Kehraus bei den Kickers
Der Trainer Kraft und der Manager Cast müssen wohl gehen – Was macht der Hauptsponsor?
STUTTGART. Gestern Abend hat das Präsidium der Stuttgarter Kickers getagt, um die Viertklassigkeit zu planen. Der Manager Joachim Cast spielt dabei keine Rolle mehr, auch wenn Präsident Dirk Eichelbaum sagt: „Entscheidungen werden erst noch bekanntgegeben.“
Von Joachim Klumpp
Das Kickers-Präsidiumsmitglied Dieter Wahl war gestern Vormittag bereits fleißig im Einsatz: „Ich möchte ja wieder gewählt werden.“ Zunächst einmal aber nicht bei dem Traditionsverein aus Degerloch, sondern für die CDU bei den anstehenden Kommunalwahlen. Nachdem sich Teile von Aufsichtsrat und Präsidium schon unmittelbar nach der 1:4-Niederlage gegen Aalen zusammengesetzt hatten, tagte gestern Abend das Präsidium nochmals intern, um erste Entscheidungen auf den Weg zu bringen. „Wir wollen einen sportlichen Neuanfang“, sagt Wahl.
Und nach dem sang- und klanglosen Abgesang vom Dienstag kann das nur heißen, dass das Trainergespann Rainer Kraft und Alexander Malchow in diesen Planungen keine Rolle mehr spielt. Gleiches dürfte für den Manager Joachim Cast gelten, obwohl der einen unbefristeten Vertrag besitzt, über den sich die Kickers – ohne Flurschaden – nicht so einfach hinwegsetzen können. Intern bliebe als Trainerlösung zwar der Oberligacoach Björn Hinck, der allerdings im Falle einer Rückkehr in die dritte Liga keine Lizenz besäße, auch wenn der sofortige Wiederaufstieg nicht mehr ultimativ verkündet wird.
„Um dieses Ziel realistisch ausgeben zu können, müssten wir mindestens einen Etat wie bisher haben“, sagt der Präsident Dirk Eichelbaum, der wie seine Mitstreiter einen Rücktritt ausschließt. Dieser Betrag von etwa 3,3 Millionen Euro ist aber völlig illusorisch, zumal noch nicht einmal der Budgetansatz für 2009/10 von 1,5 Millionen Euro gesichert ist. „Doch daran arbeiten wir“, betont Eichelbaum, wobei er nach den bisherigen Gesprächen mit dem Hauptsponsor urteilt: „Die Tendenz geht dahin, dass er nicht weitermacht.“ Eine Aussage, über die sich Eduardo Garcia von der Garmo AG verwundert zeigt: „Im Moment gibt es gar keine Tendenz, aber vielleicht haben sie ja auch jemand anderen im Ärmel.“ Interessenten soll es zumindest geben; die Frage ist natürlich, zu welchen Konditionen, denn selbst in der vierten Liga müssten die Kickers an die 200 000 Euro veranschlagen, um finanziell über die Runden zu kommen.
Und wenn das nicht gelingt? „Eine Insolvenz ist mit mir nicht zu machen“, sagt der Aufsichtsratsvize Christian Dinkelacker, auch wenn bei einer Verfahrenseröffnung vor dem 30. Juni wohl in der Regionalliga gespielt werden könnte. Dennoch stößt Dieter Wahl ins gleiche Horn, fügt aber hinzu: „Solange wir nicht dazu gezwungen werden.“ Vor allem die Klage des ehemaligen Präsidiumsmitglieds Walter Kelsch über ein Darlehen von 50 000 Euro plus Zinsen wirkt da wie ein Damoklesschwert. Zudem tendiert der Wert der vom Hauptverein ausgegliederten GmbH und Co. KG, der auf den taxierten Ablösesummen der Spieler basiert, quasi gegen null.
