StZ: Ein Team mit zwei Gesichtern

Die Kickers zeigen in der dritten Liga keine Konstanz und warten weiter auf den ersten Saisonsieg

STUTTGART. Zwei völlig unterschiedliche Spielhälften haben die Stuttgarter Kickers am Dienstagabend gegen den Tabellenführer Union Berlin (2:2) gezeigt. Dieses Problem zieht sich schon durch die ganze Saison. Auch der neue Kickers-Trainer Edgar Schmitt ist ratlos.

Von Marco Seliger

Edgar Schmitt ist genervt gewesen. Schon eine halbe Minute lang klingelte im Presseraum nach dem Spiel gegen Union Berlin ein Handy, ohne dass jemand abgenommen oder den Anruf unterdrückt hätte. „Kann das jetzt mal jemand ausschalten, das ärgert mich“, sagte Schmitt. Das Handy verstummte, die Pressekonferenz war beendet und Schmitt konnte nach Hause gehen, um seine heiseren Stimmbänder auszukurieren. Wenn doch nur alles so einfach zu lösen wäre.

Die Probleme seiner Mannschaft sind im Gegensatz zu einem Handy nämlich nicht so einfach abzuschalten. Zwar spielten die Stuttgarter Kickers gegen den Tabellenführer aus Berlin eine Stunde lang sehr gut und erreichten nach dem 0:2-Rückstand noch das 2:2. Erschreckend war aber auch die desolate Vorstellung in der ersten halben Stunde. Die Kickers zeigen momentan in schöner Regelmäßigkeit zwei Gesichter in einem Spiel. Zu Beginn der Saison waren die Gegentore in den Schlussphasen noch das Problem, jetzt ist es die mangelnde Konstanz. Die Kickers spielen in einem Spiel erst desolat und dann überragend. Oder umgekehrt.

Bei Bayern München II führten die Stuttgarter 3:0, um dann in den letzten 20 Minuten noch einzubrechen und den Ausgleich zu kassieren. Im Derby gegen den VfB II erreichten die Kickers nach deprimierender erster Hälfte und dem 1:4-Rückstand noch ein 4:4. Bei den Offenbacher Kickers waren sie in der ersten Stunde spielbestimmend, brachen dann aber ein und mussten noch vier Gegentore hinnehmen. Und jetzt lief das Spiel gegen Berlin wieder nach umgekehrtem Strickmuster: erst schlecht, dann gut.

Der Kickers-Trainer Edgar Schmitt verweist bei kritischen Nachfragen gerne darauf, dass viele seiner Spieler aus der Oberliga gekommen sind und den höheren Rhythmus nicht gewohnt seien. Die Einstellung sei nicht das Problem, sagt Schmitt, auch nicht die Kondition wie zu Beginn der Saison: „Wir haben uns in den vergangenen Wochen psychisch und physisch weiterentwickelt und die Schlagzahl erhöht. Wir sind immer näher dran an einem Sieg.“ Der wird auch bald nötig sein – sonst verlieren die Kickers den Anschluss an die Nichtabstiegsplätze. Nach zwölf Saisonspielen warten die Stuttgarter immer noch auf den ersten Sieg und sind mit fünf Punkten weiter Tabellenletzter.

Der starke Auftritt gegen Berlin nach der ersten halben Stunde sollte dabei Mut machen – auch wenn das Unentschieden sicher auch dadurch möglich wurde, dass die Berliner nach dem 2:0 viel zu lässig spielten. „Wir haben uns auf der sicheren Seite gewähnt und nur noch Hacke-Spitze-eins-zwei-drei gespielt, das geht einfach nicht“, sagte der Berliner Trainer Uwe Neuhaus. Man müsse sich in jedem Spiel die Punkte neu erarbeiten. Dass für die Berliner immerhin noch ein Punkt bei den Kickers herausgesprungen ist, verdanken sie neben einer starken Leistung des Torhüters Jan Glinker auch dem eingewechselten Kickers-Neuzugang Orlando Smeekes. Der hatte in der Nachspielzeit die große Chance zum 3:2. Smeekes lief von halbrechts allein auf Glinker zu und hätte in die Mitte zum besser postierten Benedikt Deigendesch passen müssen.

Der Trainer Edgar Schmitt hatte in der Vorwoche Smeekes“ zu komplizierte Spielweise kritisiert – gegen Berlin hätte ein einfacher Pass in die Mitte gereicht, um den Trainer milder zu stimmen. „Da hätte er rüberspielen müssen, das kann ich einfach nicht verstehen“, sagte Schmitt. Ob Smeekes morgen beim Wuppertaler SV die Chance bekommt, seine Sache besser zu machen, ist daher fraglich. Die Wuppertaler gewannen am Dienstag überraschend mit 1:0 beim Meisterschaftsfavoriten SC Paderborn.

„Wir müssen das Positive aus dem Berlin-Spiel mitnehmen“, sagte der Kickers Manager Joachim Cast. Das haben sich die Kickers in den vergangenen Wochen aber schon einige Male vorgenommen – und es nicht umsetzen können. „Wir können das schaffen, und wir werden es schaffen“, sagt Edgar Schmitt – was soll er auch sonst sagen. Der Trainer will bis zur Winterpause „17 oder 18 Punkte“ auf dem Konto haben. Dazu müssten die Kickers aus den verbleibenden acht Spielen mindestens vier gewinnen. Dazu braucht es aber dringend eines: Konstanz.

Stuttgarter Zeitung

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