Erst Anpfiff, dann Abpfiff für Mauch
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Stuttgarter Kickers tritt zurück – nicht ganz freiwillig
STUTTGART. Die Stuttgarter Kicker kommen einfach nicht zur Ruhe. Sportlich sind sie in der Fußball-Regionalliga zwar wieder mehr auf Kurs, doch hinter den Kulissen kracht es ständig.
Von Joachim Klumpp
Die Stuttgarter Kickers haben am Freitagabend mit Ach und Krach dank Marco Tuccis Treffer (80.) gegen Oggersheim mit 1:0 gewonnen. Doch nach dem Schlusspfiff kam der Anpfiff und Abpfiff für den Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Mauch. Ein weiteres Beispiel dafür, dass es in Degerloch viele Problemfelder gibt.
Thema Sport: Der Kickers-Trainer Stefan Minkwitz hatte vor der Partie gegen den Neuling FSV Oggersheim bereits geunkt, auch mal mit einem dreckigen 1:0 zufrieden sein zu müssen. Und genauso kam es, wobei das dreckig nach der Schlammschlacht im Gazi-Stadion gegen das Schlusslicht wörtlich zu nehmen war. Allerdings: wer meint, das Restprogramm sei nach zuletzt fünf Partien ohne Niederlagen ein Selbstläufer, für den war die Vorstellung eine Warnung zur rechten Zeit. Der Trainer verspricht: „Einen Auftritt in dieser Form wird es nicht mehr geben, dafür werde ich sorgen.“
Thema Einstellung: Die Mannschaft hatte am Freitag überhaupt nicht ins Spiel gefunden: „Wir haben weder den Gegner noch die Witterung angenommen“, sagte der Manager Joachim Cast. Da konnte es auch keine Entschuldigung sein, dass der Wintereinkauf und Antreiber Alexander Rosen trotz Spritzen passen musste. „Das Risiko, länger auszufallen, wäre zu groß gewesen“, sagte der Mittelfeldspieler. Und der Trainer fügte hinzu: „Man hat doch gemerkt, wie wichtig er für uns innerhalb kurzer Zeit geworden ist. Ein Führungsspieler eben.“ Und von dieser Sorte haben die Kickers nicht allzu viele.
Thema Torwart: Der Torwart David Yelldell ist Führungsspieler. Ohne seine Reflexe hätten die Kickers schon zur Pause zurückgelegen. Der Dank des Trainers galt Yelldell – und auch das Lob: „Das ist für mich kein Torwart für die zweite Liga – sondern für die erste“, sagte Minkwitz in Anspielung auf die Wechselabsichten des Schlussmanns im Sommer. Ob Hoffenheim nochmals seine Fühler ausstreckt, wo Yelldell sich allerdings auch mit der Rolle als Nummer zwei zufriedengeben müsste?
Thema Aufsichtsrat: Nach dem Spiel verkündete der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Mauch seinen Rücktritt, bleibt dem Gremium aber erhalten. Als Grund gab er „private Gründe“ an, die nicht darüber hinwegtäuschen können, dass der Orthopäde zu diesem Schritt gedrängt worden ist, nachdem er diverse Interna weitergetragen hatte. Als Nachfolger wurde nicht der sehr emotionale Stellvertreter Christian Dinkelacker gewählt, sondern einstimmig der Anwalt Rainer Lorz, der als besonnener Zeitgenosse gilt und zum Amtsantritt sagte: „Ich finde es wichtig, in diesen sportlich und wirtschaftlich schwierigen Zeiten noch enger zusammenzurücken und die Zusammenarbeit mit dem Präsidium zu intensivieren.“ Er will aber auch mehr kontrollieren, denn dass es einen abzuarbeitenden Anforderungskatalog an den Vorstand gibt, das bestreitet selbst der Präsident Dirk Eichelbaum nicht.
