Gazi-Stadion wird nicht ausgebaut

Kickers droht ein Lizenzproblem
STUTTGART (ump). Der Fußballdrittligist Stuttgarter Kickers hat gestern mächtig die Werbetrommel gerührt: für seine Spendenaktion „Believe in Blue“, die in der zweiten Auflage gestartet ist. Bereits nach einer Woche sind mehr als 10 000 Euro eingegangen, was auch am Hauptpreis (ein Kleinwagen) liegen mag, der zum letzten Heimspiel des Jahres gegen Burghausen verlost wird.

Zunächst einmal steht morgen (14 Uhr) die Partie gegen Jena an, in der der Trainer Edgar Schmitt auf Marcus Mann (gesperrt) und Alexander Rosen (verletzt) verzichten muss. „Das bereitet mir kein Kopfzerbrechen“, sagt Schmitt selbstbewusst, in Marcel Rapp und Benedikt Deigendesch stehen die Alternativen parat. Fraglich ist Orlando Smeekes, der wegen Oberschenkelproblemen erst gestern ins Training einsteigen konnte und wohl nicht in die Startelf rücken wird.

Auf dem Platz wären also alle Fragen geklärt, dafür tun sich abseits Probleme auf. Nach einem Gespräch mit der Stadt steht inzwischen offiziell fest, dass der etwa sieben Millionen Euro teure Umbau des Gazi-Stadions ausgesetzt wird. „Das soll erst in zwei Jahren geschehen“, sagt der Kickers-Präsident Dirk Eichelbaum. „Das heißt, dass wir beim Lizenzierungsverfahren – Stand heute – keine geeignete Spielstätte angeben können.“ Im Extremfall würde das bedeuten, dass die Kickers (unabhängig von der sportlichen Situation) keine Lizenz für die Saison 2009/10 bekämen. In einem Gespräch mit den DFB-Verantwortlichen wollen die Kickers nächste Woche abklopfen, inwieweit eine weitere Ausnahmeregelung realistisch ist, wenn alle Sicherheitsstandards garantiert werden.

Wobei die Kickers nicht alleine stehen: auch Emden und Regensburg sollen Probleme mit den Stadionauflagen haben, das Gleiche gilt für den VfB II, der sich mit den Kickers das Stadion teilt. Das Team des Trainers Rainer Adrion spielt bereits heute Abend (19 Uhr) bei Rot-Weiß Erfurt und muss dabei auf die verletzten Schwabe, Rahn, Enderle, Dausch und Hofmann verzichten.

Stuttgarter Zeitung

Gewalt in der dritten Liga: ein Restrisiko bleibt

In der neuen Fußballklasse häufen sich die Zwischenfälle auf den Rängen – Clubs aus dem Osten und dem Westen betroffen

STUTTGART. Morgen erwarten die Stuttgarter Kickers Carl Zeiss Jena. Jenen Club also, der zuletzt wegen Zuschauerausschreitungen vor halbleeren Rängen spielen musste. „Dennoch besteht kein Grund, die Dinge zu dramatisieren“, sagt der Kickers-Manager Cast.

Von Joachim Klumpp

Mitte der zweiten Spielhälfte hatte Ralf Minge vor knapp zwei Wochen seinen großen Auftritt beim Gastspiel im Gazi-Stadion. Der Dresdner Manager verließ die Tribüne, um in Richtung Kurve zu laufen, wo der harte Kern der 2500 Fans am Fangzaun rüttelte. So vehement, dass die Verantwortlichen Angst vor dem Zusammenbruch des Gerüsts hatten – und dass der Schiedsrichter das Spiel abbricht. So weit ist es zum Glück nicht gekommen, auch wenn Minges drastische Worte („Das kotzt mich an“) kaum gewirkt haben.

