Die Geographie des Fußballs

Joachim Cast blickt auf intensive zweieinhalb Jahre als Kickers-Manager zurück und steht vor großen Herausforderungen
 
Von Sigor Paesler

Stuttgart – Joachim Cast hat den Jargon der Branche bestens drauf. „In dem Geschäft zählen keine Emotionen“, antwortet er auf die Frage, welches Gefühl er bei den anstehenden Vertragsverhandlungen mit Trainer Robin Dutt habe. Dann muss er aber grinsen. Denn eigentlich ist der 38-Jährige keiner, der gerne Floskeln in den Mund nimmt. Auch sonst versieht er übliche Aussagen auf Journalistenfragen gerne mit Kommentaren wie: „Wie sagt man in einem solchen Fall . . .“ Und dann erklärt er die Sache lieber doch so, wie er es sieht oder bittet ganz einfach um Verständnis, wenn er beispielsweise zu laufenden Verhandlungen keinen Kommentar abgeben kann. Der ehemalige Verteidiger ist seit zweieinhalb Jahren Manager des Fußball-Regionalligisten Stuttgarter Kickers und hat auch sonst in dieser Zeit viel gelernt.

Gerade das vergangene halbe Jahr war sehr intensiv. Vor allem die Transfers der Stürmer Christian Okpala zu den SF Siegen und Mirnes Mesic zur TSG Hoffenheim sowie die Verpflichtungen von Angelo Vaccaro und Sean Dundee haben den Manager gefordert. In den teilweise zähen Ablöseverhandlungen mit den Siegenern und Hoffenheimern ging es um viel Geld für die immer noch klammen Stuttgarter. „Ich glaube, unter dem Strich haben wir das ganz gut hinbekommen“, sagt Cast und lächelt zufrieden.

Im Moment brütet Cast über den Lizenzierungsunterlagen für die kommende Saison und führt die Vertragsverhandlungen mit den Spielern. Das ist nicht einfach. Die Mannschaft steht in der Spitzengruppe der Regionalliga, die meisten Akteure haben ihren Marktwert gesteigert. 300 000 Euro müsse der Verein zusätzlich in die Hand nehmen, um die sieben auslaufenden Verträge verlängern zu können, hat Präsident Hans Kullen ausgerechnet. Und für Zugänge soll ja auch noch etwas übrig bleiben. Mehr Geld als da ist, kann der Manager aber nicht ausgeben. „Der Verein steht vor großen Herausforderungen“, sagt Cast. Und damit auch er.

Cast, der mit dem SSV Reutlingen unter Trainer Armin Veh in der zweiten Liga spielte, erinnert sich noch gut, wie er bei seinem Antritt im Juli 2004 kritische Fragen beantworten musste. Als ehemaliger Fußballer und Absolvent eines Geographie-Studiums, aber ohne Ausbildung und Erfahrung im Bereich Wirtschaft, schien er einigen im großen Umfeld des Vereins für den Job nicht geeignet. Damals wie heute sagt er: „Auch wenn es kein Wirtschaftsstudium war, habe ich doch gelernt, strukturiert an Sachverhalte heranzugehen und Probleme zu lösen.“ In der Geographie des Fußballs kennt er sich schon lange besser aus als in der Wissenschaft. Zudem sind Ex-Profis als Manager in der Branche ja keine Seltenheit, wie man etwa beim VfB Stuttgart und (dem gelernten Kfz-Mechaniker) Horst Heldt sieht.

 

„Ich bin ein Teamplayer“
Natürlich ist es bei Vertragsgesprächen ein Vorteil, dass Cast selbst lange auf der anderen Seite saß und den Verein schon eine Weile kennt. Auf die Frage, mit welchen Spielern des aktuellen Kaders er noch zusammengespielt hat, muss er nachdenken. „Oliver Stierle, Moritz Steinle, Mustafa Akcay – ich hätte gedacht, dass es mehr sind.“

Eine Eigenschaft, die Cast als Fußballer auszeichnete, kommt ihm auch im neuen Job zugute: „Ich war schon als Spieler ein Teamplayer, das bin ich auch jetzt.“ Kommunikation gehört zu seinen Stärken. Er weiß, wo er sich Tipps holen kann und nimmt sie auch an. Den Skeptikern stand er in seiner Anfangszeit zwar Rede und Antwort, ließ die Kritik aber nicht zu nahe an sich herankommen. Heute weiß er, dass er die Prüfung bestanden hat. „Ich habe viele Erfahrungen gesammelt und gehe an einige Sachen jetzt gelassener heran“, sagt er. Und: „Ich glaube, ich habe mir ein gewisses Standing erarbeitet.“

Präsident Kullen bestätigt das. „Er macht einen mehr als guten Job, bringt unheimlich viel Einsatz und ist sehr lernbereit“, sagt er und lobt Casts Eigenschaft, vieles ohne große Worte wegzuarbeiten – „oft schon, bevor es zu einem Problem wird“.

Schließlich sagt Cast doch noch etwas über die Zukunft von Trainer Dutt: „Das Team, das im Moment zusammenarbeitet, passt hervorragend. Es wäre wünschenswert, wenn es bestehen bliebe.“ Aber auch: „Das Konzept muss von Personen unabhängig sein.“ Möglicherweise auch von seiner. „Es ist nicht mein Ziel, bis zum Alter von 65 Jahren Manager eines Drittligisten zu sein. Natürlich würde ich gerne in der Bundesliga arbeiten“, sagt Cast, betont dann aber gleich, dass er zumindest seine mittelfristige Zukunft bei den „Blauen“ sieht. Und immerhin besteht ja noch die Möglichkeit, mit den Stuttgartern den Sprung in die zweite Liga zu schaffen. Für dieses Ziel bringt Cast, der im Dezember im Kanada-Urlaub seine lanjährige Lebensgefährtin Heike geheiratet hat, seine ganze bislang erworbene Erfahrung ein. Auch dafür gibt es eine Floskel: „Wir versuchen es, so lange es rechnerisch möglich ist.“ Aber die kennt Joachim Cast nicht erst, seit er Manager bei den Stuttgarter Kickers ist.

Eßlinger Zeitung

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