Kickers Die Spiele gegen Reutlingen zeigen, wie schwierig es ist, über die Zuschauereinnahmen Gewinn zu machen.
Von Joachim Klumpp
Als das Derby im Württembergischen Fußballpokal zwischen den Stuttgarter Kickers und dem SSV Reutlingen vor vier Wochen erst mit zehnminütiger Verspätung angepfiffen wurde, hätte man von einem großen Besucherandrang ausgehen können. Doch der hielt sich bei 2080 Zuschauern in Grenzen, die Verzögerung hatte vorwiegend mit der Verkehrssituation im Feierabendverkehr bei diesem Spiel in der Wochenmitte zu tun. Aber selbst die vom Verein erhofften zweieinhalbtausend Fans hätten in diesem Achtelfinale den Kohl nicht fett gemacht – der Wettbewerb ist ein Zuschussgeschäft.
„Im Pokal legen wir bei Heimspielen in den ersten Runden nur drauf“, sagt der Kickers-Geschäftsführer Jens Zimmermann. „Deshalb müssen wir versuchen, nun etwas gutzumachen.“ Reutlingen, die Zweite, heißt es am Samstag. Diesmal im Punktspiel der Regionalliga mit besseren Vorzeichen: mehr als 2000 Karten sind bereits verkauft, nicht zuletzt dank intensiver Werbemaßnahmen wie Plakataktionen, an denen sich Fans und Mannschaft beteiligt haben, so dass die Kickers auf einen Rekordbesuch hoffen; der resultiert bisher aus der Partie gegen den SSV Ulm mit 3520 Fans. Bei solchen Zahlen bleibt etwas hängen.
Das ist nicht selbstverständlich. Zwar kalkuliert der Drittligaabsteiger moderat – mit 1500 Zuschauern im Schnitt, aber zahlenden wohlgemerkt. Da jedoch in jedem Spiel ein gewisser Kartenanteil (für Sponsoren, soziale Einrichtungen oder Schiedsrichter) in die Zuschauerzahl eingerechnet wird, müssen rund 2200 Besucher kommen, um in die Gewinnzone zu stoßen.
Die wurde beim Pokalspiel verfehlt, und zwar deutlich. Denn hier gelten andere Gesetze, weil die Verbandsabgabe an den WFV sowie die Reisekosten für den Gegner (60 Cent pro Kilometer) abgezogen werden. Zudem müssen die Netto-Einnahmen, in diesem Fall 16 000 Euro, noch mit dem Gegner geteilt werden. So dass Reutlingen durch das Pokalspiel letztlich in den Genuss von etwa 6000 Euro kommt.
Und die Kickers? Die legen drauf. Schließlich hat es sich – aufgrund der Rivalität der Fangruppen – um ein sogenanntes Sicherheitsspiel gehandelt. Neben dem Polizeieinsatz (auf Staatskosten) wird hier komplett der Heimverein in die Pflicht genommen: in diesem Fall waren 90 Ordner und 50 Rotkreuzhelfer im Einsatz. Dazu kam die Stadionmiete – und schon rutschten die Blauen in die roten Zahlen. Dadurch, dass die ohnehin schmalen Einnahmen mit dem SSV geteilt werden mussten, und laut Regelung des WFV nur zehn Prozent der Kosten in Rechnung gestellt werden können, konnten die Kickers ihre Ausgaben von 13 000 Euro bei weitem nicht decken. „Am Ende bleiben wir auf über 4000 Euro sitzen“, sagt Zimmermann.
Deshalb hat er zunächst auf eine gütliche Einigung mit dem Nachbarn aus Reutlingen gehofft, was die Zusatzkosten für den Sicherheits- und Sanitätsdienst angeht. Doch das haben die selbst nicht auf Rosen gebetteten Reutlinger abgelehnt. „Das ist sicher nachvollziehbar, aber auch sehr ärgerlich“, sagt Zimmermann, der zudem auch für den normalen Spielbetrieb einen Standortnachteil gegenüber den Ligarivalen sieht. In Stuttgart gelten zum Beispiel strengere Vorgaben als anderswo. Während die Kickers aufgrund der Auflagen bei jedem Spiel zahlreiche ausgebildete Sicherheitskräfte im Gazi-Stadion (mindestens 44 pro Spiel) einsetzen müssen, behelfen sich Konkurrenten wie etwa Pfullendorf oder Alzenau überwiegend mit ehrenamtlichem Personal.
Was bleibt, ist die Hoffnung auf den WFV-Pokalsieg – und damit die Qualifikation für den lukrativen DFB-Pokal. „Für einen Regionalligisten ist das der Fleischtopf, den es zu erreichen gilt“, sagt Zimmermann. Dann gäbe es nämlich in der ersten Hauptrunde garantierte 113 000 Euro Einnahmen. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, angefangen mit dem Viertelfinale beim SV Bonlanden, das am 31. März 2010 stattfindet. Das hat zumindest einen Vorteil: die Kickers als Gast legen nicht drauf, was für Zimmermann ein Beleg dafür ist, „dass das System einen Fehler hat“.
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ZAHLEN UND ZUSCHAUER
Regionalliga Spitzenreiter bei den Zuschauern ist Hessen Kassel, das einen Schnitt von 4472 Besuchern aufweist, vor dem Tabellenführer VfR Aalen (2981). Es folgen Darmstadt (2550), die Kickers (2486) und Reutlingen (2308). Schlusslicht ist Fürth mit 1232 Fans – in sieben Heimspielen.
Pokal In diesem Wettbewerb werden von der Einnahme die Umsatzsteuer abgezogen, zehn Prozent Entschädigung für den Platzverein, zehn Prozent Spielabgabe an den WFV, Kosten für die Schiedsrichter und Reisekosten für den Gastverein. Die verbleibenden Einnahmen teilen die Clubs.
Kartenaktion
Für das Spiel der Kickers am Samstag gegen Reutlingen gibt es spezielle Kartenangebote: ein Familienticket für zwei Erwachsene und bis zu drei Kinder für 17 Euro. Zudem gibt es Kombitickets – für ein Elternteil plus Kind – zu 25 Euro (Sitzplatz) und zehn Euro (Stehplatz). ump
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