Schwarzer Samstag der Blauen
Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 22.11.2010
Regionalliga Die Stuttgarter Kickers blamieren sich beim 0:3 in Worms nicht nur auf dem Platz. Es droht ein Nachspiel. Von Joachim Klumpp
Der Sportkoordinator Michael Zeyer hat in der Vorrunde alle Spiele der Stuttgarter Kickers gesehen, bis auf das letzte. Am Samstag zog es der Exprofi vor, einen Oberligaspieler zu beobachten, weil er davon ausgegangen war, dass die Mannschaft den kleinen Aufschwung der vergangenen beiden Spiele wird fortsetzen können. Stattdessen gab es einen Rückschlag – 0:3 beim Schlusslicht der Fußball-Regionalliga und dazu noch Ausschreitungen von Kickers-Fans am Rande der Partie.
Schlimmer hätte die Vorrunde nicht enden können. Platz neun wie im Vorjahr; Fortschritt also gleich null. „Natürlich hinken wir hinter den Erwartungen her“, sagt Zeyer, der den Trainer Dirk Schuster deshalb aber – genau wie der Präsident Edgar Kurz – nicht explizit infrage stellt. „Das mache ich nicht von einem Ergebnis abhängig, sondern von der Entwicklung der Mannschaft.“ Die verläuft allerdings äußerst schwankend, der Trainer selbst spricht von einer Achterbahnfahrt. Der Auftritt in Worms gehörte dabei in die Kategorie Tiefpunkt, was Zeyer zumindest in seiner Ansicht bestärkt. „dass noch lange nicht alles so läuft wie gewünscht. Wir müssen die Fehler einfach ansprechen und abstellen“, sagt der Sportkoordinator angesichts der durchaus professionellen Verhältnisse unter denen der Verein arbeitet, ohne ins Detail gehen zu wollen.
Offen ist noch, ob der Kader in der Winterpause (perspektivisch) verstärkt wird, oder aber angesichts der aussichtslosen Lage, was den Aufstieg angeht, nicht eher abgespeckt wird. „Wir müssen immer die sportliche, aber auch finanzielle Seite im Auge haben“, sagt Zeyer mit Blick auf die Probleme zum Beispiel beim Ligarivalen SSV Ulm. „Aber das sind alles Dinge, die wird zunächst intern besprechen.“
Da zumindest liegt er mit Schuster auf einer Wellenlänge: „Natürlich hatten wir nach den zwei letzten Auftritten gedacht, dass wir schon weiter sind.“ So aber sieht der Coach von morgen an Handlungbedarf: „Wir müssen nochmals Reizpunkte im Zweikampfverhalten setzen, wo uns die Wormser überlegen waren, und sicher auch im mentalen Bereich etwas machen.“
In Worms hat dem Spiel die Sicherheit am Ball gefehlt, zudem fehlte zum wiederholten Male ein Führungsspieler, auch ein Oliver Stierle konnte diese Rolle nicht erfüllen – sonst wäre der Stuttgarter Verteidiger kaum ausgewechselt worden.
Wegen Ausschreitungen musste die Partie in der 76. Minute kurzzeitig unterbrochen werden, nach dem Schlusspfiff kam es dann zu weiteren Ausschreitungen, aber nicht zu Festnahmen. „Die Vorfälle werden ein Nachspiel haben“, sagte ein Beamter der Polizei, die auch Pfefferspray einsetzte. Der Kickers-Geschäftsführer Jens Zimmermann wollte sich gestern nicht abschließend äußern, weil er ebenfalls nicht vor Ort war. Nur so viel: angeblich seien die Kickers-Fans auch von angereisten Anhängern des SV Waldhof Mannheim provoziert worden: „Das werden wir diese Woche noch aufarbeiten müssen.“ Man sieht, es gibt viel zu tun – und das eine Woche vor der Hauptversammlung nächsten Montag.
Kickers Wagner – Gondorf, Köpf, Rapp, Stierle (77. Savranlioglu) – Abruscia, Rizzi (70. Yilmaz), Pala (46. Ivanusa), Marchese, Türpitz – Brandstetter.
Tore 1:0 Hübner (34.), 2:0 Oppermann (73.), 3:0 Wittke (84.).
