Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 06.10.2010
Fußball Der zehnte Platz gibt demKickers-Präsidenten Edgar Kurz zu denken. Von Joachim Klumpp
Tradition verpflichtet. Deshalb hat der Fußball-Regionalligist Stuttgarter Kickers seinen obligatorischen „blauen Montag“ auf dem Cannstatter Wasen nicht abgesagt, trotz der 0:1-Niederlage beim SC Freiburg II. „Da unterscheiden wir uns vom FC Bayern“, sagt der Präsident Edgar Kurz, nachdem der Bundesligist seinen Wiesn-Besuch kurzerhand gestrichen hatte. In einem anderen Punkt aber gibt es eine Übereinstimmung. Nachdem der Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge mit Blick auf die Tabelle betont hatte, „ich weigere mich, den Titel jetzt schon abzuschreiben“, bläst Kurz ins gleiche Horn: „Aber wir sind sehr weit von dem Weg entfernt, den wir uns vorgenommen hatten.“
Der sollte zwar nicht zwingend zum Aufstieg führen, aber zumindest in Richtung des ersten Platzes – und dorthin fehlen dem Tabellenzehnten schon elf Punkte. Schlimmer noch: der Trend zeigt nach unten, nachdem die Mannschaft von den jüngsten sechs Spielen nur eines gewonnen hat und in Freiburg weder das Ergebnis gestimmt hat noch die Leistung. „Das ist bedenklich“, gibt Kurz zu. Doch dass der Fußball nicht immer berechenbar ist, zeigten auch Beispiele wie der FC Bayern oder der VfB Stuttgart, „ohne von uns ablenken zu wollen“, so Kurz: „Natürlich müssen wir uns hinterfragen, ob wir alles richtig gemacht haben.“
In erster Linie gilt das für die Kaderzusammenstellung, zumal es diesbezüglich im Sommer zu Differenzen kam zwischen dem Trainer Dirk Schuster und dem von einem anonymen Investor eingesetzten Sportkoordinator Michael Zeyer, der zum Beispiel Sascha Rösler (zuletzt 1860 München) holen wollte. Die atmosphärischen Störungen sind auch Kurz nicht verborgen geblieben: „Man muss sich nicht lieben, um Erfolg zu haben. Aber wir wollen die Kickers voranbringen, deshalb muss jeder seine Qualitäten einbringen.“ Zumal der Investor für sein Geld etwas sehen will und es nur noch eine Frage der Zeit (oder der Niederlagen) sein könnte, bis er sich aktiver einmischt.
Schließlich hatte Dirk Schuster vor der Saison von einem besseren Kader als im Vorjahr gesprochen; Worte, an denen er sich messen lassen muss. Er sagt: „Es müssen neben Enzo Marchese auch andere Spieler Verantwortung übernehmen.“ Michele Rizzi im Mittelfeld etwa oder der momentan verletzte Oliver Stierle, der die Erwartungen zuvor ebenfalls nicht hundertprozentig erfüllen konnte. Bleibt die Frage, ob die Kickers personell noch nachbessern, mit arbeitslosen Akteuren. „Der Markt gibt nicht viel her“, sagt Schuster.
Zudem hat sich der Verein auf die Fahne geschrieben, zunächst Spielern aus den eigenen Reihen eine Chance zu geben. Daher rückten gestern auch drei Mann aus dem bisher recht erfolgreichen Oberligastamm des Trainers Björn Hinck nach oben: Ugur Yilmaz, Fabio Leutenecker und Ramazan Kandazoglu. Ob das zur Leistungssteigerung ausreicht, ist eine andere Frage.
Außer Frage steht: das vermeintliche Spitzenspiel daheim gegen Hessen Kassel in anderthalb Wochen wird jetzt zu einem Schlüsselspiel. Bei einer Niederlage und dann 14 Punkten Rückstand würden die Probleme wohl erst richtig anfangen: sportlich, wirtschaftlich und personell.
Stuttgarter Zeitung