Der Fußball-Regionalligist macht sich viele Probleme immer noch selbst – und hofft am Sonntag auf den ersten Heimsieg
STUTTGART. Die Hauptversammlung der Stuttgarter Kickers hat deutlich gemacht, dass nicht alle Mitglieder der Arbeit des Präsidiums folgen können. In manchen Punkten fühlen sich die Fans überrumpelt. Eine Aufarbeitung.
Von Joachim Klumpp
Als die Mitgliederversammlung der Stuttgarter Kickers am Montag vorüber war, ist der Finanzvorstand Frieder Kummer offensichtlich so angespannt gewesen, dass er seine Aktentasche im Clubrestaurant stehen ließ. Alles Absicht, könnten böse Zungen behaupten, denn darin stecken nichts als Schulden. Ganz so ist es nicht, schließlich konnte Kummer zuvor schwarze Zahlen vermelden. So weit, so gut. Aber ob auch alles gut wird?
Finanzen: Das Plus im vergangenen Geschäftsjahr (von etwa 138 000 Euro) ist in erster Linie auf sogenannte Sondereffekte (Pokal- und Transfereinnahmen) zurückzuführen, die es nicht alle Jahre geben wird. Deshalb ist in dieser Saison auch nur eine schwarze Null angestrebt. Für den Fall der Qualifikation zur dritten Liga allerdings planen die Kickers mit 3,5 Millionen Euro; eine Etatsteigerung um ein Drittel. Vor allem deshalb sucht der Präsident Dirk Eichelbaum nach einem strategischen Investor: „Ich sehe ihn nicht“, sagt der Hauptsponsor Eduardo Garcia, wenngleich es in dieser Hinsicht immer wieder Gespräche geben soll, wobei bereits unseriöse Angebote dabei waren.
Sport: Platz 15, drei Punkte zum wichtigen Rang zehn, das ist nicht das, was sich die Kickers vorgestellt haben. Sollte es in den beiden Spielen gegen Ingolstadt und in Regensburg keine Besserung geben, beginnt die Personaldiskussion in der Winterpause aufs Neue – über den Trainer und vor allem die Spieler. Wobei offen ist, wie sie intern ausgehen wird, nachdem schon bei der Entlassung Zeidlers die Meinungen auseinandergingen. Spätestens seither soll Eichelbaums Verhältnis zu Walter Kelsch angekratzt sein, nachdem der Exnationalspieler in sportlichen Fragen offenbar nur seine Meinung und die des Kollegen Kummer gelten lässt. Der Vierte im Bunde, Hans-Jürgen Wetzel, sprach auf der Hauptversammlung lieber davon, dass der Verein „von der Tradition her in die zweite Liga gehört“. Das Gelächter war ihm sicher.
Nachwuchs: Die Kickers schmücken sich gerne mit ihrer Nachwuchsarbeit, weil sämtliche Mannschaften in der höchsten Liga spielen, was für Regionalligisten nicht selbstverständlich ist. Wobei der letzte Platz der A-Junioren andeutet, dass die Arbeit mit dem neuen Jugendleiter Zoltan Sebescen noch nicht reibungslos verläuft. „Es wird immer Rückschläge geben“, sagt das für sportliche Dinge zuständige Präsidiumsmitglied Walter Kelsch. Immerhin hat der Verein in Zusammenarbeit mit einer Anwaltskanzlei ein neues Vertragswerk entworfen, das die Abwanderung von Talenten ohne Ausbildungsentschädigung erschweren soll. Unabhängig davon gilt es, das Scoutingsystem zu verbessern. Ein Beispiel: der Spielerberater Gerhard Poschner sagt über den Werdegang seiner Klienten Julian Schuster und Marco Pischorn, die beim VfB nun auf dem Sprung zu den Profis stehen: „Beide wären einst aus der Bezirksliga von Löchgau auch zu den Kickers gegangen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“
Marketing: Auf diesem – für jeden Verein – wichtigen Feld räumte das zuständige Präsidiumsmitglied Wetzel ein, dass die Sponsorenakquise nicht so verlief, „wie wir es uns vorgestellt haben“. Zumindest stehen momentan 75 000 Euro neuer Werbegelder in der Warteschleife, wobei die schlechte Außendarstellung des Clubs nicht unbedingt förderlich für Abschlüsse ist. Etwas überraschend kam zudem das ausdrückliche Lob Wetzels für den Marketingmitarbeiter Martin Kurzka, um dessen Arbeit (und Honorarvertrag) bei den Kickers immer wieder Diskussionen entbrennen.
Entlastung: Die Interessenkonflikte innerhalb des Vereins wurden vor allem bei der beantragten Vertagung der Entlastung des Präsidiums deutlich. Bei diesem Tagesordnungspunkt fühlten sich viele Mitglieder schlicht überrumpelt, weshalb es in dieser strittigen Frage mehr Enthaltungen und Gegenstimmen als Jastimmen gab. „Das war stümperhaft vorbereitet“, sagt das ehemalige Vorstandsmitglied Dieter Wahl und fügt hinzu: „Der Aufsichtsrat hat das alte Präsidium am 6. März aus der Verantwortung entlassen, deshalb gehe ich davon aus, dass wir entlastet sind.“ Dies sieht der aktuelle Vorstand aber offensichtlich anders.
Satzung: Die bereits im Vorjahr ins Auge gefasste Satzungsänderung ist verschoben worden. Im nächsten Jahr soll (endgültig?) ein umfassendes Reformwerk vorgelegt werden, hauptsächlich mit dem Ziel, die Lizenzspielerabteilung gemäß den Vorgaben von DFB und DFL auszugliedern, und so wiederum den Einstieg eines Investors zu ermöglichen. Ein Wort, das Dieter Wahl fast auf die Palme brachte: „Investor – wovon träumen Sie eigentlich, Herr Eichelbaum?“
Kurzfristig wohl endlich mal von einem Heimsieg: am Sonntag gegen Ingolstadt.
Stuttgarter Zeitung