Die Bezirkssportanlage in Degerloch wird saniert – Trainer Wolfgang Schneck will dies aber nicht als Alibi für mäßige Leistungen gelten lassen
Degerloch. Entscheidend ist bekanntlich auf dem Platz. Mitentscheidend ist oftmals auch, ob eine Fußball-Mannschaft auswärts oder in einem Heimspiel antreten muss. Die Bundesliga-A-Junioren der Stuttgarter Kickers müssen derzeit sogar bei ihren Heimpartien auf Reisen gehen.
Von Frank Pfauth
Von wegen Heimspiel. Gerade ist der Schlusspfiff ertönt und die Kickers sind mit 1:3 dem Nachwuchs des 1. FC Kaiserslautern unterlegen. Die Akteure in den blauen Trikots traben enttäuscht und mit gesenkten Häuptern vom Rasen. Laut Spielplan hatte es sich für die Degerlocher zwar um eine Partie auf heimischem Geläuf gehandelt, tatsächlich aber war das A-Junioren-Bundesligaspiel gegen die Roten Teufel aus der Pfalz am vergangenen Samstag weit weg von Degerloch ausgetragen worden: in Neuhausen auf den Fildern.
Eine Fußball-Mannschaft geht auf Reisen – so das Motto, unter welchem die Heimspiele der Degerlocher Nachwuchskicker in Deutschlands höchster Spielklasse seit dem Saisonstart im September stehen. Vor Neuhausen war zuletzt bereits der Plattenhardter Weilerhau zu einem Ausweichort geworden, die restlichen Partien des Spieljahrs 2006, gegen den FSV Mainz 05, den SSV Reutlingen und den SC Freiburg, gehen ebenfalls notgedrungen in der Fasnetmetropole Neuhausen über die Bühne. Der Grund für die Spielverlegungen ist simpel. Seit Monaten wird der Rasenplatz der Bezirkssportanlage auf der Waldau modernisiert und mit einer Drainage ausgestattet, welche das Regenwasser besser abfließen lassen soll. An Fußball ist dort nicht zu denken.
Als ob es noch dieser Hürde für den Trainer Wolfgang Schneck und seine Mannschaft bedurft hätte. Die A-Junioren sind zwar von Anfang an als Dauergast in der vor drei Jahren gegründeten Fußball-Bundesliga mit dabei. Dennoch geht es auch in dieser Spielzeit wieder ausschließlich um den Klassenverbleib. Nach der jüngsten „Heimpleite“ gegen den 1. FCK steht die Mannschaft erstmals in dieser Spielzeit auf dem zwölften Tabellenplatz, einem Abstiegsrang. Zwei Siege, ein Unentschieden und fünf Niederlagen der Degerlocher stehen zu Buche.
Schneck will aber nicht über die Platzfrage diskutieren, auch, um damit seinen Spielern kein Alibi zu verschaffen. Natürlich, lässt er wissen, sei auch er nicht besonders glücklich mit der Situation. Entscheidend sei aber vielmehr, dass „wir bis jetzt nicht die Punktzahl erreicht haben, die wir uns selbst vorgestellt hatten“. Als Hauptgrund für das eher bescheidene Abschneiden sieht er, dass „bei uns noch immer nicht alle Rädchen perfekt ineinander greifen“. Auch, weil eigentliche Leistungsträger wie sein Abwehrchef Julian Leist und der Angreifer Eugen Schneider inzwischen regelmäßig bei den Kickers-Amateuren in der Oberliga zum Einsatz kommen und Schneck deshalb nur noch selten zur Verfügung stehen.
Zudem muss man wissen, dass der Kickers-Trainer angesichts der überschaubaren Finanzen bei den Blauen bei weitem nicht solche Möglichkeiten hat, wie sie beispielsweise der Lokalkonkurrent VfB Stuttgart oder auch eine Reihe weiterer Bundesligaclubs bieten kann. Der Angreifer Kagan Soleymezgiller wechselte deshalb im Sommer zurück zu den Roten. Und Schnecks bisheriger Stammtorwart Jens Grahl spielt nun beim Zweitligisten Spvgg Greuther Fürth.
Hansi Kleitsch, der A-Juniorentrainer des VfB Stuttgart, spricht dennoch mit größter Hochachtung über das Tun seines Amtskollegen unterm Fernsehturm. Wie es der 53-Jährige Jahr für Jahr fertig bringe, angesichts der Umstände eine in der Junioren-Bundesliga wettbewerbstaugliche Mannschaft zu formen, verdiene höchsten Respekt, sagt er. Es sei für ihn verblüffend, wie es Schneck regelmäßig gelinge, aus einzelnen Flicken einen wertvollen Perserteppich herauszuarbeiten.
Drei solcher „Flicken“, namentlich die Kickers-Neuzugänge Tobias Weber (TSG Hoffenheim), Georgios Papadopoulos (VfB Stuttgart) und Marcel Brandstetter (VfL Kirchheim), haben sich in Schnecks aktueller Mannschaft schon nach kurzer Zeit zu echten Führungsfiguren entwickelt. So liegt Marcel Brandstetter mit zwei erzielten Treffern in der internen Torschützenliste derzeit auf Platz zwei, einmal mehr getroffen hat bisher nur Stefan Gonzales. Präsentiert sich dieses Sturmduo weiterhin so treffsicher wie zuletzt, dann interessiert folgende Frage sowieso nur noch ganz am Rande. Und zwar, ob die A-Junioren der Stuttgarter Kickers ihre Heimspiele künftig lieber auswärts oder doch daheim gewinnen.
Stuttgarter Nachrichten