Gala von Ali Pala
Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 15.11.2010
Kickers Beim 7:2 gegen den FSV Frankfurt II zeigt der Neuzugang, dass er in der Regionalliga angekommen ist. Von Joachim Klumpp
Nach dem Schlusspfiff wollte ein Fan spontan 100 Euro in die Mannschaftskasse spenden. So schnell ändern sich die Zeiten – innerhalb von 45 Minuten. Nachdem die Stuttgarter Kickers beim 1:2 noch mit Pfiffen in die Halbzeit begleitet worden waren – und dann beim 7:2-Sieg den Schalter umgelegt hatten. Wie? „Ich hätte auf jeden Fall nicht Spieler sein wollen“, sagte der Trainer Dirk Schuster zu seiner Kabinenpredigt nur. „Eigentlich hat er nicht viel gesagt“, meinte der Kapitän Marcel Rapp, „das aber sehr laut.“
Es wirkte auf jeden Fall. Mit einem Doppelschlag und dem folgenden Platzverweis des Frankfurters Maik Vetter waren die Weichen auf einen (etwas zu hohen) Sieg gestellt, erst den dritten in dieser Saison zu Hause. „Womit wir hoffentlich den uns nachgesagten Heimkomplex abgelegt haben“, wie Schuster betonte.
Einer der Garanten für den Fortschritt der vergangenen beiden Wochen hieß Ali Pala. Der Neuzugang und Heimkehrer vom VfB Stuttgart II erzielte nicht nur zwei Treffer, sondern bereitete auch einen vor. Genau so wollen ihn die Fans sehen, und der Trainer sowieso. „Er ist endlich in der Regionalliga angekommen“, lobte ihn Schuster, „und er hat gesehen, dass er ein wichtiger Baustein der Mannschaft sein kann.“
Zu Saisonbeginn schien sich der 20-Jährige selbst unter Druck zu setzen, als er – wenn auch nicht ganz ernst gemeint – in Anspielung auf die Rückennummer 20 von 20 Toren gesprochen hatte. „Er hat zu viele Pirouetten gedreht“, sagte Schuster über den Spieler, der nur schwer vom Ball zu trennen ist. Und inzwischen auch den Blick für den Nebenmann hat, wie er mit der Vorarbeit zum schönsten Tor des Tages – Philip Türpitz“ Flugkopfball zum 3:2 – unterstrich. „Ich habe schon ein gutes Auge“, betonte er selbstbewusst. Auch die neue Rolle als hängende Spitze – oder zweiter Spielmacher – scheint ihm zu liegen. „Ich spiele da, wo mich der Trainer aufstellt“, sagte er, gab aber zu: „Ich fühle mich auf dieser Position wohl.“ Damit hilft er der Mannschaft, und die Mannschaft hilft Pala – wovon beide profitieren könnten.
Dennoch sagte Schuster, nicht nur wegen einiger Aussetzer des indisponierten und auch noch rotgefährdeten Außenverteidigers Oliver Stierle: „Wir werden die Fehler klar ansprechen.“
Zu einem kleinen Fehlverhalten zählte übrigens auch Palas Gelbe Karte wegen Trikotausziehens. „Das hatte ich im Falle eines Treffers schon angekündigt“, sagte er, „man muss ja auch zeigen, dass man im Kraftraum etwas für seinen Körper tut.“ Für einen solchen Striptease hatte Schuster wenig Verständnis, aber die passende Antwort: „Dafür zahlt er.“ Auch so füllt sich die Mannschaftskasse.
Kickers Wagner – Gerster, Köpf, Rapp, Stierle (46. Gondorf) – Rizzi – Abruscia (88. Auracher), Pala, Marchese, Türpitz (80. Ivanusa) – Brandstetter.
Tore 1:0 Rapp (3.), 1:1 Ucar (4.), 1:2 Schneider (31.), 2:2 Pala (49.), 3:2 Türpitz (55.), 4:2 Marchese (76.), 5:2 Brandstetter (79.), 6:2 Pala (85.), 7:2 Ivanusa (87.).
