Stadion auf der Waldau wird vorerst wohl nicht saniert

Mehrkosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro für drittligatauglichen Ausbau ermittelt – Stadt will wegen Finanzkrise abwarten

Der Gemeinderat hat im Juli den Plänen für den Umbau des Gazi-Stadions zugestimmt, um die Auflagen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu erfüllen. Doch jetzt zeichnet sich eine Vertagung der Bauarbeiten ab – denn die Modernisierung wird teurer.

Von Jörg Nauke

Die Stuttgarter Kickers hatten sich im Sommer in letzter Sekunde für die 3. Bundesliga qualifiziert. Der DFB hat die Lizenz für den Spielbetrieb allerdings mit baulichen Auflagen verknüpft, die spätestens in der nächsten Saison erfüllt werden müssen. Dies betrifft vor allem die Sicherheit. Die ersten Saisonspiele haben gezeigt, dass einige Mannschaften aus dem Osten und dem tiefen Westen teils aggressive Fans in die Stadien locken. Der Fußball-Bund setzt aber auch beim Thema Komfort Maßstäbe. So müssen mindestens 2000 Einzelschalensitze überdacht sein. Auch die Arbeitsplätze der Medien müssen modernen Ansprüchen genügen.

Die Stadtverwaltung hat ungeachtet des Umstands, dass der Klassenerhalt der Kickers wohl bis zum Saisonende nicht gesichert sein dürfte, im Sommer dem Gemeinderat die Modernisierung des Stadions auf der Waldau empfohlen. Auch deshalb, weil neben den „Blauen“ auch die Amateure der „Roten“, also des VfB Stuttgart, das Gazi-Stadion als Heimstätte nutzen; ihr früheres Domizil im Neckarpark entspricht nämlich nicht den Anforderungen des Fußball-Bundes.

Zwar ist im Rathaus kurz eine Debatte aufgeflammt, ob die Spielstätte unterm Fernsehturm nicht gleich für mögliche Höhenflüge Richtung zweite Bundesliga präpariert werden sollte; die Mehrkosten von einer Million Euro gegenüber der auf 5,4 Millionen Euro taxierten Minimal-Variante fand dann aber selbst bei den optimistischsten Fußball-Anhängern im Gemeinderat keine Mehrheit.

Nachdem die Architekten nun aber mit der Detailplanung begonnen haben, sind auch bei der Sparlösung „deutliche Mehrkosten“ aufgelaufen, wie die Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) auf Nachfrage bestätigte. Zuvor hatte dies der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU) gegenüber dem SWR-Radio bestätigt. Der Technikbürgermeister Dirk Thürnau (SPD) bestätigte diesen Umstand gestern ebenfalls. 1,5 Millionen Euro sollen seit Juli dazugekommen sein. Details sind noch nicht bekannt. Die Rathausspitze erwägt deshalb, auch weil die Finanzkrise vor der Landeshauptstadt nicht haltmachen wird, den Ausbau zurückzustellen; zumal im laufenden Haushalt 2008/2009 nicht ein Cent für die mittlerweile fast sieben Millionen Euro teure Modernisierung veranschlagt ist. Bei der Verwaltung ist Zurückhaltung angesagt; schließlich geht sie in den kommenden Jahren von drastisch sinkenden Gewerbesteuerzahlungen und ausfallenden Fondsausschüttungen aus. Außerdem lassen die sogenannten Cross-Border-Leasingverträge mit US-amerikanischen Trusts Rückzahlungen in Millionenhöhe möglich erscheinen.

Es gehe nicht darum, die Modernisierung zu kippen, sagte Bürgermeisterin Eisenmann. Man wolle und könne dem Gemeinderat nur nicht empfehlen, schon im nächsten Monat mit dem Umbau zu beginnen. Sie plädiert dafür, bis zum nächsten Jahr zu warten; dann könne man die Kassenlage der Stadt besser bewerten. Sie verweist in diesem Zusammenhang allerdings auch auf weitere Sportbauvorhaben, die bisher lediglich auf dem Papier bestehen: die Sanierung des Stadions Festwiese und die Sporthalle in der Mercedes-Benz-Arena, deren Raumprogramm deutlich reduziert werden muss, um wenigstens annähernd im Kostenrahmen von 13,15 Millionen Euro zu bleiben. Spannend bis zum Schluss bleibt auch die Frage, ob die Mercedes-Benz-Arena für die zur Verfügung stehenden 60 Millionen Euro in ein reines Fußballstadion umgebaut werden kann.