Zuschauer 2112.
Stuttgarter Zeitung
0:3-Niederlage
Ein Kickers-Tag zum Vergessen
Von Jürgen Frey, aktualisiert am 22.11.2010 um 11:07
Worms – Die Achterbahnfahrt der Stuttgarter Kickers in der Fußball-Regionalliga geht ungebremst weiter: Nach zwei klaren Siegen setzte es bei Wormatia Worms nach einer erschreckend schwachen Leistung eine 0:3(0:1)-Niederlage.
Ausflüchte, Entschuldigungen, all das wäre ohnehin sinnlos gewesen. Also wählte Dirk Schuster klare Worte. Enttäuschend, frustrierend, deprimierend sei die Vorstellung seiner Mannschaft gewesen. Woran dieser plötzliche Leistungsabfall lag? Der Trainer holte tief Luft, dann legte er los: „Einige Spieler haben total unter ihrer Form gespielt. Uns hat die Aggressivität in den Zweikämpfen gefehlt. Wir waren zu zaghaft und zu weit weg von den Gegenspielern.“
Das bisherige Schlusslicht Worms ging ganz anders zur Sache. Mit Herz und Leidenschaft. Und spätestens nach der 1:0-Halbzeitführung durch ein Traumtor von Rudolf Hübner in den Winkel stand die Mannschaft von Coach Ronny Borchers äußerst kompakt und machte die Räume eng. „Wir haben kein Mittel gefunden, sie zu knacken“, gab Schuster zu. Und das nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Vor allem bei den Heimspielen traten diese Probleme schon häufiger auf. Hinzu kam, dass die Umstellungen nach der Pause nicht fruchteten: Schuster brachte Marcel Ivanusa für Ali Pala und stellte auf ein 4:4:2-System um – ohne Erfolg. „In der Schlussviertelstunde war uns Worms dann sogar spielerisch überlegen“, musste Schuster eingestehen.
Wie er die Mannschaft wieder in die Spur bringen will? Aggressivität und Zweikampfverhalten würden diese Woche im Trainingsplan ganz oben stehen, versprach der Coach. Zunächst gab er aber am Sonntag und Montag frei. „Ich möchte die Mannschaft zwei Tage nicht sehen, jeder soll seine Leistung reflektieren“, erklärte der Trainer die ungewöhnliche Maßnahme. Dass er selbst, wie Präsident Edgar Kurz auch gestern betonte, unter Beobachtung stehe, sieht Schuster gelassen: „Als Trainer steht man immer unter Beobachtung.“
Nach dem Tag zum Vergessen in Worms hoffen nun alle Beteiligten, dass die Achterbahnfahrt der Kickers weitergeht: Mit einem Sieg im Heimspiel am kommenden Sonntag (14 Uhr/Gazistadion) gegen den SC Pfullendorf. Mit drei Punkten dürfte auch die Mitgliederversammlung einen Tag später etwas harmonischer verlaufen.
Stuttgarter Nachrichten
Kickers verlieren beim Schlusslicht
Worms (red) – Fußball-Regionallist Stuttgarter Kickers hat sein Auswärtsspiel beim bisherigen Tabellenletzten VfR Wormatia Worms mit 0:3 (0:1) verloren. Bei den „Blauen“ war vom Schwung des 7:2-Heimerfolgs gegen den FSV Frankfurt II nichts mehr zu spüren. Die Mannschaft von Trainer Dirk Schuster kam gegen die aggressiven und kämpferisch überzeugenden Gastgeber zu keiner Zeit zu ihrem Spiel. Stattdessen überwogen vor 2112 Zuschauern Fehlpässe und verlorene Zweikämpfe. In der 34. Minute münzten die Wormser ihr Übergewicht zur verdienten Führung um: Rudolf Hübner traf aus 25 Metern in den Winkel. In der zweiten Hälfte schob Lucas Oppermann (73.) freistehend zum 2:0 ein, Kevin Wittke erzielte das 3:0 (85.). „Es ist für mich leider unerklärlich, wieso einige Spieler total unter ihrer Form gespielt haben. Uns fehlt einfach die Konstanz“, kritisierte Schuster.
