StZ-Interview mit Edgar Schmitt: „Ich will Schönheit und Erfolg unter einen Hut bekommen“

Der neue Kickers-Trainer Edgar Schmitt über seine Spielphilosophie, die Zeit als Spielerberater und das ehrenamtliche Engagement bei seinem Heimatverein FC Bitburg

Die erste Bewährungsprobe hat Edgar Schmitt als Trainer des Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers am Samstag gegen den Tabellenzweiten Kickers Emden (14 Uhr, Gazi-Stadion) zu bewältigen. „Ich hoffe, dass die guten Leistungen der vergangenen zwei, drei Wochen in einen Sieg münden“, sagt der 45-jährige ehemalige Profispieler im Gespräch mit Joachim Klumpp.

Herr Schmitt, es ist noch gar nicht lange her, da haben Sie und Ihr Exverein VfR Aalen in Degerloch 1:5 verloren. War das auch ein Grund, dass Sie sagten: die Kickers haben so eine tolle Mannschaft – da muss ich Trainer werden?

Nein. Ich habe ja auch gar nicht damit gerechnet, dass es mit meiner Entlassung in Aalen so schnell geht. Sportlich waren wir mit fünf Punkten aus vier Spielen zwar nicht supergut gestartet, aber auch nicht superschlecht. Insofern war es überraschend.

Und dann kamen die Kickers auf Sie zu?

Ich hatte ein, zwei Anfragen – und die dritte dann noch von den Kickers. Es war für mich von Anfang an klar, dass ich diese Aufgabe am liebsten machen würde. Wenn wir den Klassenverbleib schaffen, wovon ich überzeugt bin, dann ist das auch eine Reputation für mich, weil die Kickers immer noch eine besondere Stellung haben. Das ist hier zwar nur die Nummer zwei, aber ein anerkannter Verein – in ganz Deutschland.

Die Kickers haben Ihr Verhalten im Vorfeld als sehr fair gelobt. War es für Sie am vergangenen Wochenende nicht trotzdem ein komisches Gefühl, quasi auf eine Niederlage Ihres möglichen künftigen Vereins zu hoffen, um diesen Job zu bekommen?

Ich war da sehr entspannt. Es war auch ganz klar abgesprochen, dass der Verein bei einem Sieg am Trainer festhält. Das habe ich so akzeptiert und saß am Samstag nicht vor dem Radio und habe gehofft, dass sie verlieren. Ich habe das Ergebnis erst eine Stunde später durch meinen Berater erfahren, weil ich mit der Familie unterwegs war.

Warum kam es denn in Aalen letztlich zu der Trennung?

Der VfR hat einfach andere Ideen. Er will ganz groß investieren und einen Neuanfang machen. Deswegen haben sie auch Jürgen Kohler verpflichtet. Das ist legitim, so ist es im Fußballgeschäft.

Inwieweit hat die nicht so optimal verlaufene Rückrunde eine Rolle gespielt?

Man war danach natürlich enttäuscht, weil man die große Chance verpasst hatte, in die zweite Liga aufzusteigen. Aber wenn man vor der Saison jemanden gefragt hätte, wo der VfR landet, hätte jeder gesagt: wir sind erst einmal froh, wenn wir Zehnter werden und die Qualifikation für die dritte Liga schaffen. Im Endeffekt muss man sagen, dass der Verein durch interne Querelen, die auch bekannt sind (zum Beispiel mit dem Sportlichen Leiter Helmut Dietterle, Anm. d. Redaktion), den Aufstieg verschenkt hat.

Aalen hat sehr attraktiv gespielt und die meisten Tore der Liga erzielt. Auf der anderen Seite aber auch mehr Gegentore bekommen als der Vorletzte Pfullendorf.

Das weiß ich gar nicht, auf jeden Fall viel zu viele Gegentore. Aber wir waren auch immer für zwei, drei Tore gut.

Bedeutet das übertragen auf die Kickers, Sie wollen Ihrem Offensivstil treu bleiben?

Ich bin ja ein Freund davon, Schönheit und Erfolg unter einen Hut zu kriegen. Aber wir sind in einer Leistungsgesellschaft, so dass es primär wichtig ist, Ergebnisse zu erzielen, und wenn es dann noch schön wird – umso besser. Wenn man hört, wie Valdano von Real Madrid über die Schönheit des Spiels philosophiert, dann geht mir richtig das Herz auf.

Aber Sie sind nicht bei Real, sondern bei den Kickers. Gibt es da überhaupt Spieler, die diesen Vorstellungen entsprechen?

Das muss ja nicht mit Hackentrick und Trallalla sein. Das geht auch übers Kurzpassspiel im Team, und da haben die Kickers mit Alexander Rosen und Bashiru Gambo sehr gute Mittelfeldspieler, die genau das umsetzen können, was mir vorschwebt.

Sie haben einmal gesagt, die Leute unterschätzen mich – und meine Mannschaft auch. Was wollten Sie damit ausdrücken?

