„Die Wände bleiben weiß“
DAS DOPPELINTERVIEW
Selten ist das Fußballderby zwischen den Stuttgarter Kickers und dem VfB Stuttgart II brisanter gewesen. Morgen (14 Uhr) treten die Blauen in Degerloch zum vorletzten Saisonspiel an – und sie brauchen unbedingt einen Sieg, um ihre Chancen auf die Qualifikation für die dritte Liga zu wahren. Wird der VfB zum Spielverderber? Joachim Klumpp hat die Präsidenten Dirk Eichelbaum und Erwin Staudt befragt.
Die Stuttgarter Kickers warten immer noch auf ein Freundschaftsspiel gegen die VfB-Profis. Warum ist das in dieser Saison nicht zustande gekommen?
Eichelbaum (Kickers): Zunächst war der VfB durch die Dreifachbelastung Meisterschaft, Pokal und Champions League zeitlich blockiert. Dann gaben offenbar anderweitige Sponsorenverpflichtungen den Ausschlag, dass die wenigen freien Termine anderen Vereinen vorbehalten blieben.
Staudt (VfB): Weil sich die Kickers leider erst im April bei uns gemeldet haben, und da waren unsere Planungen für die Sommerpause bereits abgeschlossen.
Die Kickers kämpfen um die Qualifikation für die dritte Liga. Aus welchem Grund gehören sie in die neue Spielklasse?
Eichelbaum (Kickers): Weil die Kickers durch die große Tradition, den überregionalen Klang des Namens, den Rückhalt in der Stadt und der Region Stuttgart legitimiert sind – und sich vor allem sportlich trotz einer durchwachsenen Saison qualifizieren werden. Ich bin überzeugt, dass Ersteres die Vereine aus der jetzigen Regionalliga Nord auch so sehen.
Staudt (VfB): Die Kickers sind ein Traditionsverein, nicht nur in Stuttgart oder Baden-Württemberg, sie haben auch bundesweit noch einen guten Namen. Außerdem sind Stadtderbys immer etwas Besonderes, und ich hoffe für die Fans, dass es auch künftig Blau gegen Rot geben wird.
In der dritten Liga sind auch bis zu vier zweite Mannschaften von Profivereinen wie dem VfB zugelassen. Eine richtige Entscheidung?
Eichelbaum (Kickers): Grundsätzlich sehen das die meisten Vereine nicht gerne. Für den VfB gilt bei uns eine Ausnahme, weil die Spiele immer sehr gut besucht sind. Mit Sorge sehen wir vor allem, dass die Begrenzung auf vier Teams nur für die erste Saison gilt.
Staudt (VfB): Auf jeden Fall. Unsere A- und B-Junioren spielen in der höchsten Spielklasse, da ist es nur logisch, dass auch unsere zweite Mannschaft in der höchstmöglichen Liga antritt. Denn nur so können wir unsere jungen Spieler bestmöglich auf die Anforderungen in der Bundesliga vorbereiten.
Wenn alles nach Plan läuft, werden sich die beiden Lokalrivalen künftig das Gazi-Stadion als Spielstätte teilen. Haben Sie sich schon geeinigt, ob der VIP-Raum künftig blau oder rot gestrichen wird?
Eichelbaum (Kickers): Über die Gestaltung wurde noch nicht gesprochen. Rot als dominierende Farbe halte ich für ausgeschlossen. Wir werden den VfB aber nicht auf so niederer Ebene provozieren, dass die Wände noch schnell blau gestrichen werden – die bleiben weiß.
Staudt (VfB): Da ist unsere Marketing GmbH mit den Kickers und der Stadt Stuttgart im Dialog, und ich bin mir sicher, dass es in dieser Angelegenheit eine einvernehmliche Lösung für alle Seiten geben wird.
Ist um das Derby herum ein Gedankenaustausch geplant, oder geht jeder seine eigenen Wege?
Eichelbaum (Kickers): Das Präsidium des VfB wurde zu einem gemeinsamen Mittagessen vor dem Spiel eingeladen. Und der Trainer Rainer Adrion wurde schon beim letzten Heimspiel gegen Unterhaching gerne von uns bewirtet.
Staudt (VfB): Ich werde mir das Spiel am Samstag anschauen, ein längeres Gespräch ist nicht geplant – das kann sich aber durchaus ergeben.
Im Hinspiel haben etliche Kickers-Fans das Daimlerstadion boykottiert. Glauben Sie, dass die VfB-Anhänger jetzt zu einer Retourkutsche ansetzen?
Eichelbaum (Kickers): Ich hoffe nicht, sondern heiße alle VfB-Anhänger zum Besuch willkommen. Schließlich wird der VfB II in der nächsten Saison hier ebenfalls seine Heimspiele austragen.
Staudt (VfB): Das kann ich mir nicht vorstellen, da unsere Fans ja die Mannschaft unterstützen wollen. Darüber hinaus können wir uns schon mal ans Gazi-Stadion gewöhnen, da wir nächste Saison ja unsere Heimspiele dort austragen.
Wagen Sie einen Tipp?
Eichelbaum (Kickers): Von mir gibt es keinen Tipp; wir müssen gewinnen. Ob 1:0 oder 6:5, ist mir egal.
