„Manchmal geht es eben nicht besser“
Seit 100 Tagen ist Edgar Schmitt als Trainer bei den Stuttgarter Kickers im Amt. Zeit für ein erstes Fazit, das eher durchwachsen ausfällt. „Mittelfristig braucht der Verein ein Konzept mit der Fragestellung: Wofür stehen wir?“ sagt der 45-Jährige im Gespräch mit Joachim Klumpp.
Herr Schmitt, wie fällt Ihre sportliche Bilanz aus, nachdem Sie bis zur Winterpause eigentlich 17, 18 Punkte auf dem Konto haben wollten – und nur 14 haben?
Natürlich hätten wir gerne drei, vier Punkte mehr, aber damit müssen wir jetzt leben. Wir haben in den 13 Spielen unter meiner Regie im Schnitt genau einen Punkt geholt, diese Quote müssen wir auf 1,33 steigern. Wir brauchen noch 24 Punkte, dann haben wir 38 – und das reicht zum Klassenverbleib.
Nach dem eher enttäuschenden 0:0 gegen Burghausen entstand der Eindruck, Sie seien zufrieden, nachdem Sie sagten: „Wir werden immer besser.“
Das habe ich auf unsere Grundordnung im Spiel bezogen, nicht darauf, dass es ein gutes Spiel war. Intern sprechen wir die Defizite schon deutlich an, da können Sie sicher sein.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Umfeld und dem Verein gemacht in der Zeit, seit Sie hier sind?
Die Stuttgarter Kickers sind ein gut geführter Verein mit einer großen Tradition, in dem mehr steckt. Mehr jedenfalls, als es der momentane Tabellenplatz ausdrückt – und zwar sowohl sportlich als auch wirtschaftlich. Aber beide Komponenten müssen zusammenwachsen und dann auch sukzessive gesteigert werden. Doch dafür braucht man Geduld und auch etwas Glück.
Und das reicht, um auf Dauer in der dritten Liga zu überleben?
Der Verein braucht auf Dauer auch ein Konzept: Wofür stehen wir? Die Verantwortlichen haben ja eine KG gegründet. Wenn man aus der Gewinne schöpfen will, muss man die jungen Spieler fördern und sie auch mit längerfristigen Verträge ausstatten, sonst rechnet sich das langfristig nicht.
Genügt denn der aktuelle Kader, um den Klassenverbleib zu schaffen?
Die Mannschaft ist absolut willig, und es gibt auch keine Intriganten. Aber manchmal geht es eben nicht besser. Man darf nicht vergessen, dass viele Spieler wie Schürg, Landeka oder Kettemann aus der Oberliga kommen. Da liegen Welten dazwischen, wenn sie plötzlich über 90 Minuten konstruktiv spielen sollen. Deshalb braucht eine junge Mannschaft Führungsspieler, an denen sie sich aufrichten kann. Die fehlen zum Teil, wenn man bedenkt, dass wir in der Innenverteidigung mit zwei gelernten Sechsern spielen.
Sie meinen Marcus Mann und Markus Ortlieb, die aber durchaus erfahren sind.
Aber im modernen Fußball geht die Tendenz mehr und mehr zu Spezialisten auf den einzelnen Positionen. Die Zahl der Allrounder wird immer kleiner.
Bei den Kickers hat man aber gerade deshalb auf vielseitig verwendbare Spieler geachtet, weil die finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind.
Das ist aber ein Fehler. Wenn meine Ressourcen begrenzt sind, muss ich vier, fünf absolute Leistungsträger suchen und mir darum eine junge, hungrige Mannschaft mit eigenen Spielern aufbauen. Sonst wird es von Jahr zu Jahr schwieriger, und irgendwann wird man nach unten durchgereicht.
Die Kickers stehen nicht nur in der sportlichen Tabelle ganz unten, sondern auch was die Zahl der Platzverweise und Verwarnungen angeht. Ist das nicht besorgniserregend?
Ich denke, es liegt in der Natur der Sache, dass Mannschaften, die unten stehen, auch bei der Anzahl der Sperren vorne liegen. Dann muss man noch unterscheiden, ob sich ein Marcus Mann bei seiner Roten Karte in Braunschweig in den Dienst der Mannschaft gestellt hat oder ob sie aus Frust heraus passiert ist, wie zuletzt bei Orlando Smeekes. Aber deswegen werde ich keine zusätzlichen Maßnahmen ergreifen. Der Spieler ist ja genug gestraft, er verliert seinen Platz in der Mannschaft und damit auch Prämien.
Wird es in der Winterpause noch Verstärkungen geben?
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir einen Abwehrchef brauchen, das habe ich auch so gefordert. Letztlich muss der Verein aber entscheiden, was er will.
Über Weihnachten waren Sie ein paar Tage bei den Eltern ihrer Lebensgefährtin. Hatten nicht nur die Spieler, sondern auch Sie die Pause nötig?
Auf jeden Fall, die Pause tut allen gut. Die hundert Tage bei den Kickers waren schon Stress pur. Besonders schmerzlich sind das Unentschieden in Wuppertal und die Niederlage in Aalen. Danach habe ich zwei Tage gedacht, wir schaffen es nicht mehr. Aber dann haben wir uns aufgerafft, und es ist mit dem Sieg gegen Bremen weitergegangen. Die Zeit des Hurra-Fußballs ist vorbei, wir bekommen jetzt weniger Gegentore, und ich sage immer: abgerechnet wird am 38. Spieltag. Wenn wir es dann geschafft haben, können wir alle laut Hurra schreien.
Stuttgarter Zeitung