Stuttgarter Zeitung
Stuttgarter Kickers
Kabinenpredigt weckt die Kickers auf
Von Jürgen Kemmner, aktualisiert am 15.11.2010 um 11:25
Stuttgart – Für die jüngeren unter den Fans der Stuttgarter Kickers war’s eine Premiere, der 7:2(1:2)-Kantersieg des Fußball-Regionalligisten über den FSV Frankfurt II. Mindestens sieben Tore für die Blauen gab es zuletzt auf der Waldau am 29. Oktober 1994 beim 8:1 über RW Frankfurt. „Damit haben wir die Diskussion über den Heimkomplex, der uns angedichtet wurde, endgültig ad acta gelegt“, sagte Trainer Dirk Schuster nach dem Heimerfolg nach zuletzt fünf sieglosen Partien im Gazistadion.
Die Kickers haben die Kurve nach oben gekriegt – der Abwärtstrend wurde mit zwei Siegen in Folge gestoppt, und was vielleicht noch wichtiger ist: Die Mannschaft hat mit dem 7:2 Selbstvertrauen getankt und dürfte mental gewachsen sein. Das Team um Kapitän Marcel Rapp hat sich vor der Minuskulisse von 1740 Fans am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen. Gerade noch. Abgesehen von der frühen Führung erinnerte die erste Hälfte erschreckend an das Katastrophen-Spiel gegen Greuther Fürth II (0:1). Ängstlich, uninspiriert, leidenschaftslos. Doch in der Pause gab es die passende Ansprache an die Mannschaft; Schuster wurde richtig laut, und dabei fielen Worte, die erwachsene Männer nicht gerne an sich gerichtet hören. „Ich hätte kein Spieler sein wollen“, sagte Schuster später nur, „eine solche Ansprache gab es zuvor bei uns noch nie.“
Aber die Deutlichkeit weckte die Spieler, aus Memmen wurden Männer – keine ängstlichen Aktionen mehr, die Blauen gingen aggressiv ran, spielten mutig vorwärts und wurden mit sechs Toren belohnt. Die Fans trauten ihren Augen kaum, aber auch sie waren erleichtert ob dieser Reaktion und geizten nicht mit Applaus. „Es war noch längst nicht alles gut“, analysierte Schuster, „aber es war ein wichtiges Erfolgserlebnis, wir sind jetzt in der richtigen Spur.“ Mit einem Sieg am Samstag bei Schlusslicht Worms können die Blauen in die Regionen vorstoßen, in die sie ihr Trainer führen will: zwischen Platz eins und sechs. Schuster hat noch einiges vor – Spekulationen, er sei als Trainer beim Zweitligisten Karlsruher SC im Gespräch, weil er das Spiel gegen Aue besucht hatte, wischte er beiseite. „Ich wohne in Karlsruhe und schaue mir immer wieder KSC-Spiele an“, sagte er, „man kann als Coach immer etwas dazulernen.“
Stuttgarter Nachrichten
Kickers schießen sich Frust von der Seele
Mit dem 7:2-Sieg gegen den FSV Frankfurt II kehrt vorerst wieder Ruhe ein
Stuttgart – Vor zwei Wochen grummelte es noch gewaltig auf Degerlochs Höhen. Beim Fußball-Regionalligisten Stuttgarter Kickers lief zu Hause einmal mehr nichts zusammen, gegen die SpVgg Greuther Fürth II gab es eine 0:1-Niederlage. Fortan stünde der Trainer Dirk Schuster „unter Beobachtung“, ließ Präsident Edgar Kurz verlauten. Nach zwei Siegen in Folge und dem spektakulären 7:2 (1:2)-Erfolg gegen den FSV Frankfurt II kehrt vorerst wieder Ruhe ein bei den „Blauen“
Von Hannes Kern
Schuster wirkte nach einem verrückten Spiel auch eine Stunde nach dem Schlusspfiff noch angespannt, obwohl er eigentlich mit zwei Siegen in Folge etwas aus der Schusslinie geraten ist. Und immerhin haben die Kickers den Abstand zum zweiten Tabellenplatz bei vier Punkten gehalten. Allerdings bleibt der Rückstand zum Spitzenreiter Hessen Kassel – und nur der Tabellenerste steigt auf – unverändert groß. „Wir werden von unserer Marschroute nicht abgehen“, sagte Schuster auf die Frage nach dem noch Möglichen in dieser Saison. „Unser Anspruch ist ein Platz zwischen eins und sechs.“ Wobei Platz eins schon jetzt als utopisch erscheint. Allerdings benötigten die Kickers gegen Frankfurt nach einer schwachen ersten Hälfte, in der „der Mann am Ball das ärmste Schwein war“, so Schuster, einen gewaltigen Anpfiff des Trainers, um in die Spur zu kommen. Nach den Toren von Ali Pala und Philip Türpitz sowie der Gelb-Roten Karte für Maik Vetter (68.) brachen bei den Frankfurtern alle Dämme und die Kickers schossen sich munter allen Frust von der Seele.
