Sportpolitik Die neue Bürgschaft für die Kickers ruft Kritiker auf den Plan. Von Thomas Braun
Die Stuttgarter Kickers sind eigentlich nicht zu beneiden: Sportlich erfolgte nach Abschluss der vergangenen Saison der Abstieg in die Viertklassigkeit, und auch finanziell gleicht die Entwicklung des Vereins schon seit Jahren einem Ritt auf der Rasierklinge. Im Kampf ums wirtschaftliche Überleben konnten sich die Blauen dabei stets auf die Stadt und den Gemeinderat verlassen, die ihnen mit Bürgschaften unter die Arme gegriffen hat. Allein für die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs in der Saison 2008/2009 hat die Landeshauptstadt einen Kredit der Kickers aus einem Fonds des Deutschen Fußballbundes (DFB) in Höhe von 200 000 Euro mittels einer entsprechenden Bürgschaft abgesichert.
Andere Stuttgarter Sportvereine könnten da freilich doch neidisch werden, zumal die Kickers zwischenzeitlich auf dem kleinen Dienstweg immer mal wieder mit Steuergeld bedacht wurden: So sponserte die Stadt den Umbau des VIP-Raumes in der Stadionhaupttribüne mit 100 000 Euro, eine neue Kücheneinrichtung für den ADM-Sportparkclubraum wurde mit 70 000 Euro bezuschusst. Dem CDU-Stadtrat und Kickers-Vorstandsmitglied Dieter Wahl wird nachgesagt, er bereite hinter den Kulissen nur zu gern den Boden für solche kleinen Aufmerksamkeiten.
Im Mai nun ist der Kickers-Präsident Dirk Eichelbaum nach Informationen der Stuttgarter Zeitung erneut im Rathaus wegen Geldsorgen vorstellig geworden. Man benötige dringend eine neue Bürgschaft über 77 000 Euro, um für die vierte Liga die Lizenz durch den DFB zu erhalten, trug der Clubpräsident dem Finanzbürgermeister Michael Föll vor. Weil die Summe unterhalb der Schwelle von 90 000 Euro liegt, ab der sich der Kämmerer die Rückendeckung des für Finanzen zuständigen Verwaltungsausschusses holen muss, gab Föll dem Vereinschef eine Zusage. Allerdings knüpfte er daran die Bedingung, dass die bis zum 30. Juni befristete Bürgschaft vom DFB nicht in Anspruch genommen wird, was der Verband bestätigte.
Föll sagt, er habe mit dieser Entscheidung Schlimmeres für die Stadtkasse abwenden wollen: „Hätten die Kickers die Lizenz für die kommende Spielzeit nicht bekommen, wäre der Verein insolvent gewesen.“ Damit wäre die städtische Bürgschaft über 200 000 Euro gegenüber dem Deutschen Fußballbund wohl fällig geworden. Darüber hinaus schulden die Kickers der Stadt noch mindestens 800 000 Euro aus dem Umbau des Gazi-Stadions 1997, die den Blauen allerdings schon seit dem Abstieg in die Regionalliga gestundet werden und erst bei einem Wiederaufstieg in die zweite Bundesliga fällig würden. Hinzu kommen noch offene Gewerbesteuerforderungen gegenüber den Kickers in Höhe von 60 000 Euro. Föll: „Wir verhalten uns da wie andere Gläubiger auch – die Kuh, die die Milch geben soll, muss leben.“
Im Rathaus gibt es freilich auch Kritik am Vorgehen des Ressortchefs. Andere Vereine, die zwar nicht über die entsprechende Lobby verfügen, dafür aber erstklassigen Sport bieten, würden sich bei der Bitte um Bürgschaften Absagen einhandeln. So waren zuletzt im März die Bundesliga-Volleyballerinnen von Allianz Stuttgart bei Föll mit der Bitte um eine Bürgschaft in Höhe von 90 000 Euro abgeblitzt, die mögliche Ausfälle von Sponsoren abdecken sollte. Für den Bürgermeister ist der Fall der Volleyballdamen allerdings nicht vergleichbar mit dem Entgegenkommen gegenüber den Kickers. Es sei „grundsätzlich nicht das Ziel der Stadt, Bundesligaclubs finanziell unter die Arme zu greifen.“ Die Bürgschaft für Allianz Volley sei überdies, so Föll, nach den vom Verein vorgebrachten Unterlagen nicht möglich gewesen: „Die wollten expandieren und massiv in ihren Spielerinnenkader investieren.“
Stuttgarter Zeitung