Dirk Eichelbaum bemängelt die gute Laune bei den Kickers trotz schlechter Ergebnisse – Yelldell verlängert, Weller muss gehen
STUTTGART. Vom Aufstiegsanwärter zum Abstiegskandidaten? „Mich ärgert, wie wenig sich die Mannschaft in den vergangenen Spielen aufgebäumt hat“, sagt der Kickers-Präsident Dirk Eichelbaum vor dem Regionalliga-Heimspiel (heute, 19 Uhr) gegen 1860 München II.
Von Joachim Klumpp
Am vergangenen Samstag hat sich Dirk Eichelbaum auf die Fahrt nach Wehen gemacht. Jenem kleinen Flecken mit 6700 Einwohnern im Taunus, der künftig im Profifußball mitmischen will. Und weil dieser Fakt schon seit einer Woche feststand, konnte der Kickers-Präsident hautnah erleben, wie die Mannschaft des Gastgebers vor dem Anpfiff Indianertänze aufgeführt hat. Doch anstatt die Gunst der Stunde zu nutzen und auf dem Kriegspfad drei Punkte zu ergattern, rauchten die Stuttgarter Spieler lieber die Friedenspfeife. „Erst nach der Pause wurde es besser“, sagt Eichelbaum, der diese Partie beim designierten Meister sinnbildlich für das gesamte Jahr 2007 nimmt. „Es ärgert mich schon, wie wenig sich die Mannschaft in den vergangenen Spielen aufgebäumt hat.“
Mit der Konsequenz, dass sie vom Aufstieganwärter zum Abstiegskandidaten mutierte. Nur fünf Punkte beträgt der Vorsprung auf den Viertletzten Pfullendorf. Die Tendenz ist fallend. „Neun Punkte aus zehn Spielen in diesem Jahr – das ist die Bilanz eines Absteigers“, macht sich Eichelbaum keine Illusionen (wobei die Talfahrt schon mit der ersten Niederlage am neunten Spieltag in Siegen begann). Dennoch wehrt sich der Manager Joachim Cast: „Mangelnden Einsatz kann man dem Team nicht vorwerfen.“
Das wäre auch nochmal schöner. Aber der letzte Wille und die Konzentration fehlen offensichtlich. Ursache laut Eichelbaum: „Bei uns herrscht zu gute Stimmung.“ Selbst nach Niederlagen. Ein Fall für den Trainer? Dessen Situation trug insgesamt auch nicht gerade zur Entspannung bei: Erst lockte Hannover, dann wurde eine Vertragsverlängerung in der Winterpause so lange hinausgezögert, bis auch dem Letzten klar war, dass Robin Dutts Zukunft nicht in Stuttgart liegt, sondern in Freiburg. „Das ganze Theater dort hat bis zu uns gewirkt“, sagt Eichelbaum. Soll heißen: die Unruhe in und um den Sportclub ging auch an Dutt nicht spurlos vorüber, wenngleich der 42-Jährige alles tut, um sich das nicht anmerken zu lassen. Zwar hat er – in Absprache mit dem Manager Cast – einige Termine wahrgenommen, betont aber: „Absolute Priorität haben die Kickers, dafür habe ich dem Verein zu viel zu verdanken.“
Ob das alle Spieler auch so sehen, steht auf einem anderen Blatt. Einige wie Manuel Hartmann hängen in der Luft, andere wie Laszlo Kanyuk können sich einen Verein suchen, 15 weitere haben einen Vertrag. „Bisher hat der Trainer immer die richtigen Worte gefunden“, sagt Eichelbaum. Und jetzt? „Die Mannschaft macht das durch, was sonst in der Vorrunde passierte“, so Dutt. Weil im Winter der Sturm ausgewechselt worden ist. Und die jungen Nachrücker – Bischoff, Tucci und Kacani (bleibt bis 2009) – einige Monate brauchen, bis sie integriert sind. Zudem haben die Zugänge nicht wie erhofft eingeschlagen, sodass man sich von der Leihgabe Sean Dundee ebenso trennen wird wie von Thomas Weller – und Angelo Vaccaro verstärkt in die Pflicht nimmt. „Wir brauchen ihn nächste Saison“, betont das Präsidiummitglied Walter Kelsch.
Aber nicht nur ihn. „Wir wissen, wo wir ansetzen müssen“, sagt der Präsident. Die vier bis fünf Neuzugänge in allen Mannschaftsteilen sollen deshalb auf dem Platz auch mal eine Reaktion zeigen, in der Kabine ungemütlich werden, kurzum: Leistungsträger und Führungsspieler in Personalunion sein, wie einst Mirnes Mesic, der durch seinen Weggang immerhin 200 000 Euro einbrachte. Gegen eine festgeschriebene Ablöse könnte auch der Torwart David Yelldell gehen, der gestern seinen Vertrag vorzeitig bis 2009 verlängert hat. „Wir sind mit einigen Spielern in Kontakt“, sagt Cast, „können aber keinen Vollzug melden, weil die zum Teil noch bei anderen Vereinen unter Vertrag stehen.“ Die Stürmer Sascha Maier oder Nico Beigang etwa, der Darmstadt 98 aber nur im Falle des Abstiegs verlassen kann. Ein Szenario, das auch den Kickers drohen könnte.
„Wir haben das Thema so kurz wie nötig angesprochen“, sagt Dutt, der vor dem Schlüsselspiel gegen 1860 München II den Teufel nicht an die Wand malen möchte. Dennoch bittet er heute Vormittag zum Torschusstraining, danach zum Mittagessen. „Das haben wir bei Freitagspielen hin und wieder gemacht“, spielt er die Maßnahme herunter. Auch Walter Kelsch hat sich diese Woche kurz gefasst. Zehn Minuten Ansprache mussten reichen. „Da habe ich deutlich gemacht, dass ich von allen Spielern 120 Prozent verlange.“ Ohne Wenn und Aber. Schließlich hat der Verein das Minimalziel Platz sechs nicht ganz aus den Augen verloren.
Und dem sind die Kickers immer noch näher als einem Abstiegsplatz. So soll es bleiben. Eichelbaum: „Wenn wir heute gegen 1860 nicht gewinnen, wann dann?“
Stuttgarter Zeitung