Diese Woche Spitzengespräch
Der Gemeinderat entscheidet Ende April über den Umbau des Daimlerstadions und die Finanzierung. Dabei muss auch geklärt werden, was mit den kleineren Stadien passiert. Der Plan, die Leichtathleten bei Laune zu halten, geht aber am Bedarf vorbei.
Von Jörg Nauke
Die Verhandlungen zwischen dem Ersten Bürgermeister Michael Föll (CDU) und dem Vorstand des VfB Stuttgart über den Umbau des Daimlerstadions in eine reine Fußballarena ohne Leichtathletiklaufbahn stehen vor dem Abschluss. An diesem Donnerstag wird das Konzept den Fraktionsvorsitzenden vorgestellt, am 2. April gibt es eine Pressekonferenz. Danach wird das Projekt in den Ausschüssen diskutiert. Am 24. April fasst der Gemeinderat den Baubeschluss. Nach dem Ende der Saison 2008/2009 würde mit den Umbauarbeiten begonnen. Beide Kurven würden ersetzt und das Dach verändert. Als Erstes muss die Untertürkheimer Kurve umgebaut werden, weil man dort eine Sporthalle für 2000 Zuschauern unterbringen will.
Die Bedingungen für den Umbau wurden erst kürzlich geändert. „Bau und Betrieb von Fußballstadien sind eine private Aufgabe“, hat OB Wolfgang Schuster jüngst noch behauptet: „Wenn der VfB umbauen will, muss er uns das Stadion abkaufen.“ Davon ist keine Rede mehr. Den mit mindestens 70 Millionen Euro veranschlagten Umbau leistet nicht der VfB, sondern die Stadt über ihre Objektgesellschaft, in der bereits die Schleyerhalle und die Porsche-Arena verwaltet werden.
Zins und Tilgung des von der Stadt gesicherten Umbaukredits leiste der Bundesligist durch die Miete, heißt es; außerdem müsse der VfB eine Erbpacht von einer Million Euro, weiter 2,68 Millionen Euro pro Jahr für die Finanzierung des Business Centers in der Haupttribüne und zudem eine Instandhaltungsabgabe bezahlen; beispielsweise für einen Ersatzrasen oder für neue Sitze, wenn die Fans gewütet haben.
Neben der Miete, die auch künftig nicht ausreichen wird, um die Abschreibungen von jährlich mehr als drei Millionen Euro zu erwirtschaften, tätigt der VfB in seiner Funktion als atypisch stiller Beteiligter der Objektgesellschaft eine Einlage in Höhe von 27 Millionen Euro. Dieses Geld wird von Sponsoren des Vereins aufgebracht.
Der VfB erhofft sich durch das Erlebnis Arena eine bessere Stimmung und höhere Einnahmen. Der Club hat zuletzt 88 Millionen Euro Umsatz erzielt und geht von jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von 8,42 Millionen Euro aus. Ziel ist es, neben der Vermarktung von Kurvenlogen die Fans dazu zu bringen, mehr zu konsumieren. Mit komfortableren Plätzen in den steileren Kurven wären auch Preiserhöhungen durchzusetzen. Der VfB schielt in diesem Fall gerne zur Konkurrenz. Das VfB-Durchschnittsticket kostete 2006 exakt 22,56 Euro, in Hamburg aber 24,35 Euro und 31,13 Euro in Hannover. Schon ein Euro Erhöhung bringt eine Million Euro Mehrumsatz. Die Sportverwaltung im Rathaus, die einige Dutzend Mitarbeiter durch die Umstrukturierung abgeben würde, betrachtet schon heute den Stadionbetrieb als gutes Geschäft. Ohne Verrechnungen, Abschreibungen und kalkulatorische Zinsen verblieben 1,8 Millionen Euro Jahresüberschuss.
Für den Stadionumbau zeichnet sich im Gemeinderat eine breite Mehrheit ab, weil Kämmerer Föll nach OB Schuster auch CDU-Chef Reinhold Uhl überzeugt hat. Würde der VfB zahlungsunfähig, könne man mit der Sponsoreneinlage den Umbaukredit tilgen, begründet Uhl seine Kehrtwende. Bisher stand er auf dem Standpunkt, das heutige Risiko von rund 30 Millionen Euro (durch das Darlehen aus dem Umbau der Haupttribüne) sei für die Kommune schon genug belastend.
Doch die Verwaltung wird den Stadträten mehr vorlegen als nur den Umbaubeschluss. Nachdem die Rathausspitze von Daimler die Bestätigung erhalten hat, dass neben dem Museum ein Oldtimerzentrum errichtet wird, stehen im Neckarpark große Veränderungen an. Der VfL Stuttgart muss verlagert, Sportstätten neu gebaut werden.
Als Ausgleich für den Wegfall der Laufbahn im Daimlerstadion will die Stadt aus dem Erlös des Grundstücksverkaufs an Daimler das Leichtathletikstadion Festwiese sanieren. Das verwirrt selbst den Verbandspräsidenten Jürgen Scholz, denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, sprich: der Wegfall einer Veranstaltungsstätte mit 50 000 Zuschauern kann nicht kompensiert werden, indem man eine kleine Trainingsstätte aufhübscht; zumal es gar keine geeigneten Wettbewerbe gibt, für die ein Stadion Festwiese mit später 5000 oder sogar 20 000 Zuschauern benötigt würde. Regionale Titelkämpfe werden ganz bewusst nicht in der Metropole, sondern im Umland ausgerichtet.
Ein derartiger Luxusausbau ließe sich nur rechtfertigen, falls die Festwiese auch Heimspielstätte für die VfB-Amateure in der 3. Fußball-Bundesliga würde. Von dieser Idee der Grünen hält jedoch die Sportverwaltung nichts. Sie priorisiert weiter die Ertüchtigung des Gazi-Stadions auf der Waldau. Dort soll der VfB-Nachwuchs seine Drittligaspiele bestreiten; die Kickers behalten ihr Zuhause ebenso wie das Football-Team der Scorpions.
Stuttgarter Zeitung