Durch den Abstieg lösen sich alle Verträge in Luft auf, die Ausnahme bildet Bashiru Gambo. Der dürfte auch bei dem Neuanfang „mit jungen, entwicklungsfähigen Spielern“ (Eichelbaum), der durchaus zwei Jahre für die Rückkehr in die dritte Liga vorsieht, eine Rolle spielen; genau wie Marcus Mann oder der zuletzt verletzte Ralf Kettemann, vielleicht auch noch Torsten Traub und Sascha Traut. Dann wird es schon eng: selbst für den Kapitän Alexander Rosen, unabhängig davon, ob er überhaupt in der vierten Liga spielen würde. Vielleicht käme er ja als Manager infrage, was mit seinem Studium zum Sportökonom korrespondieren würde.
Beim Trainer spricht derzeit mehr für eine externe Lösung (möglicherweise sogar in Kombination als Sportdirektor), bei der auch Rainer Scharinger denkbar gewesen wäre, der inzwischen aber beim VfR Aalen unterschrieben hat. Durchaus mit Erfolg, wie die Kickers-Verantwortlichen am Dienstagabend hautnah erleben durften. In dieser Form jedenfalls kann der VfR den Klassenverbleib noch schaffen. Das wäre dann durchaus eine gute Nachricht – und ein Konkurrent weniger in der Regionalliga.
Stuttgarter Zeitung
Kickers planen Neuanfang – ohne Cast
Die Blauen wollen Insolvenz vermeiden und setzen in der Regionalliga auf neue sportliche Leitung – Künftiger Trainer auch Sportdirektor?
Bei den Stuttgarter Kickers laufen seit Dienstagabend die Planungen für die Fußball-Regionalliga auf Hochtouren. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Von Jürgen Frey
Stehen schon personelle Konsequenzen fest?
Es dementiert niemand, die offizielle Bestätigung fehlt allerdings auch noch: Manager Joachim Cast und die Kickers werden sich trennen. Die Frage ist nur, wann. Denn der 40-Jährige, der die vielen personellen Missgriffe zum Großteil zu verantworten hat, hat sich in Sachen Lizenzierung beinahe unentbehrlich gemacht. Und noch müssen die Blauen diesbezüglich bis zum 5. Juni einige Hausaufgaben machen. Casts sofortiger Abschied würde ein Chaos hinterlassen.
Wie könnte die neue sportliche Führung aussehen?
Denkbares Modell: Der künftige Trainer übernimmt auch die Rolle des Sportdirektors, der wirtschaftliche und administrative Bereich wird von einer neuen Kraft auf der Geschäftsstelle abgewickelt. So hatten es die Kickers mit Rainer Scharinger geplant, zögerten aber mit der Zusage. Folge: Ligakonkurrent VfR Aalen schnappte den Blauen ihren Wunschkandidaten weg. Nun sind neben Oberligacoach Björn Hinck auch Frank Leicht (Eintracht Frankfurt II) sowie WFV-Trainer Michael Rentschler, der zwei Jahre lang Assistent von Robin Dutt bei den TSF Ditzingen war, im Gespräch.
Ist die Insolvenz ein Thema?
Die Führungsetage der Blauen ist sich einig: Sie soll unter allen Umständen vermieden werden. „Stand heute schließe ich sie aus“, sagte Präsident Dirk Eichelbaum.
Ist die Lizenz für die Regionalliga sicher?
Noch nicht. Nachdem die Blauen die Planzahlen für ihren 1,5-Millionen-Etat in Liga vier beim DFB eingereicht hatten, kam aus der Zentrale aus Frankfurt zunächst wenig Erbauendes. Die geringen Personalkosten wurden nicht akzeptiert. Die Kickers legten Einspruch ein. Inzwischen gab der DFB grünes Licht. Allerdings müssen bis zum 5. Juni noch die zugesagten Sponsorenverträge unterschrieben nachgereicht werden.
Wie sieht das Konzept für die Regionalliga aus?