Diese Aussage hat daraus resultiert, weil mir nach einem Spiel mal ein bisschen die Anerkennung gefehlt hat. In der Vergangenheit war es einfach so, dass eine Niederlage wie ein Weltuntergang war, ein Unentschieden wie eine Niederlage und ein Sieg als selbstverständlich hingenommen worden ist. So einfach funktioniert Fußball aber nicht.

Wie funktioniert er denn?

Ich bin der Meinung, dass die neue Generation der Trainer, zu der ich mich auch zähle, die kommunikativeren Trainer sind. Dass sie sich der komplexen Situation, die es in der Zwischenzeit ja ist, stellen. Heute sind die Spieler Hochleistungssportler – vor 15, 20 Jahren waren wir Fußballer.

Gibt es da konkrete Beispiele, an denen Sie das festmachen?

Es gibt zum Beispiel eine ganz andere Streitkultur. Das stehen heute ja gleich die Berater dahinter, es wird immer weniger Auge in Auge gekämpft, es ist alles schneller und dynamischer geworden – und diesen Anforderungen muss sich jeder Einzelne in diesem Beruf stellen. Die wichtigste Ressource ist und bleibt dabei aber der Mensch. Und ihn muss man so behandeln, dass er bessere Leistungen bringt. Wie man das macht, da geht jeder andere Wege.

Und wie sieht Ihrer aus? Am Spielfeldrand wirken Sie schon sehr impulsiv.

Aber nie beleidigend. Doch wenn einer im Training sein Ding einfach nur runterkickt, ohne zu wissen, was er da macht, dann werde ich schon etwas energischer, auch laut – aber ohne aufgeregt zu sein.

Viele Leute bringen Ihren Namen noch immer mit den denkwürdigen Europapokalauftritten des Karlsruher SC – vor allem beim 7:0 gegen den FC Valencia – in Verbindung, woraus auch der Spitzname „Euro-Eddy“ resultiert. Stört Sie diese eindimensionale Sichtweise?

Nein. Welcher normale Bundesligaspieler hat einen Namen wie ich, oder welcher Nationalspieler bleibt so lange in Erinnerung. Das ist schon okay so. Als Trainer bin ich Edgar Schmitt, irgendwann war ich der Fußballer Euro-Eddy – das ist schon ganz lange her.

So lange, dass sich manche Fans fragen: was haben Sie denn nach Ihrer Karriere bis zum Beginn als Trainer gemacht?

Ich war ein Jahr lang Spielerberater, habe aber gemerkt, dass das nichts für mich ist.

Warum, wegen des modernen Menschenhandels, der da üblich ist?

Nicht nur deshalb. Am meisten geärgert hat mich, dass drittklassige Fußballer gemeint haben, sie müssten unbedingt in die Fußball-Bundesliga. Und dann auf andere hörten, die ihnen das versprochen haben. Und gar nicht wissen wollten, wie der normale Weg geht. Gute Fußballer entstehen dadurch, dass sie einen Plan haben.

Und wie soll der aussehen?

Ein richtiger Fußballer muss des Fußballs wegen spielen wollen. Er will sich schließlich präsentieren und auf dem Markt bleiben. Ein Spieler, der nur für Geld spielt, wird selten ein guter. Aber wenn er gut ist, soll er nicht vergessen, das Geld zu verdienen – sonst wäre er auch wiederum dumm.

Was war nach dem einen Jahr?

Ich hatte ein großes Sportgeschäft mit meinem Partner, der dann leider gestorben ist. Und nebenbei habe ich den FC Bitburg organisiert, trainiert und fast vier Jahre lang den ganzen Verein am Leben erhalten. Ich habe ihn als soziales Projekt gesehen.

In welcher Hinsicht?

Wir hatten viele Ausländer zu integrieren, das war eine schöne Aufgabe. Wenn man einmal Profi war und in der Kreisklasse oder Bezirksklasse trainiert, dann muss man sich schon sehr in Demut üben und viel Verständnis mitbringen – wenn ein Spieler den Pass nicht an den Mann bringt.

Und gibt es denn noch Kontakt zu Ihrem Heimatverein?

Ich bin zwar noch Präsident, aber selten vor Ort. So wie der Toni Polster in Weiden.

Künftig werden Sie eher noch weniger Zeit haben. Schließlich wartet bei den Kickers eine große Herausforderung. Worauf legen Sie in dieser Woche das Hauptaugenmerk?

Ich muss zunächst einfach mal schauen, wie sich die Spieler bewegen, und sie persönlich kennenlernen. Und ich hoffe, dass am Wochenende die guten Leistungen der vergangenen zwei, drei Wochen in einen Sieg münden. So dass die Spieler auch Selbstvertrauen bekommen und anschließend mit breiter Brust nach München fahren können.

Das erste Spiel ist gegen Emden. Die haben Ihren Aalen-Nachfolger Jürgen Kohler bei dessen Premiere mit 5:2 besiegt. Gibt es noch Spieler beim VfR, zu denen Sie Kontakt haben und von denen Sie einen Tipp holen können, wie man das vermeidet?

Es gibt schon noch ein paar Spieler, zu denen ich Kontakt habe. Aber jetzt muss ich nicht in Aalen nachfragen, ich habe Emden schon selbst gesehen. Und auch die sind schlagbar.

Stuttgarter Zeitung

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