Das Warten auf die Wende
Haarsträubende Fehler der Kickers beim 1:3 in Aalen – Angelo Vaccaro besonders in der Kritik
AALEN. Nach dem Schlusspfiff in Aalen haben die Stuttgarter Kickers mit dem Schiedsrichter gehadert. Dabei sollten sich Verantwortliche und Spieler nicht auf Nebenkriegsschauplätze einlassen, sonst wird das Unternehmen Klassenverbleib in der dritten Liga scheitern.
Von Joachim Klumpp
Am Ende hatte Edgar Schmitt doch recht behalten. Zumindest mit seiner Vorahnung, dass die Pressekonferenz in Aalen in die neue Geschäftsstelle verlegt wird, „weil man mir keine Bühne bieten will“. Die fehlte an seiner alten Wirkungsstätte am Samstag aber nicht aus Boshaftigkeit, sondern wegen einer Auflage des Deutschen Fußball-Bundes, der das bisherige Podium im VIP-Raum nur als Übergangslösung genehmigt hatte.
Während dort also der Stargast Fredi Bobic wartete, sprach oben Edgar Schmitt in den offiziellen Räumen davon, dass der Schiedsrichter die Gelb-Rote Karte gegen Angelo Vaccaro „nie geben darf“. Hat er aber. Was für den Manager Joachim Cast „ein Knackpunkt“ war. Der zweite, nachdem die Kickers-Hintermannschaft kurz zuvor durch individuelle Fehler von Sascha Traut und dann noch Marcel Rapp den Gastgebern den Ausgleich auf dem Silbertablett serviert hatte. Ähnlich generös war die Hintermannschaft beim 2:1 der Aalener, als sie seelenruhig zuschaute, wie der Ball über drei Stationen schließlich beim Torschützen Andersen landete, der Foulelfmeter kurz vor Schluss spielte da keine große Rolle mehr.
„Das Spiel dürfen wir nie verlieren“, ärgerte sich der Manager Joachim Cast. Eine Stunde lang waren die Kickers zumindest nicht die schlechtere Mannschaft, in einem allerdings alles andere als hochklassigen Drittligaspiel. Doch dann haben sie das Spiel aus der Hand gegeben, wie schon eine Woche zuvor zu Hause gegen Carl Zeiss Jena. Das Warten auf die Wende geht also weiter. „Wir müssen einfach konzentrierter auftreten“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Lorz – und traf damit den Nagel auf den Kopf. Nicht nur eine Halbzeit lang, sondern über die gesamten neunzig Minuten. Denn auch in der dritten Liga werden die Fehler relativ gnadenlos bestraft, das zeigte das Beispiel VfR Aalen. Von einem Lattenschuss Marco Sailers mal abgesehen, besaßen die Gastgeber nicht viele Möglichkeiten.
Doch vor allem die rechte Seite mit Thorsten Reiß und Sascha Traut sowie auch Marcel Rapp in der Innenverteidigung erwiesen sich als Schwachpunkte. Wobei der Ex-Koblenzer Profi Traut Rätsel aufgibt. Was nützen seine schön anzusehenden Sololäufe über das halbe Feld, wenn im Gegenzug solch eklatante Ballverluste auftreten wie vor dem Ausgleich? Nichts.
Danach verlegten einige Stuttgarter Spieler ihre Analyse auf den Nebenkriegsschauplatz Schiedsrichter. Michael Schürg schlich bei seiner Auswechslung derart provokativ vom Platz, dass der Unparteiische fast Gelb gezeigt hätte, der eingewechselte Orlando Smeekes verstrickte sich in lange Diskussionen mit Thorsten Joerend, und quasi als i-Tüpfelchen handelte sich Bashiru Gambo nach dem Schlusspfiff wegen Meckerns noch die Gelb-Rote Karte ein und musste vom Betreuer Dieter Kerschbaum in einen Haltegriff genommen werden, als wolle er anschließend beim Ringer-Bundesligisten KSV Aalen auf die Matte. „Die Reaktionen hatten ja ihre Gründe“, versuchte Cast die Emotionen zu entschuldigen. Mag sein, aber im Abstiegskampf ist es wenig hilfreich, seinen Frust an den Unparteiischen auszulassen. Der Schatzmeister Frieder Kummer betonte deshalb: „Wir sollten uns nicht auf diese Diskussionen einlassen.“
Da gibt es andere, wichtigere Baustellen: Angelo Vaccaro etwa, nicht nur wegen seines Bärendienstes mit dem Platzverweis. Der vermeintliche Torjäger läuft seit Wochen seiner Form hinterher. „Wir werden mit ihm sicher ein ernstes Wort reden müssen“, sagte Cast. Und böse Zunge könnten behaupten: Gott sei Dank ist er gegen Werder Bremen II jetzt gesperrt. Genau wie Gambo, was die Kickers härter trifft. Dafür kehrt Marcus Mann zurück, vielleicht noch der angeschlagene Alexander Rosen. „Wir müssen punkten, um den Anschluss nicht zu verlieren“, sagt Cast – angesichts von bereits fünf Zählern Differenz zu einem Nichtabstiegsplatz.
