StZ: „Nach der Saison geht die Arbeit erst richtig los“

Wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Kickers, Rainer Lorz, die entscheidenden nächsten Wochen des Fußball-Regionalligisten beurteilt

STUTTGART. Gegen den VfR Aalen tritt Rainer Lorz morgen erstmals offiziell als neuer Aufsichtsratsvorsitzender der Stuttgarter Kickers bei einem Heimspiel auf. Der 45-jährige Jurist äußert sich zu den verschiedenen Problemfeldern des Fußball-Regionalligisten.

Von Joachim Klumpp

Rainer Lorz zur sportlichen Situation:

„Ich denke, wir haben sehr gute Chancen, unser Ziel dritte Liga zu erreichen, nachdem in der Tabelle alles sehr eng beisammen ist. So gesehen war das Spiel in Burghausen sicher von herausragender Bedeutung, nicht nur, weil wir gewonnen, sondern unsere Konkurrenten großteils verloren haben. Allerdings haben wir auch noch ein schweres Restprogramm, das wird kein Selbstläufer, angefangen mit dem Spiel gegen Aalen.“

. . . zur Qualifikation dritte Liga:

„Die Qualifikation ist die Grundvoraussetzung, um so weitermachen zu können, wie wir uns das vorstellen. Aber dann geht die Arbeit erst richtig los. Die Frage ist, wie positionieren wir uns: Sportlich, wo wir einen schlagkräftigen Kader aufstellen müssen, aber auch finanziell, denn der geplante Etat (etwa drei Millionen Euro; d. Red.) wird nach derzeitigem Stand nur geringfügig höher sein als bisher. Und damit werden wir in der dritten Liga auch ganz unten stehen, wenn man sieht, dass Braunschweig jetzt schon sieben Millionen Euro ansetzt und 14 000 bis 15 000 Zuschauer hat – das ist natürlich ein Riesenunterschied. Wir können also nicht einfach sagen: Super, wir haben die sportliche Qualifikation geschafft, das war“s jetzt.“

. . . zu einem möglichen Investor:

„Ich sage es mal so: es gibt durchaus Überlegungen in diese Richtung, aber im Augenblick ist es nicht so, dass wir konkret etwas auf dem Tisch liegen haben. Da müsste dann ja auch die Umsetzung funktionieren. Man muss eine Mitgliederversammlung einberufen, das Modell präsentieren, die Gegebenheiten dafür schaffen. Da muss man eine Kapitalgesellschaft ausgliedern, in der der Verein nach aktuellem Recht die Mehrheit halten würde. Und ein Investor will ja vor allem eines – immer einen Rückfluss haben. Da stellt sich die Frage: Wie erwirtschafte ich den?“

. . . zur Hauptversammlung:

„Ich glaube schon, dass eine Mitgliederversammlung nach der Saison sinnvoll wäre, das muss keine außerordentliche sein, man kann die normale ja auch vom November vorziehen. Ich halte es jedenfalls nicht für falsch, dass man die Mitglieder einbindet, wenn wichtige Entscheidungen anstehen.“

. . . zur gegründeten GmbH & Co. KG:

„Wir wollen das Thema nicht so hoch hängen, aber die Frage ist ja immer: wie kann ich einen Fußballverein finanzieren? Neben kapitalmäßigen Beteiligungen vor allem über Sponsoren oder Darlehen. Und in diesem Fall wandle ich belastendes Fremdkapital in Eigenkapital um und verzichte dadurch auf einen Rückforderungsanspruch. Im Gegenzug werden Transferrechte gesichert. Und der Vorteil ist, dass das Geld aus möglichen Ablösesummen wieder dem Verein zur Verfügung gestellt werden kann.“

. . . zur vierten Liga und Insolvenz:

„Man kann jetzt nicht so tun, als ob bereits alles klar ist. Generell bin ich der Meinung, dass man eine Insolvenz vermeiden sollte, wenn es irgendwie geht. Denn die nützt keinem. Da fängt man in der fünften Liga zwar wieder bei null an, aber zu sagen, wir starten einen Durchmarsch – das ist nicht so einfach. Vorrangig sollte man deshalb alles dafür tun, dass man in der vierten Liga eine schlagkräftige Truppe hätte und weiterspielen könnte, wenngleich natürlich mit einem deutlich reduzierten Etat.“

. . . zum Verhältnis VfB Stuttgart:

„Da ist vielleicht in den vergangenen Jahren zu wenig daran gearbeitet worden, was die Abgrenzung zum VfB betrifft. Da reicht es eben nicht zu sagen, wir sind die sympathische Alternative, man muss auch konkret sagen, wie die aussehen soll. Da gibt es durchaus Überlegungen. Aber in der Situation momentan kann man als Aufsichtsratschef nicht hingehen und sagen, wir machen jetzt alles vollkommen neu. Wir ziehen die restlichen Spiele der Saison sauber durch. Danach folgt die Bestandsaufnahme, bei der wir uns fragen müssen: wo stehen wir, wo wollen wir hin – wer ist dabei?“

. . . zum Darlehen des Expräsidenten:

„Die mir gegebenen Informationen sagen, dass der DFB das Rangrücktrittsdarlehen von Hans Kullen akzeptiert, wenn unser Wirtschaftsprüfer das als ausreichend ansieht. Und das tut er. So gesehen gehe ich davon aus, dass der DFB das nicht bemängelt. Man kann natürlich nicht ausschließen, dass es Auflagen oder gar Bedingungen bei der Lizenzierung geben wird. Aber in dieser Hinsicht sind wir, glaube ich, in guter Gesellschaft.“

. . . zum Liquiditätsproblem der Kickers:

„Die finanzielle Seite hängt für mich eng mit der sportlichen zusammen. Wenn man in die Saison geht, ist der Etat weitgehend gedeckt. Aber es gibt immer auch abhängige Faktoren, wie spontane Werbemaßnahmen oder die Zuschauereinnahmen, die bei uns durch die sportliche Situation ins Wanken geraten sind. Ob man da jemand einen Vorwurf machen kann, das würde ich doch mit einem Fragezeichen versehen, zumal wir ja nicht mit 5000, sondern mit 3500 Besuchern geplant hatten. Derzeit ist die Liquidität gesichert, schwierig ist immer noch der Juni, wenn keine Spiele mehr stattfinden. Den überbrückt man natürlich leichter, wenn man für die dritte Liga qualifiziert ist. Die Sponsoren sagen: im Mai reden wir gerne weiter – was ja auch verständlich ist.“

Rainer Lorz gehört dem Aufsichtsrat der Stuttgarter Kickers seit November 2005 an. Der Jurist aus Degerloch beschäftigt sich vor allem mit der unternehmerischen Nachfolgeplanung. Der Honorarprofessor an der Universität Stuttgart hat aber auch einen persönlichen Bezug zum Fußball. Bis zu seinem 24. Lebensjahr spielte er selbst – unter anderem bei der DJK Konstanz – und hat Jugendmannschaften trainiert.

Stuttgarter Zeitung

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