Stuttgart – Seit knapp drei Wochen ist Edgar Schmitt nun Trainer des Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers. Bei der Analyse seiner Arbeitsweise fällt auf: Er setzt auf die Eigenverantwortung seiner Spieler, auf härteres und intensiveres Traning sowie auf ständige Kommunikation.
Spielvorbereitung
Schmitts Vor-Vorgänger bei den Blauen, Robin Dutt, stellte mit Hilfe einer Powerpoint-Präsentation die Spieler der gegnerischen Elf und deren Grundordnung detailiert dar. Die Mannschaftssitzungen des neuen Trainer sind eher kurz, Schmitt ist kein Freund langer Ansprachen. Er bereitet sich zwar ebenfalls akribisch vor, verzichtet aber auf solche visullen Darstellungen. „Ich bin Pragmatiker und will es einfach haben“, sagt der 45-Jährige. Die jeweiligen Gegner beobachtet entweder er selbst oder sein Assistent Rainer Kraft. Die Spiele im Osten werden von Schmitts Freund, dem Sportwissenschaftler Thomas Kupper, analysiert.
Training
Die Schlagzahl wurde deutlich erhöht: Unter Schmitt wird härter, intensiver und mehr trainiert. In dieser Woche kommt die Mannschaft in fünf Tagen auf zehn Einheiten. Fast ständig geübt wird das Kurzpassspiel, der schnelle Zug zum Tor und das Spiel eins-gegen-eins. Zahlreiche Trainingsspiele fördern die fußballspezifische Ausdauer. Der Ex-Profi sucht auch während des Trainings fast permanent die Kommunikation mit den Spielern, unterbricht, gibt Hilfestellungen, kritisiert oder lobt. Das Aufwärmen, die Laufeinheiten im Wald und das Krafttraining leitet Co-Trainer Kraft.
Führungsstil
Schmitt sucht die Nähe zur Mannschaft. Er ist Teil des Teams, pflegt einen lockeren, aber bestimmenden Umgang mit den Spielern. Er selbst bezeichnet seinen Führungsstil als „kooperativ und integrativ“. Schmitts Motto: „Nur wenn die Spieler gewisse Freiheiten haben und sich entfalten können, haben sie auch die Chance, kreativ zu sein.“ Bei seiner vorherigen Stationm, beim Ligakonkurrenten VfR Aalen, machte man ihm das am Ende seiner Dienstzeit zum Vorwurf: Er habe sich zu sehr von den Spielern vereinnahmen lassen, hieß es. Schmitt dementiert: „Um mich ausnutzen zu lassen, bin ich viel zu wach.“
Motivation
Schmitt ist sehr emotional, er treibt seine Spieler im Training und im Spiel immer wieder an, redet sie stark, versucht ihnen Selbstvertrauen einzuimpfen. „Die Spieler brauchen gewisse Impulse, um ständig wach zu sein“, behauptet er. Auf spektakuläre Motivationshilfen verzichtet Schmitt: Er zündet keine Kanonenschläge und bringt auch keinen Adler in die Kabine mit. „Ich bleibe authentisch, solche Spielchen würde mir keiner abnehmen.“
Spielphilosophie
Der ehemalige Stürmer setzt auf schnelles Spiel nach vorne. Was er von seinen Spielern sehen will, ist hohe Laufbereitschaft, Einsatzwille und Risikofreude – ohne dass die Ordnung in der Defensive verloren geht. Er fordert ständig Aktionen, und weist darauf hin, dass Fehler erlaubt sind. Dass das alles ziemlich kraftraubend ist, räumt er ein: „Um meine Spielweise umzusetzen, ist eine enorme Fitness notwendig.“ Um den körperlichen Zustand der Spieler zu überprüfen, ordnete er einen Laktattest an. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Schmitt betont jedoch, dass es nicht nur um Ausdauer geht. Spieler wie Leichtgewicht Joseph Landeka hätten genügend Kondition, aber zu wenig Kraft.
Taktik
Schmitt schwört auf ein 4-4-2-System mit vorgezogenen Außenverteidigern und einer Raute im Mittelfeld.
Engagment
Schmitt hat schnell erkannt: Eigentlich gäbe es bei den Blauen mehr für ihn zu tun, als nur Trainer zu sein. Doch aufgrund der prekären sportlichen Lage konzentriert sich Schmitt derzeit voll und ganz auf den sportlichen Bereich. Sollten die Kickers aus dem Gröbsten rauskommen, kann er sich durchaus vorstellen, an einem Jugendkonzept mitzuwirken. „Wir müssen Wege suchen, um Spieler selbst auszubilden. Das geht auch mit relativ geringen Mitteln. Vielleicht kann mein Name etwas bewirken.“
Jürgen Frey, Stuttgarter Nachrichten