gravierendsten Einschnitte war, den Spielern mitzuteilen, dass sie auf Gehalt verzichten müssen. Das war eine meiner ersten Handlungen als Präsident und es war auch für mich persönlich sehr schwierig, den Leuten Geld wegzunehmen.
Wie steht der Verein jetzt da?
Kullen:
Inzwischen sind wir so weit, dass sich der Verein finanziell so gut wie selbst trägt, was vorher natürlich nicht der Fall war. Wenn man sieht, dass ich in neun Monaten 1,2 Millionen Euro eingespart habe, zeigt das, wie schlecht es dem Verein ging.
Auch sportlich gab es Fortschritte. Was macht Sie mehr stolz: Der Aufwärtstrend in diesem Bereich oder die wirtschaftliche Konsolidierung? Immerhin präsentieren Sie auf der Jahreshauptversammlung erstmals seit Jahren schwarze Zahlen.
Kullen:
Da kann ich nicht widersprechen. Aber das eine war so schwierig wie das andere. Im Sport läuft das meistens parallel. Ich bin auf beides gleichermaßen stolz, weil man eine gewisse Kontinuität sieht und weil wir erstmals nicht mehr Geld ausgeben als wir haben. Sportlich hat uns die Höhenluft am Anfang der Saison vielleicht nicht ganz so gut getan. Es wäre schön, wenn wir wieder da hinkämen, wo wir vor ein paar Wochen standen.
Nach der schillernden Persönlichkeit von Axel Dünnwald-Metzler hatten einige im Verein Schwierigkeiten, sich auf Sie und Ihren ganz anderen Stil einzustellen. Dadurch geriet das Ergebnis der Arbeit manchmal in den Hintergrund. Ärgert Sie das?
Kullen:
Mich ärgert, dass überhaupt keine Bereitschaft da war, die Tatsachen anzuerkennen – ohne hier meinem Vorgänger einen Vorwurf zu machen, denn er war persönlich nicht für die Situation verantwortlich. Am Realitätsverlust einiger hatte ich zu knabbern. Um den Verein zu retten, musste ich ganz gewaltig gegensteuern – auch wissend, dass ich dem einen oder anderen weh tun muss.
Sich selbst mussten Sie auch weh tun, sie haben sicherlich mehr Geld in den Verein gesteckt als Sie vorhatten.
Kullen (lacht):
Das hatte ich so tatsächlich nicht erwartet. Aber es war neben den anderen Sparmaßnahmen noch das einzige, was weitergeholfen hat, weil eben sonst keiner zusätzliches Geld gegeben hat. Und ohne Geld kann ich eine Profimannschaft nicht führen. Es wird ein neuer Aufsichtsrat gewählt, wieder wird es neue Gesichter geben. Auffällig ist, dass es seit Ihrem Amtsantritt in den Vereinsgremien ein ständiges Kommen und Gehen gibt.
Kullen:
Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass jeder, der in ein Gremium kam, von der Situation überrascht wurde. Wenn man mit falschen Voraussetzungen in etwas hinein geht und dann mit der harten Realität konfrontiert wird, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder selbst in die Tasche greifen, oder den Rückzug antreten. Ich glaube aber schon, dass wir im Präsidium jetzt die richtige Mannschaft zusammen haben, um mit diesen schwierigen Zeiten fertig zu werden – und im Falle des Erfolges auch nicht gleich in Sphären abschwebt, mit denen wir noch nichts zu tun haben.
Gab es Momente, in denen Sie überlegt haben, alles hinzuschmeißen?
Kullen:
Wenn die Vernunft gesiegt hätte, hätte ich das tun müssen. Aber da ich ein Kämpfertyp und mit dem Sport verbunden bin, habe ich weitergemacht. Ich wusste genau, dass der Verein nicht aus den drei oder vier Querulanten, sondern vor allem aus ganz anderen Personen besteht. Die Arbeit mit den Sportlern und der Jugend ermutigt mich, sie nicht im Stich zu lassen.
Sie sind nicht in diesem Verein groß geworden, so zu sagen ein Quereinsteiger. Was bedeuten Ihnen die Stuttgarter Kickers?
Kullen:
Egal, ob man beim SSV Reutlingen oder bei den Stuttgarter Kickers ist: Die Spieler wachsen einem so schnell ans Herz, da entsteht ein richtig familiäres Verhältnis und eine Bindung. Das lässt einen auch an Tagen weitermachen, an denen es nicht so gut läuft.
Sie hatten bei Ihrem Amtsantritt auch angekündigt, das Verhältnis zum großen Nachbarn VfB Stuttgart zu verbessern, um in manchen Bereichen zu kooperieren. Wie ist da der Stand der Dinge?
Kullen:
Dafür, wie das Verhältnis schonmal war, sind wir einen großen Schritt vorangekommen. Wir haben mit Horst Heldt und Jochen Schneider vom VfB vereinbart, uns regelmäßig mindestens dreimal im Jahr zu treffen und uns auszutauschen. Das funktioniert sehr gut.
Die Chance, dass Sie vom neuen Aufsichtsrat erneut als Präsident berufen werden, ist groß. Was sind Ihre Visionen für die kommenden drei Jahre?
Kullen:
Noch bin ich nicht im Amt bestätigt. Meine Ziele sind: Wenn wir je den Aufstieg in die zweite Liga schaffen, uns dort zu halten. Davor muss man aber erst einmal den Aufstieg schaffen und das ist auch eine Frage der finanziellen Möglichkeiten. Der Weg, mit einem kleineren, aber qualitativ besseren Kader zu arbeiten, ist der richtige.
Falls es nicht mit dem Aufstieg klappt, könnten Sie auch mit der Qualifikation für die dritte Liga, die in der Saison 2008/2009 eingeführt wird, leben?
Kullen:
Im Zweifel müsste ich damit leben. Denn es steigen ja nur zwei Mannschaften in die zweite Liga auf, und es sind mehr, die das wollen. Die Vereine, die im Moment vor uns stehen, haben ganz andere finanzielle Möglichkeiten. Deshalb wäre es schon ein kleines Wunder, wenn wir trotzdem den Aufstieg schaffen würden.
Eßlinger Zeitung