StZ: Den Kickers droht die Zerreißprobe

Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 26.11.2010
Hauptversammlung
Beim Regionalligisten löst in erster Linie die Position des Sportkoordinators Diskussionen aus. Nachdem Michael Zeyer und der Trainer Dirk Schuster nicht harmonieren, ist inzwischen auch Guido Buchwald im Gespräch. Von Joachim Klumpp

Der Kickers-Präsident Edgar Kurz ist diese Woche zwei Tage in Kassel gewesen – rein geschäftlich wohlgemerkt, und nicht etwa, um beim örtlichen Fußballclub Nachhilfe zu nehmen, wie man erfolgreich in der Regionalliga spielt. Kassel ist nach der Hinrunde souveräner Tabellenführer, die Kickers sind schon abgeschlagen Neunter. Doch das ist bei den Blauen nicht die einzige Baustelle vor der Hauptversammlung am Montag.

Sportlich
Die Kickers sind nach der Hinserie Neunter, das ist exakt die gleiche Platzierung wie zum Abschluss der Vorsaison. Stagnation heißt in diesem Fall Rückschritt, zumal die Verantwortlichen offiziell Platz eins bis sechs als Saisonziel ausgegeben haben. Wobei nicht nur der Präsident Edgar Kurz weiß, dass die Meisterschaft und damit der Aufstiegszug ohne die Kickers abgefahren ist: „Das ist gelaufen“, sagt Kurz, „alles andere ist illusorisch.“

Deshalb gilt es, in der Winterpause die Weichen für die nächste Saison zu stellen. Wer kommt – und vor allem wer geht? Ganz oben auf der Verkaufsliste steht ein Spitzenverdiener: der ins zweite Team verbannte Stürmer Daniel Reule. Der hat die Erwartungen, neben dem einen oder anderen Mitspieler auch, nicht erfüllt. „Fußball ist eben teilweise unberechenbar“, sagt Edgar Kurz, „und nicht wie Schach, wo man sagen kann: der nächste Zug sitzt.“

Wirtschaftlich
Rote Zahlen sind bei den Blauen nichts Ungewöhnliches. „Wir müssen jeden Monat schauen, dass wir unseren Verpflichtungen nachkommen“, sagt Edgar Kurz. Was er nicht sagt: auch über Degerloch könnte das Damoklesschwert der Insolvenz schweben, das ja schon die Nachbarn SSV Reutlingen und möglicherweise den SSV Ulm (auch wenn deren Verantwortliche noch hoffen, dass das Verfahren nicht eröffnet werden muss) getroffen hat. „Auf Dauer ist man in dieser Liga tot“, sagt der Präsident und weiß nur zu gut, dass nächste Saison der Aufstieg geschafft werden muss.

Er betont in diesem Zusammenhang aber, dass der Club in den vergangenen anderthalb Jahren erst einmal etliche Altlasten klären musste. Die vereinbarten Ratenzahlungen an die Gläubiger – etwa das Finanzamt oder den Expräsidenten Hans Kullen – „gehen natürlich an die laufende Liquidität“, sagt Kurz.

Trainer
Edgar Kurz hat sich von Anfang an für Dirk Schuster eingesetzt und stärkt ihm auch jetzt den Rücken, zumal Trainer (und Mannschaft) selbst eine andere Erwartungshaltung hätten und bei den Neuverpflichtungen wie Ali Pala oder Marcel Brandstetter bewusst Spieler mit Perspektive geholt wurden, deren Verträge an das Aufstiegsziel 2012 ausgelegt wurden. „Der Trainer ist für mich kein Thema“, sagt Kurz, der in diesem Punkt bewusst auf Kontinuität setzt.

Investor
Ob das auch der zu dieser Saison eingestiegene Investor so sieht? Der hat den Kickers eine Anschubfinanzierung von angeblich etwa einer Million Euro zugesichert – allerdings mit der Erwartung einer Rendite über die Vertragslaufzeit, die auf zehn Jahre ausgelegt sein soll.

Das ist Chance und Risiko zugleich. Denn wer zahlt, will (nicht nur im Sport) Einfluss nehmen. Aus diesem Grunde wurde die Position des Koordinators Sport neu geschaffen und mit dem Exprofi Michael Zeyer besetzt. Das Problem dabei: der Verein scheint offensichtlich mit dessen Arbeitsweise nicht ganz zufrieden zu sein. Hinzu kommt, dass er sich mit dem Trainer Schuster nur sehr bedingt versteht, seit er Spieler wie Sascha Rößler und Björn Schlicke andiente, die nicht in Schusters Vorstellungen passten. Andererseits hat der Coach nach der enttäuschenden Hinserie nicht die besten Argumente.

Inzwischen steht eine Trennung von Zeyer im Raume – genauso wie der Name Guido Buchwald als dessen potenziellem Nachfolger. Die Gretchenfrage lautet: wie stellt sich der Zeyer nahestehende Investor dazu? Eine Antwort bei diesem heiklen Thema dürfte spätestens zur Hauptversammlung am Montag gefallen sein, denn sonst kann auf Degerlochs Höhen nicht vernünftig weitergearbeitet werden.

Persönlich
Edgar Kurz hat sich nach dem Rücktritt seines Vorgängers Dirk Eichelbaum zunächst interimsweise zur Verfügung gestellt, wurde auf der Hauptversammlung vor einem Jahr dann aber offiziell gewählt. „Ich stelle mich gerne in den Dienst des Vereins“, sagt der 69-Jährige heute. Zudem wurde das Präsidium auf sechs Personen erweitert, was auch der beruflichen (oder im Falle Dieter Wahls der politischen) Belastung der Personen geschuldet ist. „Es war von Anfang an klar, dass ich nur einen begrenzten zeitlichen Aufwand für die Kickers leisten kann“, sagt Kurz, der zudem darauf verweist, dass er und seine Kollegen für den Verein nicht nur Zeit, sondern auch Geld opfern.

Auch wenn der Versicherungskaufmann nach außen hin stets zurückhaltend auftritt, bezieht er intern in wichtigen Fragen klar Position. Ob die mehrheitsfähig ist, wird sich in den nächsten Wochen weisen.

Regionalliga
Fußball gespielt wird, nebenbei bemerkt, auch noch. Sofern das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht, geht es am Sonntag gegen den SC Pfullendorf. Drei Punkte wären da sehr hilfreich, nicht nur weil sich der Präsident nach geraumer Zeit auch persönlich wieder einmal ein Bild von der Mannschaft machen wird.

Stuttgarter Zeitung

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