Morgen (14 Uhr) gastiert in Carl Zeiss Jena nun der nächste Problemclub in Degerloch. Von der Anzahl der Fans wird es zwar keine solche Dimension geben, an der Qualität der Sicherheitsvorkehrungen ändert das jedoch wenig. Dennoch warnt der Kickers-Manager Joachim Cast vor Hysterie: „Man darf das Ganze nicht dramatisieren.“

Cast meint die Zustände in der neuen Liga. Die steht bis jetzt nicht immer nur sportlich in den Schlagzeilen, sondern auch durch Zwischenfälle auf den Rängen (siehe Winkel). Das ist den Verantwortlichen des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) nicht verborgen geblieben. Dennoch gibt sich der DFB ebenfalls betont moderat. „Die dritte Liga hat kein höheres Sicherheitsrisiko als die anderen Ligen auch“, sagte der Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn nach den jüngsten Ausschreitungen. „Gefühlt hat die Zahl der durch Pyrotechnik hervorgerufenen Probleme zwar wohl zugenommen, doch wenn man die Zahlen der Vergangenheit betrachtet, gibt es keine signifikanten Steigerungen.“

Dabei war schon von Anfang an relativ klar, dass die neue bundesweite dritte Liga ein gewisses Gefahrenpotenzial birgt, allein schon durch die Zuschauerbewegungen. Es ist eben ein Unterschied, ob der SV Elversberg nur zwanzig Fans mitbringt – oder Düsseldorf beziehungsweise Dresden 2000. Bayern Münchens Sicherheitschef Alfred Ziegler hatte seine Bedenken im Sommer sogar öffentlich geäußert: „Plötzlich kommen Tausende. Viele werden gewaltbereit sein.“ Weil er damit gezielt die Ostclubs ansprach, gab es von dort zwar große Empörung, im Nachhinein sind Zieglers Aussagen allerdings nicht ganz von der Hand zu weisen.

Gerade der aktuelle Kickers-Gegner aus Jena ist dabei unangenehm auf- und seine Fans sind aus der Rolle gefallen: sowohl im Heimspiel gegen Dresden als auch auswärts in Braunschweig, so dass der Verein nicht nur 12 000 Euro Geldstrafe bezahlen musste, sondern als Wiederholungstäter sein letztes Spiel gegen Paderborn mit abgesperrten Stehrängen austragen musste, so dass nur 2570 Besucher auf der Tribüne saßen.

Allerdings warnt man nicht nur beim DFB davor, die Zwischenfälle einzig und allein mit den Traditionsclubs aus dem Osten in Verbindung zu bringen, davon können auch die Kickers ein Lied singen. Wegen der Becherwürfe von Gästefans im Drittligaderby mussten sie (und auch der Gegner VfB Stuttgart II) gerade 2000 Euro Strafe zahlen. „Wer hätte schon damit gerechnet, dass Fans es schaffen, Becher über einen sechs Meter hohen Zaun zu werfen?“ fragt Cast, der als Clubvertreter auch im DFB-Spielausschuss sitzt.

Doch dem kriminellen Drang einiger Hooligans sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt. Auch das Westderby Fortuna Düsseldorf gegen Wuppertaler SV musste eine Viertelstunde lang unterbrochen werden, weil Gästefans Leuchtraketen zündeten – was auch Spahn zu denken gab: „Es ist beunruhigend, wenn es solch herausragende Vorfälle wie in Jena und in Düsseldorf gibt.“ Wobei sich die Beteiligten kooperativ zeigen. „Wir sind mit den Clubs in Kontakt, die Vereine tun in dieser Hinsicht sehr viel – auch wenn ein Restrisiko bleibt“, sagt Spahn. Die Stuttgarter Kickers zum Beispiel hatten nach den letzten Erfahrungen gestern nochmals einen Ortstermin, um eventuelle Mängel zu beheben. Der Andrang aus Jena wird allerdings überschaubar sein. „Wir rechnen mit 500 bis 600 Fans“, sagt Cast, „je nach Wetterlage.“

Der angesagte Wintereinbruch könnte die Partie übrigens eher gefährden als die Fans. Spielausfälle jedenfalls hat es im Fußball immer mehr gegeben als Spielabbrüche.

Stuttgarter Zeitung

Die Ausschreitungen
17. Oktober: Stuttgarter Kickers – VfB Stuttgart II

(Becherwürfe aus dem Gästeblock)

18. Oktober: Carl Zeiss Jena – Dynamo Dresden

(zehn Minuten Unterbrechung nach

Rauchbomben aus dem Gästeblock)

25. Oktober: Eintracht Braunschweig – CZ Jena

(Feuerwerkskörper aus dem Gästeblock)

8. November: SV Sandhausen – Offenbach

(Becherwurf aus dem Gästefanblock,

der SV-Spieler Roberto Pinto wird getroffen)

8. November: Fort. Düsseldorf – Wuppertaler SV

(15 Minuten Unterbrechung nach

Leuchtraketen aus dem Gästeblock)

Stuttgarter Zeitung

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