Es scheint die Erkenntnis gereift zu sein, dass es ein Riesenfehler wäre, den sofortigen Wiederaufstieg als Zielsetzung auszugeben. „Wir müssen aufhören, Fans und Sponsoren Sand in die Augen zu streuen, sie sind ohnehin schon sauer genug“, sagt Aufsichtsratschef Lorz. Er wünscht sich einem Neuanfang mit „realistischen, aber ehrgeizigen Zielen“. Das Präsidium sieht es ähnlich: „Im Hauruckverfahren wieder nach oben zu wollen könnte einen noch gewaltigeren Absturz mit sich bringen“, sagt Dieter Wahl. Und Chef Eichelbaum will künftig konsequent auf die Jugend setzen. Er orientiert sich an anderen Traditionsclubs, die am Boden waren. Zum Beispiel am Zweitligisten RW Oberhausen. Eichelbaum: „Die spielten 2006 noch in der Oberliga und hatten kein eigenes Klopapier. Dann setzten sie auf ein junges Team mit drei, vier älteren Korsettstangen, die sich mit dem Club identifizieren.“ Das soll auch der Weg der Kickers sein.
Auf welche Spieler setzen die Blauen?
Als Führungsspieler sollen Marcus Mann und Torsten Traub gehalten werden. Genauso Bashiru Gambo, der als Einziger einen Vertrag für die Regionalliga besitzt. Hinzu kommen Talente wie Thomas Gentner, Marcel Ivanusa oder auch Ralf Kettemann. Kapitän Alexander Rosen ist als möglicher Nachfolger von Cast im Gespräch.
Bleibt der Hauptsponsor?
„Ich bin gesprächsbereit“, sagt Eduardo Garcia. Erst will der Unternehmer aber wissen, wie die sportliche Führung aussieht.
Sind in der Führungsetage kurzfristige Änderungen zu erwarten?
Wie es aussieht, tut sich bis zu den Neuwahlen im November nichts. „Was danach passiert, ist offen“, sagt Lorz.
Ist in der Regionalliga ein Aufsichtsrat noch sinnvoll?
Vieles spricht für eine schlankere Struktur mit kurzen Entscheidungswegen. Doch einer Auflösung des Kontrollgremiums setzt eine Satzungsänderung voraus. Das Präsidium will am Aufsichtsrat festhalten: „Es ist wichtig, dass geschaut wird, ob der Kurs stimmt“, sagt Wahl. „In diesem Gremium sitzen Persönlichkeiten, die den Kickers auch finanziell helfen“, ergänzt Eichelbaum.
Stuttgarter Nachrichten
Nur noch kläglich
Von Gunter Barner
Dass es rein theoretisch immer noch nicht sicher ist, ändert nichts daran: Die Stuttgarter Kickers werden absteigen. Die Bilanz ist kläglich. Sportlich war die dritte Liga eine Nummer zu groß. Finanziell riss sie ein gewaltiges Loch, und ideell ließ sie nichts mehr übrig von dem, was die Blauen einst so sympathisch machte. Die familiäre Atmosphäre auf der Waldau ging unter in einem Klima von Selbstbeweihräucherung, Besserwisserei, Missgunst, Misstrauen und Dilettantismus in der Chefetage. Die zusammengewürfelte Mannschaft entwickelte keinerlei Identifikationswert und verschliss drei Trainer.
Selbst die berechtigte Frage, ob ein radikaler personeller und struktureller Neuanfang den mausetoten Club zu neuem Leben erwecken könnte, stellt sich nur bedingt. Denn die Kickers müssen in ihrer Not auf das wenige bauen, das ihnen noch geblieben ist: eine überschaubare Zahl treuer Fans, wenige Sponsoren, die eher aus Mitleid denn aus Überzeugung am Ball bleiben, und eine leidlich funktionierende Führungsmannschaft um Präsident Dirk Eichelbaum, die sich mehr mit den Lasten der Vergangenheit zu beschäftigen hat als mit den Hoffnungen auf eine gedeihliche Zukunft.