Aalen: Linse – Schöckel, Bader, Alder, Stegmayer – Hofmann, Bohl – Haller, Andersen (90. Holzer) – Sailer (88. Okic), Bouadoud (69. Mayer).
Stuttgart: Salz – Reiß, Ortlieb, Rapp, Härter – Traut (87. Tucci) Deigendesch, Gambo, Landeka – Vaccaro, Schürg (70. Smeekes).
Stuttgarter Zeitung
Wieder mal schlagen sich die Kickers selbst
Individuelle Fehler und mangelnde Disziplin führen zum 1:3 in Aalen – US-Abwehrhüne im Probetraining
Aalen – Es war wie so oft in dieser Saison: Die Stuttgarter Kickers haben ein Spiel im Griff, gehen in Führung und schenken die Punkte dann doch noch her. Besonders auffallend beim 1:3 (0:0) in Aalen: die individuellen Fehler und die mangelnde Disziplin.
VON JÜRGEN FREY
Ob die Blauen den Klassenverbleib in der dritten Liga schaffen werden? Ex-Nationalspieler Fredi Bobic, der Aalener Ehrengast in der Scholz-Arena, legte die Stirn in Falten. „Schwer zu sagen“, wollte sich der frühere Kickers-Profi nicht festlegen – stellte aber mit Blick auf die prekäre Tabellensituation eines klar: „Wenn sie eine Chance haben wollen, müssen sie ihre beiden Heimspiele vor der Winterpause gewinnen.“
Das Kellerduell am kommenden Sonntag (14 Uhr/Gazistadion) gegen Werder Bremen II wird schon zu einer Art Endspiel. Geht auch diese Partie in die Hose, droht der Anschluss an die Nichtabstiegsplätze verloren zu gehen. Danach geht es am 13. Dezember noch zum SC Paderborn, ehe am 20. Dezember die letzte Partie 2008 gegen Wacker Burghausen ansteht. Wie Edgar Schmitt die Lage einschätzt? „Bremen wird schon sehr entscheidend“, ist sich der Kickers-Coach sicher, der gut beraten ist, das Derby messerscharf zu analysieren. Denn nur bis zum 1:0 zeigten die Blauen die reifere Spielanlage, hielten die Ordnung und präsentierten sich diszipliniert. Danach traten die Kernprobleme offen zutage:
Die individuellen Aussetzer: Bei solchen Fehlern würde selbst jeder C-Jugend-Trainer zum HB-Männchen. Sascha Traut dribbelt zwei Minuten nach der Führung mit dem Ball in Richtung eigenes (!) Tor und leistet sich dann kurz vor dem Strafraum prompt einen Fehlpass. Damit nicht genug der Pannen. Der Ball kommt nach innen. Torwart Manuel Salz hätte das Leder nach einem Schuss problemlos aufnehmen können, doch Marcel Rapp spitzelt den Ball Marco Sailer vor die Füße – 1:1, der Knackpunkt des Spiels. Manager Joachim Cast führte die Fehlerkette auf „Naivität“ zurück. Schmitt kritisierte die „fehlende Ruhe“ der Spieler. Unterm Strich bleibt die Erkenntnis: Mit Pech haben die Aussetzer im tapfer kämpfenden Kickers-Ensemble schon lange nichts mehr zu tun.
