StZ: „Wer den Druck nicht aushält, den brauchen wir nicht“

Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 12.01.2011
Interview Das neue Kickers-Präsidiumsmitglied Guido Buchwald erwartet in der Regionalliga eine richtungweisende Rückrunde.

Die Stuttgarter Kickers haben am Montag das erste Training im Jahr 2011 absolviert. Es soll ein Neuanfang gewesen sein, zumindest wenn es nach Guido Buchwald, dem Präsidiumsmitglied für den sportlichen Bereich, geht.

Herr Buchwald, die Stuttgarter Kickers haben in den Weihnachtsferien die gesamte Geschäftsstelle renoviert. So schnell dürften die anderen Baustellen nicht behoben sein?

Das ist vollkommen richtig. Es gibt zwar viele positive Dinge im sportlichen Bereich von der ersten Mannschaft bis zur U 19, so dass man eine Basisqualität hat. Auf der anderen Seite muss man viele Dinge von der Struktur her verbessern. Deshalb ist vielleicht auch im Umfeld die positive Energie momentan nicht so vorhanden, wie sie sein sollte. Das versuche ich in eine Richtung zu lenken und die Mannschaft, im Rahmen der Möglichkeiten, zu verstärken.

Stichwort Strukturverbesserung. Was heißt das: personell oder konzeptionell?

Beides. Natürlich gehören dazu Personalien wie das schon häufig diskutierte Verhältnis zwischen Trainer Schuster und Sportkoordinator Zeyer, wobei ich sagen muss, dass ich beide sehr schätze. Sicher sind beide kontroverse Persönlichkeiten.

Ist dann für das Duo Schuster und Zeyer die Rückrunde eine Art Testlauf, ob die Zusammenarbeit auf Dauer funktioniert?

Eigentlich schon. Ich gehe davon aus, dass es funktioniert. Man muss jetzt einen Neuanfang machen, so dass jeder sein vorhandenes Potenzial in den Dienst des Vereins stellt. Warum soll man das nicht so miteinander kombinieren können, dass es einen Schub nach vorne gibt?

Vielleicht weil in der Regionalliga ein Trainer, ein Koordinator, der Geschäftsführer Zimmermann und das Präsidiumsmitglied Buchwald fast etwas zu viel des Guten sind?

Finanziell kann ich Sie da beruhigen, da muss ich eher noch Geld mitbringen. Und Michael Zeyer macht das ohne großen Verdienst. Geschäftsführer und Trainerstab braucht man sowieso. Es wäre ja auch ein Widerspruch, jetzt die vorhandenen Strukturen abzubauen, wenn man nach oben kommen will. Was nicht heißt, dass man nicht irgendwo sparen muss. Die Regionalliga ist immer eine Gratwanderung, da muss man nur die Beispiele Ulm, Weiden oder davor Reutlingen anschauen. Und bei lediglich einem Aufsteiger ist die Gefahr groß, über die Verhältnisse zu leben.

Die Kickers wären ohne einen Investor in der vierten Liga auch kaum überlebensfähig.

In der jetzigen Form nicht. Deshalb muss man auf dem Markt schauen, welche Spieler aus dem höherklassigen Bereich bereit und motiviert sind, in der Regionalliga auch für weniger Geld zu spielen.

Trifft das auch für die Kickers-Spieler zu?

Auch da muss man bei jedem Vertrag genau schauen, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Wir müssen immer sehen, was finanziell möglich ist.

Sehen Sie es auch als Ihre Aufgabe an, neue Einnahmen zu generieren?

Eigentlich will ich mich auf den sportlichen Bereich beschränken. Aber ich glaube schon, dass ich mit meinem Namen und meinen Kontakten das Marketing unterstützen kann, sofern es die Zeit zulässt.

Der Hauptsponsor ist schon für beide Stuttgarter Vereine tätig, die Kickers und den VfB. Sie waren es sportlich. Halten Sie denn eine vertiefende Kooperation für sinnvoll?

Absolut. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Fredi Bobic. Es gibt kein Konkurrenzdenken, dazu liegen beide Vereine zu weit auseinander. Für den VfB wäre es sicher gut, wenn es in Stuttgart einen weiteren starken Club gibt, an den man den ein oder anderen Spieler ausleihen kann, den man vor der Haustüre im Auge behält und weiß, er wird sich bei uns weiterentwickeln. Das ist mein Ziel, und ich bin ja der Prototyp eines Bindeglieds. Die Idealvorstellung für den Stuttgarter Fußball wäre, dass wir eine Klasse höher spielen als der VfB II.

Davon ist man weit weg . . .

. . . sehr weit. Und ich bin mir bewusst, dass es nur mit kleinen Schritten geht.

Naheliegender ist die Winterpause. Tut sich da personell noch etwas?

Das kann sein, muss aber nicht sein.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Ich denke, nach dem Abgang von Daniel Reule vor allem ganz vorne, da haben wir wenig Alternativen. Und im hinteren Bereich, speziell in der Innenverteidigung. Die Mittelachse, beim Torhüter angefangen, ist wichtig. Wenn die stimmt, können sich die Jungen viel besser entwickeln.

Ihre ersten Gespräche mit den Kickers fanden ja noch unter dem alten Präsidenten Edgar Kurz statt. Als der zurückgetreten ist, haben Sie da auch überlegt, auf Ihr Engagement zu verzichten?

Das war ein Thema, weil der Rücktritt für mich überraschend kam. Ich habe auch gesagt, wenn das etwas mit meiner Person zu tun hat, macht es keinen Sinn. Aber das hat dann ja noch Edgar Kurz ausgeräumt. Das war für mich unheimlich wichtig.

Wie sieht das Verhältnis zum Investor aus?

Da gibt es keine Berührungsängste. Ich denke, jeder muss froh sein, so jemanden zu haben. Das gibt eine gewisse Planungssicherheit, um unsere Ziele voranzutreiben. Der Investor hält sich in den sportlichen Dingen zurück, und ich glaube auch, dass er ein großes Vertrauen zu mir hat.

Zumal Sie in letzter Konsequenz die Entscheidungen treffen.

Das ist klar, sonst brauche ich nicht Präsidiumsmitglied, Abteilung Sport, zu sein.

Die Planung ist auf anderthalb Jahre ausgerichtet.

Ja, auf mehr nicht.

Und wie lautet das Ziel bis Saisonende?

Wir wollen auf alle Fälle unter die ersten fünf kommen. Kassel ist weit weg, alle anderen sind noch in Reichweite. Außerdem können sich die Spieler beweisen. Wer jetzt den Druck nicht aushält, den können wir nächste Saison sicher auch nicht brauchen. Für viele Beteiligte ist es also die Chance, zu zeigen, dass sie mit den Kickers den Weg mit der Zielsetzung Aufstieg gehen wollen.

Das Gespräch führte Joachim Klumpp.

Stuttgarter Zeitung

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