Thema Hauptversammlung: Aufgrund der veränderten personellen Verhältnisse (schließlich ist der Aufsichtsrat das einzige von den Mitgliedern gewählte Gremium des Vereins) rückt auch eine außerordentliche Mitgliederversammlung nach Ende der Spielzeit in den Fokus. Nicht nur Kreise des Aufsichtsrats forcieren eine entsprechende Einberufung, auch wenn das Präsidium diese Notwendigkeit zuletzt noch nicht zwingend sah. Eine Neuorientierung des Vereins scheint aber unumgänglich. Und zwar unabhängig davon, wie die Saison sportlich ausgeht. „So jedenfalls kann es nicht weitergehen“, sagt ein Funktionär.
Stuttgarter Zeitung
Zäher Kampf an allen Fronten
Kickers: Aufregung wegen des Stadions und Turbulenzen in der Führungsetage
Stuttgart – Fußball-Regionalligist Stuttgarter Kickers kämpft weiter ums nackte Überleben. Neben dem chronischen Geldmangel gibt es weitere Baustellen im Verein.
Die Führungsetage
Die Turbulenzen reißen nicht ab. Der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Mauch erklärte am Freitag aus persönlichen Gründen seinen Rücktritt. Er bleibt dem Kontrollgremium erhalten, allerdings nur formal: „Herr Mauch lässt sein Mandat ruhen und übt es bis auf weiteres nicht aus“, erklärte Dirk Eichelbaum. Den Präsidenten traf die Entscheidung nicht unvorbereitet: „Nachfolger Rainer Lorz führt schon länger die Geschäfte des Aufsichtsrats.“ Dem neuen Chef ist Eichelbaum seit dem Studium der Rechtswissenschaften in Konstanz verbunden. Da passt Lorz“ Mitteilung ins Bild: „Ich finde es wichtig, noch enger zusammenzurücken und die Zusammenarbeit mit dem Präsidium zu intensivieren“, so der 45-jährige Anwalt.
Die Mannschaft
Es gibt Spiele, die nicht geeignet sind, den Reiz des Fußballs zu erklären. Es schüttete wie aus Kübeln, 80 Minuten lang war von den Kickers nichts zu sehen. Dann erzielte Marco Tucci den 1:0-Siegtreffer gegen Oggersheim. „Mit so einer Leistung haben wir in der dritten Liga nichts verloren. Wir hatten mehr Glück als Verstand“, gab Trainer Stefan Minkwitz zu. Doch selbst mit etwas Abstand war der Coach nicht bereit, zur Tagesordnung überzugehen. Am heutigen Montag wird er einigen Spielern in Einzelgesprächen die Meinung sagen. „Wer sich jetzt zurücklehnt, ist fehl am Platz“, ärgerte sich Minkwitz noch am Sonntag. Namen nennt er keine. Doch vor allem Mustafa Parmak und Angelo Vaccaro dürften sich angesprochen fühlen. Eine Suspendierung wie im Fall Bashiru Gambo wird es jedoch nicht geben. Minkwitz: „Ich weiß jedoch nicht, wie ich auf die mangelnde Einstellung reagiert hätte, wenn wir verloren hätten.“
Das Stadion
Bei den Kickers herrscht Aufregung: Am Freitag kam laut Eichelbaum die Mitteilung vom Sportamt, dass sich die Blauen nach einer Alternativ-Spielstätte umschauen sollen. „Die Stadt will unsere sportliche Entwicklung abwarten und versucht die Modernisierungsmaßnahmen um ein Jahr aufzuschieben“, sagt Eichelbaum. „Dann könnten wir nicht einmal in der vierten Liga im Gazistadion auf der Waldau spielen.“ Eine Ausnahmeregelung soll es nicht geben. Eichelbaum: „Einen Aufschub wird der DFB in Deutschlands reichster Großstadt nicht tolerieren.“ Der Kampf der Kickers geht weiter – an allen Fronten. Jürgen Frey
Stuttgarter Nachrichten
Ein Sieg, der Sorgen bereitet
Fußball-Regionalligist Stuttgarter Kickers holt zwar in der Tabelle auf, lässt aber Kampf und Einsatz vermissen
Von Beate Wockenfuß
Stuttgart – Betretene Gesichter nach dem Schlusspfiff am Freitagabend im Gazi-Stadion. Zwar hatte Fußball-Regionalligist Stuttgarter Kickers soeben den dritten Heimsieg in Folge eingefahren und damit den Abstand zu den Qualifikationsplätzen für die dritte Liga wieder auf drei Punkte verkürzt, doch die Art und Weise des glücklichen 1:0-Erfolgs gegen das abgeschlagene Tabellenschlusslicht FSV Ludwigshafen-Oggersheim sorgte für Entsetzen. Nach dem Aufwärtstrend der vergangenen Wochen war das unmotivierte, dürftige Spiel ein deutlicher Rückschritt der „Blauen“, die durch das späte Tor von Joker Marco Tucci (80.) einer totalen Blamage geradeso entkommen waren. Mit dieser Leistung dürfte es in den verbleibenden acht Spielen schwer werden, den Sprung in die dritte Liga noch zu schaffen.