Stuttgarter Kickers: Wagner – Gerster, Köpf, Rapp, Stierle (46. Gondorf) – Rizzi – Abruscia (88. Auracher), Pala, Marchese, Türpitz (81. Ivanusa) – Brandstetter.
FSV Frankfurt II: Alvarez – Groeger, Hickl, Theodosiadis, Fliess (79. 18 Di Leone) – Göbig, Gallego, Vetter, Schneider – Pintol (79. Topic), Ucar (74. Durur).
Schiedsrichter: Dingert (Lebecksmühle).
Zuschauer: 1740.
Tore: 1:0 Rapp (3.), 1:1 Ucar (4.), 1:2 Schneider (30.), 2:2 Pala (49.), 3:2 Türpitz (55.), 4:2 Marchese (76.), 5:2 Brandstetter (79.), 6:2 Pala (85.), 7:2 Ivanusa (87.).
Gelbe Karten: Stierle, Türpitz, Köpf, Marchese, Pala / Theodosiadis, Ucar.
Gelb-Rote Karte: – / Vetter (68. / wiederholtes Foulspiel).
Beste Spieler: Türpitz, Pala / Schneider, Groeger.
Eßlinger Zeitung
Unerklärlich: FSV wird in Stuttgart vorgeführt
Stuttgart. Als Tabellenachter sind die Stuttgarter Kickers nicht gerade die Übermannschaft der Regionalliga Süd. In Frankfurt allerdings haben sie diesen Ruf vorerst weg. Knapp eine Woche nach dem 4:0 bei der Eintracht-U 23 nahmen die Kickers die Zweite Mannschaft des FSV mit 7:2 (1:2) auseinander. «Ich bin sprachlos und sehr enttäuscht. Es ist mir völlig unerklärlich, was passiert ist», war FSV-Coach Ramon Berndroth die deftige Packung für seine Mannschaft ein Rätsel. Sein Kollege Dirk Schuster meinte: «Der Sieg ist vielleicht ein bisschen zu hoch ausgefallen.»
Dass Stuttgart schon nach drei Minuten durch einen Kopfball von Rapp nach einer Ecke in Führung ging, steckte der FSV weg. Postwendend traf Özkan Ucar zum 1:1 und nach einem Treffer aus 20 Metern von Ralf Schneider (31.) lagen die Gäste sogar mit 2:1 vorne.
Nach der Pause lief beim Team von Berndroth jedoch nichts mehr zusammen. Stuttgart drehte im zweiten Abschnitt mächtig auf. Pala besorgte den Ausgleich (49.), nur sechs Minuten später traf Türpitz zum 3:2. Die Hoffnungen des FSV auf eine erneute Wende erhielten durch die Gelb-Rote Karte gegen Maik Vetter einen herben Dämpfer (68.). In Unterzahl brachen die Bornheimer dann förmlich ein. «Der Doppelschlag nach der Pause und die Gelb-Rote Karte haben uns das Genick gebrochen, trotzdem darf man sich dann nicht so vorführen lassen», analysierte Bernd-roth später. Stuttgart legte durch Marchese (76.), Brandstetter (79.), Pala (85.) und Ivanusa (88.) noch nach und machte damit das Debakel perfekt.
Berndroth kündigte nach der happigen Pleite an, sich seine Mannschaft zur Brust nehmen zu wollen: «Wir werden dieses Spiel genauestens analysieren, um im nächsten Spiel eine deutliche Leistungssteigerung zu zeigen.» rst rst