Die Kickers und die VfB-Amateure II müssten auf der Waldau also mindestens ein weiteres Jahr mit einem Provisorium zurecht kommen. Die Polizei würde mitspielen, sagt Pressesprecher Olaf Petersen. Das Risikospiel gegen Dynamo Dresden mit 2000 impulsiven Anhängern der Gäste war die bisher wichtigste Bewährungsprobe für die Sicherheitsanlagen im Gazi-Stadion. Sollte mittelfristig die Containerlösung favorisiert werden, bräuchte man bessere Möbel und einen Schallschutz. Auch eine Klimaanlage müsste eingebaut werden, sagt Petersen.

Der DFB, der die höheren Anforderungen definiert hat, ist nach Aussagen eines Pressesprechers bisher nicht mit Fragen nach einer Verlängerung von Übergangsfristen wegen der drohenden Finanzkrise behelligt worden. Die Kommunen und Vereine hätten ja auch noch bis zum Beginn der nächsten Saison Zeit, derartige Wünsche an den DFB zu richten. Klar sei, dass in den Sicherheitsfragen keine Kompromisse gemacht würden. Er schloss aber nicht aus, dass für die Verbesserung des Komforts für Fans und Presse längere Fristen gewährt werden könnten.

Stuttgarter Zeitung

Kein Geld für das Gazi-Stadion

Verlängerung
Von Jörg Nauke

Fast täglich erhöht sich die Zahl der Projekte, die zwar „solide finanziert“ sind – aber trotzdem teurer werden. Stuttgart 21 ist so ein Fall, aber auch die Sporthalle in der Mercedes-Benz-Arena. Das Raumprogramm wird so eingedampft, dass die Investition wenigstens einigermaßen im Rahmen bleibt. Und jetzt also auch das Gazi-Stadion: aus 5,4 Millionen Euro sollen beim ersten Hingucken der Planer fast sieben Millionen Euro geworden sein. Man darf vermuten, dass das Projekt noch teurer wird, wenn die Tribüne erst einmal ausgebeint ist.

Im städtischen Haushalt 2008/2009 ist für den erwünschten Umbau des Stadions auf der Waldau kein Geld eingeplant, weder die anfangs genannten 5,4 Millionen Euro noch der erforderliche Nachschlag. Das ist wichtig für die positive Bewertung des städtischen Plans, das Bauvorhaben aufs nächste Jahr zu verschieben. Die Kickers-Fans sollten das nicht persönlich nehmen. Der Finanzbürgermeister will vorerst überhaupt keine Investition durchwinken, die noch nicht finanziert ist; erst mal soll klar sein, welche Probleme auf die Stadt zukommen. Die Verzögerung hat auch ihr Gutes: Der Gemeinderat muss nicht für den Klassenerhalt der Kickers beten, sondern kann das Saisonende abwarten. Ein Viertligist bräuchte ohnehin kein Drittligastadion. Und die VfB-Amateure? Für sie und ihre Handvoll Fans müsste eine preiswertere Spielmöglichkeit gefunden werden.

Der Deutsche Fußball-Bund sitzt zwar in der Bankenmetropole Frankfurt, er ist bisher aber noch nicht auf die Idee gekommen, dass die Finanzkrise es den Vereinen und Kommunen schwermachen könnte, die Lizenzauflagen zeitnah zu erfüllen. Wenn aber schon Stuttgart Probleme hat, wird es ärmeren Städten wohl kaum besser ergehen. Der DFB wird deshalb gar nicht umhinkommen, seine Fristen zu verlängern. Das gilt freilich nur für die Luxussanierung. Gerade in der dritten Liga mit vielen gewaltbereiten Fans darf an der Sicherheit nicht gespart werden. Das ist in Degerloch auch kein Thema. Die Polizeicontainer tun es aber auch noch ein zweites Jahr.

Stuttgarter Zeitung

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