Eßlinger Zeitung
Blaues Wunder in der Nibelungenstadt – Wormatia schlägt Stuttgart 3:0
Von Jürgen Jaap
Blaues Wunder für „die Blauen“ in der Nibelungenstadt. Eine vor allem in der zweiten Hälfte grandios aufspielende Elf des VfR Wormatia Worms ließ den vor der Partie, ob ihrer elf in den letzten beiden Spielen der Fußball-Regionalliga Süd erzielten Treffer, hoch gehandelten Stuttgarter Kickers beim 3:0 (1:0) aber nicht den Hauch einer Chance.
„Die einzigen Stuttgarter, die hier heute kämpften, waren unsere Fans“, merkte ein sichtlich demoralisierter Kickers-Betreuer geknickt an. Dies allerdings mit unlauteren Mitteln, denn Tumulte der etwa 200 Stuttgart-Fans kurz vor Ende und nach der Partie sorgten für den einzigen Wermutstropfen an einem sonst perfekten Fußballtag für die Gastgeber. „Das kann man schon als eine Klasseleistung meiner Jungs bezeichnen“, wirkte denn auch VfR-Trainer Ronny Borchers rundum zufrieden.
Überzeugte Wormatia im ersten Durchgang vorwiegend durch kämpferische Elemente und Stabilität in der Abwehr-Viererkette, so explodierte nach einem Traumtor von Rudi Hübner in den zweiten 45 Minuten geradewegs die Offensivabteilung. Der wunderschöne Schuss des Wormser Goalgetters unhaltbar aus 25 Metern in den Winkel bescherte Wormatia jedenfalls eine verdiente 1:0-Halbzeitführung (34.). Zwischen der 64. und 68. Minute feuerten die Wormser dann aus allen Fußballstiefeln auf den Kasten von Daniel Wagner. Lucas Oppermann, Sandro Rösner, wieder Oppermann und schließlich Marco Stark hatten das 2:0 auf dem Schlappen oder dem Kopf. Den längst überfälligen Treffer erzielte Oppermann (endlich) fünf Minuten später.
Erstaunlich: Der Tabellenletzte ließ dem Traditionsverein aus der Schwabenmetropole keine Schnitte. „Wir haben gegen Wormatia keinerlei Mittel gefunden“, wirkte Kickers-Trainer Dirk Schuster konsterniert. Wie auch Wagner im Gästetor gegen den raffinierten Lupfer von Kevin Wittke zum 3:0 kein Mittel fand (86.). „Zugabe, Zugabe“, skandierten die annähernd 2000 Wormatia-Fans euphorisch. Die gab’s dann allerdings nicht mehr.
Fußball: Polizei geht bei Wormatia-Spiel in Worms gegen Fans der Kickers vor
Von Roland Keth
Nach dem famos herausgespielten 3:0-Erfolg am Samstag gegen die Stuttgarter Kickers darf sich Wormatia Hoffnungen machen, den Klassenerhalt in der Regionalliga zu schaffen. Überschattet wurde die packende Partie allerdings von schweren Ausschreitungen nach Abpfiff, die nach Augenzeugenberichten von enttäuschten Stuttgarter Fans ausgingen.
Die Bilanz der Randale: fünf verletzte Polizeibeamte, vier lädierte Ordner und mehrere „Fans“, die ebenfalls leichtere Blessuren davontrugen. „Glücklicherweise wohl in keinem Fall etwas Ernstes“, atmete Dieter Bauer, szenekundiger Beamter der Wormser Polizei, gestern tief durch.
Bauer räumte gegenüber der WZ ein, dass die Polizei von den Gewätigkeiten überrascht wurde. „Wir hatten aus Stuttgart keine Warnmeldung erhalten.“ Deshalb war auch keine Bereitschaftspolizei im Stadion, hatten die anwesenden Einsatzkräfte große Mühe, die gewaltbereiten Fans unter Kontrolle zu halten. Einen ersten Vorfall gab es bereits während des Spiels, als in der 76. Spielminute mehrere der rund 200 Gäste-Fans über den Zaun kletterten, um hinüberzurennen in Richtung Vortribüne, wo der harte Kern der jubelnden Wormatia-Fans untergebracht war. Ordner und Sicherheitskräfte konnten die Anhänger jedoch schnell einfangen.