Staudt (VfB): Ich hoffe auf ein unterhaltsames Spiel – mit dem besseren Ende für uns.
Stuttgarter Zeitung
„Kickers in der vierten Liga – das wäre ein Verlust“
Guido Buchwald drückt im Derby den Blauen die Daumen – Ex-Profis beider Clubs offenbaren Sympathien
Stuttgart – Am Samstag (14 Uhr) steht wieder ein Derby zwischen den Stuttgarter Kickers und dem VfB II in der Fußball-Regionalliga an. Doch in diesem Derby steckt mehr Brisanz als in den vorigen: Die Blauen müssen die Roten schlagen, sonst ist die Qualifikation für die dritte Liga wohl verspielt.
VON JÜRGEN KEMMNER
Blau gegen Rot – diese Konstellation elektrisiert die Stuttgarter Fußball-Fans seit Jahrzehnten. Am Samstag droht nun sogar ein Kurzschluss – mit einem Sieg im Gazistadion kann der VfB die Blauen in die Niederungen der vierten Liga stoßen. Früher waren die Fronten streng gezogen, da hätten sich alle Roten über dieses Szenario diebisch gefreut, doch im Lauf der Zeit wurden die Grenzen durchlässiger. Nicht zuletzt, weil es Wechsel von Degerloch nach Cannstatt gab und sich mancher Profi auch in der umgekehrten Richtung auf den Weg machte. Wir haben ehemalige Spieler gefragt, die in beiden Trikots steckten, für wen sie am Samstag die Daumen drücken.
Guido Buchwald (4 Jahre als Spieler bei den Kickers/11 Jahre beim VfB): „Der VfB II spielt eine super Saison, mein Kompliment. Und weil er sich schon für die dritte Liga qualifiziert hat, schlägt mein Herz am Samstag eindeutig für die Kickers. Ich hoffe, dass sich die Blauen ebenfalls für die dritte Liga qualifizieren, das wäre wichtig für Stuttgart. Die Kickers in der vierten Liga, das wäre ein Verlust für den Fußball-Standort. Es wäre sehr, sehr schade, wenn die Kickers noch tiefer sinken würden.“
Marvin Braun (3/2): „Ich habe seit 2006 in St. Pauli gespielt, bin also schon eine Weile fort aus Stuttgart, deshalb betrachte ich dieses Derby ganz nüchtern aus der Ferne. Der VfB II steht ausgezeichnet da, für ihn spielt es eine untergeordnete Rolle, wie das Spiel endet. Die Kickers brauchen den Sieg, deshalb werde ich ihnen auch die Daumen drücken. Es wäre wirklich ganz schlimm, wenn sie in die vierte Liga runtermüssten.“
Karl Allgöwer (3/11): „Die Kickers haben eine Saison mit Höhen und Tiefen. Nach der Niederlage gegen Ingolstadt dachte ich, das war“s mit der dritten Liga – und dann gab es den grandiosen Sieg über den VfR Aalen und neue Hoffnung. Wem ich die Daumen drücke, ist nicht so leicht zu sagen. Es gab Zeiten, da waren beide Vereine in der Bundesliga, nun sind die Kickers etwas abgerutscht. Grundsätzlich würde ich es den Blauen aber gönnen, wenn sie drittklassig blieben. Ich fände es sogar klasse, wenn die Kickers irgendwann wieder in die zweite Liga kämen, dann könnte ich mir auch eine Kooperation mit dem VfB vorstellen.“
Walter Kelsch (2/7): „Als Präsidiumsmitglied der Kickers sind meine Sympathien im Derby natürlich klar verteilt: Es geht um unsere Existenz, deshalb müssen wir gewinnen – das sage ich in aller Freundschaft zum VfB, dem ich noch immer eng verbunden bin. Den Roten habe ich im Bundesliga-Endspurt die Daumen gedrückt und mich gefreut, dass es wenigstens zur UI-Cup-Teilnahme gereicht hat, aber am Samstag bin ich voll und ganz ein Blauer. Ich jedenfalls werde 110 Prozent geben und hoffe, dass die Mannschaft auf dem Platz dasselbe macht.“
Stuttgarter Nachrichten
Vorschau
Spielinfos:
Anstoß: 24.05.2008 14:00
Stadion: GAZI-Stadion auf der Waldau
Schiedsrichter: Gagelmann (Bremen)
Assistenten: Gorniak (Bremen), Dittrich (Bremen)
Stuttgarter Kickers: Parmak (Bänderriss) fehlt weiter. Für Vaccaro (Gelbsperre) spielt wohl Kacani. Der Einsatz von Mann ist nach einer Zehen-Operation fraglich.
VfB Stuttgart II: Rudy ist unter der Woche mit der U-18 unterwegs. Die verletzten Schwabe (Knie) und Rahn (Sprunggelenk) sind fraglich.
Aufstellung
Stuttgarter Kickers
Yelldell – Deigendesch, Mann, Rapp, Stierle – Petruso, Rosen, Gambo, Cerci – Kacani, Tucci; Trainer: Minkwitz
VfB Stuttgart II
Hammel – Opoku-Karikari, R. Schuster, M. Kovacevic, Feisthammel – Träsch, Kolinger, Perchtold, Klauß – Schipplock, S. Hofmann; Trainer: Adrion
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