Jürgen Sundermann (67) als ehrenamtlicher Berater der Stuttgarter Kickers: Coup oder Verzweiflungstat?
Stuttgart – Es geht ums nackte Überleben. Da kommt den Stuttgarter Kickers jede helfende Hand gerade recht. Jetzt hat sie Jürgen Sundermann (67) den Blauen gereicht. Und die Chefetage des Fußball-Regionalligisten nahm dankend an.
VON GUNTER BARNER
Es soll Sportsfreunde geben, die hartnäckig die Meinung vertreten, das Präsidium der Stuttgarter Kickers verstehe sich auf die Erfordernisse des Fußballs so gut wie ein Nashorn aufs Schlittschuhlaufen. Und wer die Entwicklung des Traditionsvereins von der Waldau in den vergangenen Jahren im Blick hat, der findet wenig Argumente, um diesem Gesamtbild grundlegend zu widersprechen.
Als aktuellster Beleg gilt die Hinrunde der Regionalliga Süd: Die neuzeitlichen Ausgaben der blauen Götter kickten so grausam, als hätten sie insgeheim beschlossen, beim nächsten Cannstatter Volksfest die Geisterbahn zu ersetzen. Und die Häuptlinge an der Spitze des ehemaligen Renommierclubs hinterließen dabei ganz den Eindruck, als müssten sie sich den Schrecken Woche für Woche von der Seele reden. Jeder durfte was sagen, und jeder sagte was anderes. Am Ende musste Trainer Peter Zeidler gehen, Co-Trainer Stefan Minkwitz übernahm – und führte das Team auf Platz 16. Nur zwei waren noch schlechter.
Das ist ein ernstzunehmendes Problem, weil nur die besten zehn Teams am Ende der Saison den Sprung in die eingleisige dritte Liga schaffen. Nur dort gibt es das Geld aus Fernsehen und Vermarktung, von dem die Blauen so erbärmlich wenig haben.
Nun suchten die Schuldenverwalter unterm Fernsehturm in all dem Elend bei einem Haudegen Rat, der ohnehin regelmäßig von den morschen Sitzen der Haupttribüne aus seine Analysen betreibt: Jürgen Sundermann (67), den mindestens 50-Jährigen unter den Fußballbegeisterten noch in allerbester Erinnerung. Zwar sank der Stern des Fußball-Vagabunden aus Leonberg nach seiner Ära beim VfB Stuttgart (1976 bis 1982) kontinuierlich, aber irgendwie gelang es dem Fußball-Lehrer immer wieder, sich im Zentrum des Spiels zu halten. Meist nicht allzu lange – und immer öfter zum Missvergnügen derer, die mit ihm zu tun hatten. Doch so wie die Kickers-Getreuen noch allzu gern das helle Licht der alten Zeiten erstrahlen lassen, so sonnt sich Sundermann im Glanz der früheren Tage.
Zu vorgerückter Stunde, bei einem frisch gezapften Pils, erzählt er gern die Anekdoten aus den guten alten Zeiten. Das befeuert die Stimmung, rückt ihn aber gefährlich nah an die Rolle des tragischen Helden, der partout nicht loslassen kann, was ihm einst zu Ruhm verhalf. Jetzt soll der Dino mit all seiner Erfahrung dazu beitragen, die blaue Art auf Degerlochs Höhen zu erhalten. Rein ehrenamtlich, wie alle Beteiligten unaufgefordert versichern.
„Wir wollen keinen Ober-Trainer haben“, sagt Präsident Dirk Eichelbaum, „Spieler und Manager können sich aber Rat holen, wann immer sie ihn brauchen.“ Kaum anzunehmen, dass Stefan Minkwitz und sein Co-Trainer Alexander Malchow demnächst in stundenlange Klausur mit dem Senior-Coach gehen. Sie haben eigene Pläne. Nach allem, was man hört, klingen die alles andere als schlecht.
Coup oder Verzweiflungstat? Am Tresen im Kickers-Clubheim schütteln sie in diesen Tagen nur noch den Kopf über die Abenteuer-Geschichten im Kickers-Vorstand. Sundermann sei ein netter Kerl, sagen sie, aber seine große Zeit sei nun mal definitiv vorbei. Womöglich ist es genau das, was ihn mit den Blauen am meisten verbindet.
Stuttgarter Nachrichten
Jürgen Sundermann
Jürgen Sundermann wurde am 25. Januar 1940 in Mülheim an der Ruhr geboren. Er ist verheiratet mit Monika. Die beiden haben zwei erwachsene Söhne. Seine größten Erfolge feierte er als Trainer beim VfB. Er arbeitete als Coach auch in der ehemaligen CSSR und in der Schweiz. Ihm gelang mit dem VfB der Wiederaufstieg in die Bundesliga, danach begeisterte das Team mit Offensivfußball.
Stationen in Deutschland
Spieler
Vikt. Köln, Regionalliga (1963/64)
Hertha BSC, Bundesliga (1964/65)
Trainer
VfB Stuttgart (1976 bis 1982)
Stuttgarter Kickers (1982 bis 23. 1. 1983)
FC Schalke 04 (ab 24. 1. 1983)
Hertha BSC Berlin (bis 12. 10. 1988)
VfB Leipzig (1991 bis 1993)
Waldhof Mannheim (1993/1994)
VfB Leipzig (22. 2. bis 9. 4. 1994)
VfB Stuttgart (25. 4. bis 30. 6. 1995)
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