Nach dem Schlusspfiff kam es zu massiven Ausschreitungen im rückwärtigen Bereich des Fan-Blocks. Die Polizei hatte aus Sicherheitsgründen angeordnet, dass die Stuttgarter Fans noch eine Weile in ihre Kurve bleiben sollten. Die Gäste-Anhänger brachen jedoch die Tür auf und versuchten auszubrechen oder erneut über den Zaun zu klettern. Mittlerweile hatten sich auch die Wormatia-Fans im hinteren Bereich zusammengerottet. Erst flogen nur Schimpfworte hin und her, dann aber Steine und Holzlatten.
Mit Pfefferspray und Schlagstock
Die Polizeibeamten standen zwischendrin, mussten das Tor zuhalten und dafür sorgen, dass sich die wütenden Fan-Lager nicht zu nahe kamen. Bei diesem Einsatz setzten die gestressten Einsatzkräfte auch Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Die Lage begann sich erst zu entspannen, als es der Polizei gelang, Verstärkung herbeizubeordern. Danach wurden die wütenden und randalierenden Kickers-Fans über den Gäste-Ausgang Richtung Carl-Villinger-Straße zum Bus eskortiert. „Dort hat es dann aber noch einmal gekracht“, berichtete Dieter Bauer.
Weil man zahlenmäßig einfach zu schwach war, habe man keinerlei Personenüberprüfungen oder gar Festnahmen vornehmen können, bedauerte der Szene-Beamte. „Die Vorfälle werden ein Nachspiel haben“, kündigte er Konsequenzen an. Von Vereinsseite war gestern trotz mehrfacher Nachfrage leider keine Stellungnahme zu erhalten.
Erst Freude über Freikarten
RANDALE Doch nach dem tollen Spiel flippen die Stuttgarter Fans aus
(hjj). Ein gutes Dutzend Kids wartet ungeduldig mit Wormatia-Saisonheften in der Hand vor der Bühne, wo sich im Vereinsheim des VfR Wormatia Worms gerade die Pressekonferenz in den letzten Zügen befindet. Wormatia-Trainer Ronny Borchers spricht begeistert von der Freikarten-Aktion an Wormser Schulen, die etwa 500 Schulkinder ins Stadion lockte. „Wir hatten heute so viele Kinder hier, ein Heimsieg, eine tolle Stimmung – so werden aus jungen Menschen Fußballfans.“ Dann geben Borchers und sein Stuttgarter Kollege Dirk Schuster fleißig Autogramme.
Rückblende. Gut zwei Stunden zuvor sammelt Lehrer Lothar Knecht von der Geschwister-Scholl-Schule seine „kleinen Schäfchen“ vor den Kassenhäuschen am Eingang ins Stadion. Die 13-jährige Julia ist auch dabei. „Ja, ich freu’ mich schon riesig auf das Fußballspiel gleich“, verrät das Mädel lächelnd. 25 bis 30 Kinder marschieren nun mit ihrem Lehrer los in Richtung Stehränge. Dort haben es sich schon vier Knirpse an einem Wellenbrecher gemütlich gemacht. Marcel (9) und Dimo (9) aus der 4c der Paternus-Schule in Pfeddersheim fiebern mit Ronny (9) und Tim (10) aus der 4a der Diesterweg-Schule in Pfiffligheim dem Anpfiff entgegen. Alle drücken Wormatia feste die Daumen: „Wir hauen Stuttgart heute weg, ich tippe auf ein 3:1“, sagt Ronny euphorisch. Weit weg vom 3:0-Endergebnis liegt er damit nicht.
Zwei Treppenstufen darüber schwenkt Arne Hendrik-Jacoby seine Wormatia-Fahne. Vom größeren Bruder Paul-Ruwen hat der achtjährige Schüler der Paternus-Schule das rot-weiße Banner mitbekommen. „Hier unterstützen doch so viele Wormatia“, sagt Arne, „da will ich mit dabei sein.“ Dabei sind Arne, Julia, Marcel, Dimo, Ronny und Tim aber auch, als die Gästefans randalieren. Hoffentlich bleiben bei den jungen Fans nicht nur die Gewaltszenen im Kopf hängen.