Joachim Klumpp, vom 13.07.2011 09:00 Uhr
Stuttgart – Als Stimmungskanone ist Julian Leist natürlich nicht verpflichtet worden. Das gehört schließlich nicht zum Anforderungsprofil eines Fußballers. In diesem Punkt hätte der Neuzugang der Stuttgarter Kickers auch noch etwas Nachholbedarf.
Beim Hüttenabend im Trainingslager am vergangenen Wochenende auf dem Kniebis jedenfalls hatten die Mitspieler in dieser Hinsicht deutlich die Stimme vorne, was wohl noch vom gemeinsamen Mallorca-Ausflug nach dem Saisonende herrührte, bei dem – mit einer Ausnahme – die Mannschaft genauso geschlossen angetreten war wie zuvor in der Rückrunde. Das machte sich bei dem einen oder anderen auch im Schwarzwald gefrönten Ballermann-Hit durchaus bemerkbar, bei dem sich der 1,92 Meter große schwarzhaarige Spieler dezent zurückhielt.
Doch Leist soll ja auch auf dem Platz die lauten Töne anschlagen, genauer in der Innenverteidigung. Dort hat er zuletzt 31 Spiele für den FC Bayern München II absolviert. Dennoch stand unter dem Strich eine verkorkste Saison, die Mannschaft stieg aus der dritten Liga ab, der Vertrag lief aus, so dass der Weg frei war für die Rückkehr zum Regionalligisten nach Degerloch.
„Ich habe die Zeit in München aber keineswegs bereut“, betont der 23-Jährige. Warum auch? Zum Sprung bei den Profis hat es zwar nicht gereicht, aber immerhin zu einem kostenlosen Schnupperkurs an der Säbener Straße. Rund ein halbes Dutzend Trainingseinheiten durfte der Schwabe bei dem Starensemble absolvieren, damals noch unter dem Trainer Louis van Gaal. „Das kann mir niemand nehmen“, sagt Leist zu der Erfahrung, neben Franck Ribéry oder Mario Gomez geübt zu haben. Zumal es im Training richtig zur Sache ging, „da wird jeder Fehler bestraft“, sagt Leist. Das Tempo ist höher, die Zweikämpfe sind härter – und die Profis stehen immer im Mittelpunkt.
Leist freut sich auf die „tolle Kulisse“
Das hat Leist selbst im Training der zweiten Mannschaft mitbekommen, wenn auf dem Nachbarplatz 2000 Kiebitze beim Auflauf der Bundesligaspieler versammelt waren – und damit mehr als bei Heimspielen in der dritten Liga. Da war selbst bei den kleinen Löwen von 1860, bei denen Leist die ersten zwei Spielzeiten seiner bayrischen Lehrjahre verbracht hat, mehr los.
Nachdem die Zuschauerzahlen bei den Kickers zum Ende der vergangenen Runde enorm angezogen haben, freut sich Leist schon auf die „tolle Kulisse“ in Degerloch, wo er bis 2008 aktiv war. „Ich habe zuletzt leider kaum ein Spiel gesehen“, sagt der Verteidiger, obwohl die Kickers für ihn nach wie vor eine Herzensangelegenheit sind. Das hat er nicht, wie viele andere, in der Form eines Tattoos verewigt, sondern in diesem Fall in seiner E-Mail-Adresse, in die auch die Vereinszeichen „SVK“ integriert sind. Schließlich ist Leist ein echter Stuttgarter Junge, der seit der C2 bei den Blauen gespielt hat und die Cotta-Schule besuchte. Spieler wie Marcel Brandstetter, Marcel Ivanusa oder Demis Jung kennt er noch aus Jugendzeiten, der Rest ist neu. Doch nachdem mit ein, zwei Ausnahmen lauter Schwaben im Kader stehen, dürfte die Integration problemlos verlaufen.
Auf dem Platz muss sich Leist dennoch erst beweisen. Schließlich galt in der erfolgreichen Rückrunde ohne Niederlage gerade die Innenverteidigung mit Simon Köpf und Dominique Fennell als gesetzt. „Da gilt das Leistungsprinzip“, sagt der Trainer Dirk Schuster. Zunächst einmal steht am Mirrwoch Abend (19 Uhr) aber das Stuttgarter Derby auf dem Plan. „Vielleicht können wir den VfB ja ärgern“, sagt Julian Leist, der im Siegfall zur echten Stimmungskanone mutieren dürfte.
Stuttgarter Zeitung