Die fehlende Disziplin: Schiedsrichter Thorsten Joerend (Lübbecke) hatte keinen guten Tag erwischt, und über seine Gelben Karte ließe sich trefflich streiten. Das ändert nichts an der Tatsache, dass sich Angelo Vaccaro seine Gelb-Rote Karte letztendlich selbst zuzuschreiben hatte: Das entscheidende Foul des 27-Jährigen nahe der Mittellinie war vollkommen unnötig. Dass sich auch Bashiru Gambo zu einer Undiszipliniertheit hinreißen ließ, zeigt, wie es um das Nervenkostüm der erfahrenen Spieler bestellt ist. Der frustrierte 30-Jährige hatte sich nach dem Abpfiff klatschend vor dem Unparteiischen aufgetürmt und sah ebenfalls Gelb-Rot. Beide Spieler fehlen nun gegen Bremen. Und ihre nächste Sperre droht auch schon: Das Duo ist bei vier Gelben Karten angelangt. Ob es vereinsinterne Konsequenzen gibt, ist offen. „Wir werden in Ruhe über alles reden“, sagte Manager Joachim Cast.
Möglicherweise auch über den vom Trainer geforderten neuen Abwehrspieler. Schon seit einigen Tagen machen sich die Blauen im Training ein Bild von Mark Schulte (31). Der 1,95 Meter große US-Boy spielte zuletzt in der United Soccer League bei den Cleveland City Stars und machte einen guten Eindruck. Doch klar ist: Das Schlüsselspiel gegen Bremen müssen die Blauen auf jeden Fall ohne ihn gewinnen.
Stuttgarter Nachrichten
Neunte Niederlage und zwei Platzverweise
Die Stuttgarter Kickers verlieren das Derby beim VfR Aalen mit 1:3
Stuttgart (bw) – 17. Spieltag, neunte Niederlage, vorletzter Tabellenplatz: Die Stuttgarter Kickers schlittern immer tiefer in die Krise. Der Fußball-Drittligist verlor nicht nur das Derby beim VfR Aalen mit 1:3 (0:0), sondern auch noch zwei Spieler nach Gelb-Roter Karte.
„Die Partie haben wir wie schon vergangene Woche gegen Carl Zeiss Jena unnötig aus der Hand gegeben“, ärgerte sich Kickers-Trainer Edgar Schmitt nach der erneuten Pleite: „Und jetzt stehen wir schon wieder mit leeren Händen da und brauchen ein bis zwei Tage, um neuen Mut zu fassen.“ Nach einer höhepunktarmen ersten Hälfte gingen die „Blauen“ vor 8200 Zuschauern in der 51. Minute durch Josip Landeka in Führung, die Marco Sailer allerdings nach Fehlern in der Kickers-Abwehr nur zwei Minuten später egalisierte. „Das 1:1 haben wir im Alleingang besorgt. Die Aalener hatten bis dahin nicht überzeugt und waren kein bisschen gefährlich“, so Schmitt.Das änderte sich allerdings nach der Gelb-Roten Karte für Angelo Vaccaro wegen wiederholten Foulspiels (57.). „Der Platzverweis war lächerlich. Er hat uns dezimiert und auf die Verliererstraße gebracht“, haderte Schmitt mit der Entscheidung des Schiedsrichters Thorsten Joerend. Aalen kam durch die Überzahl immer stärker ins Spiel und riss das Ruder an sich. Kristoffer Andersen erzielte das 2:1 (84.), Christian Alder sorgte per Foulelfmeter für den 3:1-Endstand (90.).Doch nach dem Abpfiff war noch lange nicht Schluss: Bashiru Gambo sah wegen unsportlichen Verhaltens ebenfalls noch Gelb-Rot – und wird genauso wie Vaccaro im Kellerduell gegen Werder Bremen II fehlen. Stuttgarter Kickers: Salz – Reiß, Ortlieb, Rapp, Härter – Deigendesch – Traut (87. Tucci), Gambo, Landeka – Schürg (79. Smeekes), Vaccaro.
Eßlinger Zeitung
VfR-Sieg zu Sanders Einstand
Aalen biegt im Schwabenderby gegen die Stuttgarter Kickers einen Rückstand um und gewinnt 3:1
Mit 3:1 haben VfR Aalens Profifußballer im Schwabenderby gegen die Stuttgarter Kickers ihrem neuen Trainer Petrik Sander einen Sieg zum Einstand geschenkt und ihrem ehemaligen Coach Edgar Schmitt eins ausgewischt.
WERNER RÖHRICH
Dass Edgar Schmitt angesichts dieser Niederlage an seiner alten Wirkungsstätte enttäuscht war, ist nachvollziehbar. Abgekriegt hat die Schuld unter anderem der Schiedsrichter, dessen beide gelb-rote Karten gegen Angelo Vaccaro (57. Minute) und Bashirou Gambo (nach Spielschluss) Schmitt nicht nachvollziehen konnte.