Zu dem Zeitpunkt des Torjubels hatten einige Zuschauer ihre Plätze bereits enttäuscht verlassen. Der für Tucci ausgewechselte Stürmer Angelo Vaccaro zürnte auf der Bank, nachdem er sein Trikot wutentbrannt in die Ecke geworfen hatte. Die Szenerie erinnerte stark an die Heimspiele in der Hinrunde. Der peinlichen Einladung für den Papst durch das Präsidium ließ die Mannschaft auf dem Platz eine ebenso peinliche Vorstellung folgen. Ein Pflichtsieg sollte es werden. Doch stattdessen waren die Pfälzer über 90 Minuten die bessere Mannschaft, erspielten sich auch auf dem aufgeweichten Rasen eine Reihe von Chancen und waren den Gastgebern sowohl kämpferisch als auch spielerisch überlegen.
Kickers-Trainer Stefan Minkwitz war es nachher sichtlich unangenehm, dass sein Team die drei Punkte kassiert hat. Beim Abpfiff hatte er nur verständnislos den Kopf geschüttelt und entnervt abgewinkt. Mit versteinerter Miene saß er später in der Pressekonferenz. „Hut ab vor der Leistung des FSV“, zollte der Coach dem Gegner Respekt und ging mit seinen Spielern knallhart ins Gericht: „Das war kein Spiel, das war Scheiße, was sie da gekickt haben.“ In der Pause hatte er sie „zum Nachdenken“ fünf Minuten in der Kabine alleine gelassen.
Was allerdings keine Auswirkungen auf den Auftritt in der zweiten Hälfte hatte. „Ich habe mich bei David Yelldell bedankt – und nur beim ihm, dass er uns die drei Punkte gesichert hat“, sagte Minkwitz zu dem einzigen Stuttgarter in Normalform. Über die Einstellung der anderen war er dagegen stinksauer. „Einigen Herren geht es inzwischen wohl wieder zu gut“, schimpfte der Coach und kündigte für heute Klartext an. Das Training am Wochenende hatte er kurzerhand gestrichen. Denn: „Ich will die Gesichter erst mal nicht sehen.“ Auch Manager Joachim Cast will das Spiel nicht einfach so abhaken: „Da sind zu gravierende Dinge passiert. Über diese Einstellung wird noch zu reden sein.“
Doch zumindest einer strahlte über beide Ohren: Torschütze Marco Tucci, der fünf Minuten nach seiner Einwechslung mit seinem zweiten Saisontreffer für die Entscheidung gesorgt hatte. „Das war ein ganz wichtiges Tor für die Mannschaft und für den Verein“, freute sich der Stürmer und ergänzte mit sturem Blick auf die angestrebte Qualifikation: „Hauptsache drei Punkte.“
Eßlinger Zeitung