Der Trainer der Blauen über seine Zeit als Profi, den Umgang mit Spielern und die Ziele mit den Blauen
Stuttgart – Edgar Schmitt soll den Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers vor dem Absturz retten. Der 45-jährige Ex-Profi ist sicher, dass er die Herausforderung meistert: „Die Elf ist jung, dynamisch, kampfstark und nicht zerstritten“, sagt er vor seinem Debüt am Samstag (14 Uhr/Gazistadion) gegen Kickers Emden.
Herr Schmidt, wir wundern uns, dass Sie erst am heutigen Dienstag mit dem ersten Training loslegen.
Ich dachte, die Mannschaft sei am Sonntag wie geplant ausgelaufen und hat dann am Montag frei. Als ich später erfuhr, dass am Sonntag gar kein Training war, wollte ich die ursprüngliche Planung nicht ändern.
Ist in der prekären Lage nicht jeder Tag kostbar?
Manchmal ist weniger auch mehr.
Die Spieler werden sich freuen.
Das weiß ich nicht. Wenn sie wüssten, dass sie dadurch am Samstag gewinnen, hätten sie bestimmt auch gerne trainiert. Die heutige Spielergeneration besteht nicht aus lauter Sauhunden, sie ist professioneller, als man denkt, und viel besser als ihr Ruf.
Dass viele ihre Freizeit hauptsächlich an der Playstation verbringen, ist ein Vorurteil?
Das tun sie nebenbei, aber viele gehen laufen und halten sich fit. Früher waren die Spieler Fußballer, heute Hochleistungssportler. Die physische Belastung ist viel höher geworden. Die dritte Liga heute hat ein Niveau wie vor zehn Jahren die zweite Liga.
Wie sah es bei Ihnen persönlich mit der Professionalität aus?
Ich war kein Musterschüler, habe meine Freiheiten sehr genossen. Mein starker Wille hat mich nach oben kommen lassen.
Allerdings erst mit 28 Jahren.
Ich habe nie in einer Auswahl gespielt. Bernd Hölzenbein und Dragoslav Stepanovic haben mich 1991 für eine Ablösesumme von 750.000 D-Mark vom damaligen Oberligisten Eintracht Trier zu Eintracht Frankfurt in die Bundesliga geholt.
Ihre beste Zeit hatten Sie beim KSC.
Diese Truppe damals war geprägt von einer unheimlichen Geschlossenheit. Typen wie Oliver Kahn, Wolfgang Rolff, Thorsten Fink, Michael Tarnat oder Icke Häßler zeichnete diese unglaubliche Willenskraft aus. Genauso wie den damaligen Trainer.
Den wilden Winnie.
Winfried Schäfer hat uns große Freiheiten gelassen, weil wir ein sehr verantwortungsvolles Team waren.
Hat er Sie stark geprägt?
Ich war in allen Spielklassen am Ball und hatte viele gute Trainer, aber ich gehe meinen eigenen Weg und habe meine eigene Philosophie.
Die wie aussieht?
Ich kommuniziere viel mit den Spielern. Ich sehe mich als Teil der neuen Trainergeneration. Ähnlich wie Jürgen Klinsmann oder Bruno Labbadia will auch ich analytisch vorgehen, Pressing spielen lassen und mit dem Team mutig nach vorne angreifen.
Sie wissen aber schon, dass Sie bei den Stuttgarter Kickers unterschrieben haben.
Große finanzielle Mittel hat der Club nicht, aber ich bin sicher, dass sich hier viel bewegen lässt. Zunächst aber geht es um den Ligaverbleib.
Zweifel an der Qualität der Mannschaft haben Sie nicht?
Hätte ich sonst hier unterschrieben? Fakt ist: Die Niederlagen gegen Aue und in Erfurt waren sehr unglücklich. Das Team kann ein hohes Tempo gehen. Es ist jung, dynamisch, kampfstark und nicht zerstritten.
Warum lief es dann so schlecht?
Ich glaube einfach, die Mannschaft ist in der Liga noch nicht richtig angekommen. Möglicherweise dachten manche Spieler nach der geglückten Drittligaqualifikation, es geht jetzt einfach von allein so weiter.
Wie wollen Sie den Schalter umlegen?
Wie gesagt, wir wollen den Gegner früh attackieren, offensiv, kreativ und attraktiv spielen, da können bei einer jungen Mannschaft Kräfte frei werden.
Besteht nicht die Gefahr, dass Ihre offensive Ausrichtung zulasten der dringend benötigten Ordnung im Defensivbereich geht?
Was heißt Gefahr? Der Trainerposten ist eine Gefahr, das ganze Leben ist eine Gefahr. Wir werden sehen.
Ende August wurden Sie beim VfR Aalen entlassen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, Sie hätten sich von den Spielern vereinnahmen lassen und wenig taktische Vorgaben gegeben?
Es wird viel geredet. Klar ist, der Erfolg hat viele Väter, bei Niederlagen heißt es plötzlich, der Coach trainiert zu hart, oder er wählt die falsche Taktik. Gegen solche Vorwürfe ist man machtlos.
Fragen von Jürgen Frey
Stuttgarter Nachrichten