Petrik Sander hingegen freute sich über den Sieg und lobte vor allem den Kampfgeist seiner Mannschaft, die nach dem 0:1-Rückstand die Partie noch einmal umgebogen hat. „Mit welcher Moral sie zurückgekommen ist, war sehr, sehr interessant“, lobte Sander sein Team – ohne jedoch zu verschweigen, dass er auch „ein paar Stockfehler gesehen“ hat.
Dabei müssen ihm vor allem einige Szenen aus den ersten 45 Minuten im Gedächtnis geblieben sein, in der beide Teams die 8200 Zuschauer nicht gerade von den Sitzen rissen. Zwar zeigte sich Aalen von Beginn an optisch überlegen. Doch noch schien es, als würden beide Teams ihre Aufwärmphase in die Spielzeit hineinstrecken. Kein Tempo, kaum Strafraumszenen. Aber gelegentliche Fehlpässe, mit denen die Offensivkräfte beider Teams nichts anzufangen wussten.
Die einzige gefährliche Szene meisterte VfR-Keeper Linse in der 24. Minute, als der junge Josip Landeka nach einem Fehler des ansonsten umsichtige agierenden Benjamin Schöckel das Leder nicht an Linse vorbei brachte.
Auf den ersten Aalener Torschussversuch mussten die Zuschauer fast eine halbe Stunde warten. Marco Haller versuchte es aus 20 Metern. Vergebens.
So mussten die Aalener erst in Rückstand geraten, um aufzuwachen. Als Stuttgarts Mittelfeldmann Landeka die „Blauen“ per abgefälschtem Freistoß sechs Minuten nach Wiederanpfiff in Führung gebracht hatte, setzte Aalen prompt zum Gegenschlag an. Marco Sailer bedankte sich für einen „Querpass“ von Marcel Rapp vor dessen eigenem Gehäuse und donnerte das Leder aus spitzem Winkel zum 1:1-Ausgleich in die Maschen.
Die Partie gewann an Fahrt und wurde ruppiger. Angelo Vaccaro, der zuvor schon Gelb gesehen hatte, musste nach einem Foul an Hofmann per gelb-roter Karte den Platz verlassen.
Nur wenige Minute später knallte der Ball hinter dem verdutzten Kickers-Keeper Manuel Salz ans Gebälk. Wieder hatte Sailer abgezogen. Der VfR-Goalgetter war es auch, der – ebenso wie sein Teamkollege Kristoffer Andersen – in der Folgezeit ein riesiges Laufpensum absolvierte. Die beiden trugen damit maßgeblich dazu bei, dass der Druck aufs Kickers-Tor immer größer wurde. Und als Steffen Bohls Schuss in der 78. Minute sein Ziel nicht fand, machte es Kristoffer Andersen in der 84. Minute besser. Der eingewechselte Bobo Mayer hatte abgezogen, Torwart Salz parierte. Der Ball kam über Bohl zu Andersen und der nutzte die Gelegenheit zu seinem ersten Drittligator beim VfR Aalen und zur vielumjubelten 2:1-Führung.
Es lief bereits die Nachspielzeit, als Benjamin Schöckel im gegnerischen Strafraum gelegt wurde. Christian Alder stellte mit dem fälligen Elfmeter den 3:1-Sieg sicher. Mit der Strafstoßgranate schoss sich der Kapitän den Frust der vergangenen Wochen regelrecht von der Seele.
Und VfR-Chefcoach Petrik Sander freute sich über einen verdienten Sieg, den sich die Mannschaft nach dem Rückstand über die Moral und mit Leidenschaft zurückgeholt hatte.
VfR Aalen – Stuttgarter Kickers 3:1 (0:0)
VfR Aalen: Linse – Schöckel, Bader, Alder, Stegmayer – Hofmann – Haller, Bohl, Andersen (89. Holzer) – Sailer (87. Okic), Bouadoud (79. Mayer)
Stuttgarter Kickers: Salz – Reiß, Ortlieb, Rapp, Härter – Traut (87. Tucci), Deigendesch, Gambo, Landeka – Schürg (79. Smeekes), Vaccaro
Tore: 0:1 Landeka (51.), 1:1 Sailer (54.), 2:1 Andersen (84.), 3:1 Alder (90. + 4 / Foulelfmeter)
Gelb-Rote Karten: Vaccaro (57.), Gambo (nach Spielschluss)
Schiedsrichter: Joerend (Lübbecke)
Zuschauer: 8200 (bisher Saisonrekord)