StZ: Der Kampf gegen die Monokultur Fußball

Während in der Region zahlreiche Spitzensportvereine beheimatet sind, entwickelt sich Stuttgart zur Diaspora

STUTTGART. Stuttgart hat den VfB – aber dann kommt nicht mehr sehr viel. Es gibt kaum noch Spitzensportvereine in der Stadt. Eine private Initiative möchte das ändern.

Von Tobias Schall

Es ist gute Tradition in Stuttgart, dass man sich an die Vergangenheit erinnert. Kaum eine Gelegenheit zum Beispiel, bei der nicht irgendeiner die Leichtathletik-WM 1993 und das tolle Publikum erwähnt. Die Vergangenheit ist allgegenwärtig im Stuttgarter Sport. In Sachen Großereignisse, aber auch im Ligenspielbetrieb, mangels einer allzu berauschenden Gegenwart. Stuttgart hat sich einmal als die Hauptstadt des Sports gesehen. Großereignisse waren die Regel, es gab das CJD Feuerbach im Volleyball, Stuttgart-Scharnhausen im Handball, den SV Cannstatt im Wasserball und natürlich den VfB Stuttgart. Geblieben ist nur der Alphaverein VfB.

Es ist gut für die Stadt und die Region, dass es den Verein für Bewegungsspiele gibt. Als Werbeträger ist er unverzichtbar. Im Schatten des übermächtigen VfB hat die kleine Welt des Sports es im direkten Umfeld in der Stadt aber schwer, Aufmerksamkeit zu erregen und als logische Konsequenz Gelder zu akquirieren – ein Problem, das es auch in anderen Großstädten, zum Beispiel München, gibt. Während in der Peripherie der Stadt zahlreiche Bundesligisten in den großen Sportarten wie Basketball und Handball vertreten sind, hat sich Stuttgart in den vergangenen Jahren – bis auf den Volleyball-Erstligisten Allianz Volley – immer stärker zu einer sportlichen Monokultur entwickelt.

Versuche, mit der Porsche-Arena neue Vereine anzusiedeln, scheiterten, wie im Fall der Pfullinger Handballer an finanziellen Problemen und der mangelnden Bereitschaft der Stadt und der Unternehmen, in die Zukunft zu investieren. Und mit dem offensiven Werben um benachbarte Spitzenclubs verärgerte man die Vertreter in der Region.

Der Hamburger Weg ist nicht zu übersehen. Millionen Menschen nehmen ihn bei jedem Spiel in der Heimstätte des Hamburger SV wahr, großflächig auf Banden, die sonst zur Deckung der Kosten genutzt werden. Der HSV stellt Teile seiner Werbeflächen in Diensten der Stadt, seiner Stadt: Hamburg.

Der Hamburger Weg ist eine Sponsoringinitiative des HSV, des Aushängeschildes der Hansestadt, und ansässiger Unternehmen unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters Ole von Beust. Es geht nicht um den Spitzensport, die Initiative aus Wirtschaft, Sport und Medien mit der HSV-Raute an der Spitze versucht viel mehr, gesellschaftliches Engagement für den Sport zu fördern. „Durch den Hamburger Weg zeigt der Verein auch hier in der Stadt seine Verbundenheit mit den Hamburgern – dieses ehrenvolle Engagement ist in dieser Form beispielhaft“, sagt von Beust.

Beispielhaft. Auch für Stuttgart?

Es war der Abend des 26. Januars 2009, als Matthias Breucker im Rahmen des „Stuttgarter Sportgesprächs“ der Rechtsanwaltskanzlei Wüterich & Breucker erstmals etwas Artverwandtes ins Gespräch brachte. Er stellte die Frage in den Raum, warum man in Stuttgart nicht auch so etwas auf die Beine stellen könnte. Der Stuttgarter Weg. Seinen Mitstreitern und ihm schwebt eine Art Schulterschluss der Stadt, der Vereine, der Wirtschaft vor – eine Exzellenzinitiative für den Spitzensport in Stuttgart, für Hockey, Wasserball und so weiter. Für den kleinen Sport, dem mit wenig viel geholfen werden kann.

In der Kanzlei laufen bereits Gespräche, wie eine derartige Initiative konkret aussehen könnte, entsprechende Papiere sind verfasst, fix ist allerdings noch nichts. In den nächsten Wochen und Monaten sollen diese mit Leben erfüllt werden, zum Beispiel durch Kooperationen mit Mittelständlern, die Geldbeträge zur Verfügung stellen oder beispielsweise Arbeitsplätze für Spitzensportler. In Randsportarten geht es Athleten schließlich oft vor allem um die Perspektive abseits des Sports. „In Stuttgart scheitert vieles zu oft an geringen Beträgen“, sagt Matthias Breucker.

Der SV Cannstatt war deutscher Wasserballmeister, er hatte die Hegemonialstellung von Spandau Berlin gebrochen. Es war 2006 und es war der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte des Stuttgarter Traditionsclubs. Den Titel konnten sie allerdings nicht mehr verteidigen. Es fehlten 150 000 Euro, drei Wochen nach der Meisterschaft musste sich der Club aus der Wasserball-Bundesliga zurückziehen. Der Hockey-Bundesligist HTC Stuttgarter Kickers war 2005 deutscher Meister und gewann 2006 den Europapokal der Landesmeister. Dann fehlte ein wenig Geld. Die Folge: 2008 stieg man aus der ersten Liga ab, auf dem Feld und in der Halle.

Manch einer schielt nach Mannheim. Die dortige Metropolregion hat gewaltig aufgeholt, neben den Adlern Mannheim im Eishockey hat sich in den Rhein-Neckar-Löwen ein Handball-Bundesligist etabliert. Das sportliche Erwachen ist mit drei Buchstaben verbunden: SAP. Angeführt vom Mitbegründer Dietmar Hopp hat der Walldorfer Softwaregigant Millionen Euro in den Sport seiner Heimat investiert. Man könnte es den Mannheimer Weg nennen.

Stuttgarter Zeitung

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