Wahrscheinlich hat es nun auch der Letzte begriffen: Die Blauen müssen endlich aufhören, die glorreichen Zeiten zu beweinen. Jetzt hilft nur noch gnadenloser Realismus. Es wäre wohlfeil, aber grober Unfug, den sofortigen Wiederaufstieg als Saisonziel auszugeben. Statt erneut überforderte Billigkräfte en gros einzukaufen, sollten die Kickers ihr knappes Geld dort investieren, wo es einen Sportverein im eigentlichen Sinne adelt: in hochwertige, langfristige und intelligent konzeptionierte Jugendarbeit. Intensiv nachdenken müssen die Blauen überdies über schlankere Strukturen. Der Aufsichtsrat war zuletzt nur noch eine selbstgefällige Herrenrunde aus Bruddlern und Nörglern. Der Abstieg bietet die Chance zum Neuanfang – und birgt die Gefahr des kompletten Niedergangs.
Stuttgarter Nachrichten
Die Planungen für die Regionalliga laufen
Die Kickers sind praktisch nicht mehr zu retten – Konkurrenz patzt ebenfalls
Stuttgart – Die Stuttgarter Kickers haben weiterhin theoretische Chancen auf den Klassenverbleib. Weil gestern auch die Konkurrenten im Tabellenkeller der dritten Liga ihre Spiele verloren, ist der Abstieg noch nicht besiegelt. Im nächsten „Endspiel“ sind die Kickers am Samstag bei Werder Bremen II zu Gast.
Von Beate Wockenfuß
Fünf Punkte trennen die „Blauen“ vom rettenden Ufer. Das ist in den zwei ausstehenden Spielen zwar rechnerisch noch aufzuholen, doch relativ unwahrscheinlich. Der einstige Bundesligist bereitet sich daher schon auf den bitteren Gang in die Viertklassigkeit vor. Schon direkt nach der 1:4-Heimpleite am Dienstagabend gegen den VfR Aalen hatten die Kickers die letzte Hoffnung aufgegeben. „Vor dem Spiel war ich noch verhalten optimistisch. Aber jetzt ist der Sargnagel drin“, sagte Präsident Dirk Eichelbaum. Noch am Abend der 18. Saison-Niederlage begannen die Planungen für die Regionalliga. Gestern trafen sich Präsidium und Aufsichtsrat erneut, um am Konzept für die neue Spielzeit zu arbeiten. „Es ging in erster Linie um die strukturelle Ausrichtung“, hielt sich der Vereinsboss gestern bedeckt. Heute sollen erste Ergebnisse verkündet werden. Dass die völlig verkorkste Saison personelle Konsequenzen haben wird, ist klar. „Wenn wir sang- und klanglos Letzter werden, kann nicht alles richtig gemacht worden sein“, sagte Eichelbaum, ohne sich aber zu Namen zu äußern. Er selbst sieht keinen Grund für einen Rückzug. „Ich bin bis zur Hauptversammlung gewählt und nicht dazu da, hinzuschmeißen, wenn wir abgestiegen sind“, betonte der Rechtsanwalt. Das Motto „Ende gut, alles gut“ vom vergangenen Jahr, als sich die Kickers erst am letzten Spieltag für die dritte Liga qualifizierten, soll es diesmal nicht geben. „Wir werden alles hinterfragen“, so Eichelbaum. Ein Fragezeichen steht auch hinter den Finanzen. „Wir wollen uns in der Regionalliga mit einer jungen, entwicklungsfähigen Mannschaft konsolidieren“, erklärte der Präsident zwar. Aber um überhaupt erst einmal die Lizenz zu bekommen, müssen bis zum 5. Juni noch Sponsorengelder nachgewiesen werden. Sehr fraglich ist, ob Hauptsponsor Gazi sein Engagement fortführt. Eichelbaum: „Tendenz: eher nein.“
Eßlinger Zeitung