Zweitligataugliches Stadion für drittklassige Vereine?
Kickers regen Neubau der Haupttribüne an – Stadt favorisiert „kleine“ Sanierung für 5,4 Millionen Euro – Weiterer Ausbau möglich
Vor wenigen Wochen haben die Stuttgarter Kickers bereits mit einem Fuß in der vierten Liga gestanden. In letzter Sekunde wurde Schlimmeres verhindert. Im Zusammenhang mit der Sanierung des Gazi-Stadions träumt man jetzt aber von der zweiten Liga.
Von Jörg Nauke
Vor einem Monat stand der Stuttgarter Traditionsverein am Abgrund, und hätten am letzten Spieltag nicht alle Widersacher (und die Kickers selbst) für die „Blauen“ gespielt, dann wäre er jetzt sogar einen Schritt weiter. So aber wurde in letzter Sekunde die Qualifikation für die neu geschaffene dritte Bundesliga geschafft und die Zugehörigkeit zum bezahlten Fußball erhalten. Das gilt im Übrigen auch für die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart, die wegen der zu beengten Verhältnisse in ihrem Schlienzstadion am Wasen künftig auch auf der Waldau spielen muss.
Diese Umstände zwingen die Stadt nun, die Spielstätte Gazi-Stadion entsprechend der Auflagen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) „zur Erfüllung der baulichen und technischen Anforderungen“ zu modernisieren. Da die erste Drittligasaison schon in Kürze beginnt, hat die Stadt bereits notwendige provisorische Umbauten veranlasst. Weil mit dem sportlichen Aufstieg auch die Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen heimischen und auswärtigen Fans steigt, wird unter anderem die Polizei ein eigenes Revier mit Zellen am Stadion bekommen, vorerst in Containern.
Der Gemeinderat soll in der kommenden Woche vom Raumprogramm Kenntnis nehmen und der Sportverwaltung grünes Licht für einen Ausbau mit Kosten von 5,4 Millionen Euro geben. Er beinhaltet: die beidseitige Erweiterung der Haupttribüne um 2000 Einzelsitzplätze, die Sanierung derselben und den vollständigen Neubau des Tribünendachs, so dass dort alle Besucher im Trockenen sitzen würden; den Neubau einer Sicherheitszentrale für Polizei, Ordnungsdienst, Feuerwehr und Sanitäter; Wärmedämmung, neue Heizung, Lüftung, Sanitär, Elektro und ausreichende Notstromversorgung sowie der Bau eines WC-Bereichs für die Besucher.
Dass das altehrwürdige Stadion drittligatauglich gemacht werden sollte, ist im Gemeinderat trotz anderer dringend notwendiger Maßnahmen wie die Sanierung des Eislaufzentrums Waldau unstrittig. Dass nun aber nach einem Gespräch mit den Kickers-Bossen die Fraktionen mit einem Antrag an die Verwaltung herangetreten sind, in dem die Frage nach Kosten für eine noch weiter gehende Sanierung gestellt wird, die den Nutzern „eine bessere wirtschaftliche Basis ermöglichen kann“, wurde im Rathaus mit Erstaunen zur Kenntnis genommen. Schließlich stand kürzlich auch noch ein Verzicht auf jedwede Sanierung zur Debatte.
Es wird in der Sitzung am 17. Juli konkret darum gehen, ob das Stadion mit seinen Drittligisten in einem ersten Schritt so ertüchtigt wird, dass man sich die Möglichkeit erhält, es im Erfolgsfall zweitligatauglich zu machen. Dafür braucht es eine Rasenheizung, die Erhöhung der Kapazität auf 15 000 Zuschauer und weitere 1000 Sitzplätze. Weil man mit der von der Stadt favorisierten Sparvariante nicht auf das geforderte Sitzplatzkontingent käme, sondern nur mit Abriss und Neubau der Haupttribüne, steht ein wegweisender Beschluss an, der Mehrkosten von einer Million Euro (Gesamtaufwand dann 6,4 Millionen Euro) bedeuten würde. Würden die Kickers aufsteigen, müssten zur Erfüllung der Auflagen aber noch einige Tausend Stehplätze geschaffen werden. Das ginge dann noch einmal richtig ins Geld.
Stuttgarter Zeitung
Kickers und das Geld
Nach der Sanierung des Gazi-Stadions müssen die Kickers doppelt so viel Miete an die Stadt bezahlen wie bisher, nämlich 40 000 Euro pro Saison. Das gilt auch für die VfB-Amateure. Nach Abschluss der Umbaumaßnahmen ist eine Erhöhung um weitere 10 000 bis 15 000 Euro geplant. Außerdem ist die Stadt an den Gastronomieeinnahmen beteiligt. Sie rechnet mit rund 20 000 Euro pro Saison, so dass insgesamt rund 100 000 Euro in die Stadtkasse fließen werden.
Mehr ist von den Kickers jedoch nicht zu holen. Der Gemeinderat muss in der nächsten Sitzung sogar beschließen, dass dem Verein weiter die Rückzahlung seiner Schulden aus dem Stadionumbau 1997 gestundet wird. Zwei Drittel dieser Kosten von rund 2,5 Millionen Euro entfielen auf die Stuttgarter Kickers, die Rückzahlung sollte in 17 Jahresraten à 153 387 Euro erfolgen. Nachdem die „Blauen“ 383 468 Euro abbezahlt hatten, erfolgte der Abstieg in die Regionalliga und das vorläufige Ende der Tilgungsleistung. 2004 wurden die Namensrechte am Waldau-Stadion für eine Million Euro 2004 veräußert, die Hälfte davon floss in die Schuldentilgung. Mittlerweile sind aus dem ursprünglichen Betrag von 1,687 Millionen Euro 883 000 Euro bezahlt und noch 804 000 Euro offen.jon
Stuttgarter Zeitung