Dem Aufsteiger fehlt der Mut
„Filder-Zeitung“, vom 01.08.2011 02:40 Uhr
Fußball. Defensiv gut, offensiv harmlos – der SV Vaihingen unterliegtim Pokal dem hohen Favoriten Kickers mit 1:2. Von Franz Stettmer
Das Aufbäumen dauerte 60 Sekunden. Der Gegner war soeben so freundlich gewesen, den eingewechselten Markus Müller den Ball gänzlich unbedrängt ins Tor köpfen zu lassen, als die Heimelf unter den Anfeuerungsrufen ihrer plötzlich aufgeweckten Fans das Gaspedal fand. Sollte an diesem Fußballabend doch noch etwas gehen? Wenig später war mit dem Schlusspfiff klar: nein. Und alles andere, so ehrlich muss man sein, wäre auch ein bisschen zu viel des Guten gewesen. Unter dem Strich stand für den SV Vaihingen in seiner Erstrundenpartie des württembergischen Verbandspokalwettbewerbs gegen den hohen Favoriten Stuttgarter Kickers II eine ebenso erwartete wie verdiente Niederlage – diese verbunden mit zwei Erkenntnissen. Die erste: gemessen an den schwierigen Voraussetzungen „haben wir vor allem defensiv einen sehr guten Auftritt gezeigt“, wie der Trainer Klaus Kämmerer befand. Das letztlich nur knappe 1:2 war allemal ein achtbares Resultat. Zweitens: zwei Wochen vor dem Punktspielstart in der Landesliga bleibt beim Aufsteiger gleichwohl einiges zu tun.
Vereinfacht lässt sich die Begegnung vom Freitagabend für die Vaihinger auf folgenden Nenner bringen: hinten hui, nach vorne pfui. So gut sortiert und aufmerksam sich die Gastgeber in der Verteidigung präsentierten, so mutlos und halbherzig wirkte es, was sie in Richtung gegnerisches Tor zu Wege brachten – was freilich auch damit zusammenhängen mochte, dass in Simon Gubisch (Urlaub) und Christian Keller (Regenerationspause) die beiden besten Torschützen der vorigen Aufstiegssaison fehlten, wie überhaupt Kämmerer auf gleich sechs potenzielle Stammkräfte aus seinem Kader verzichten musste. Urlauber, Verletzte, dazu eine bis dato insgesamt zäh und holprig verlaufene Vorbereitung – so viel zu den erwähnten widrigen Umständen. Eineinhalb Monate nach dem Rausch der vorigen Saison mit gewonnenem Meistertitel und Bezirkspokal führen die Vaihinger einen mühsamen Kampf um die Rückkehr ins Tagesgeschäft.
Alles in allem begab es sich, dass der Berichterstatter zuletzt etwas ratlos auf seine Notizzettel blickte. Man konnte es drehen und wenden, wie man mochte: Müllers finaler Ehrentreffer war das Produkt der überhaupt einzigen Vaihinger Torchance der Partie. Selbige, die sich darüber hinaus noch hätte auflisten lassen, hatte der Gegner zuvor bereits im Ansatz erstickt. Berkan Durak hätte nach einem verunglückten Rückpass des Kickers-Verteidigers Maximilian Goll wohl etwas energischer zur Tat schreiten müssen. Stattdessen ließ er sich abdrängen (28.). Ansonsten? Flaute. Niente. Nix. An Durchschlagskraft gewann das Vaihinger Tun auch dann nicht, als Kämmerer in der zweiten Hälfte vom vorsichtigeren 4-1-4-1-System auf ein stürmischeres 4-4-2 mit Fabio Andretti als zweiter Spitze umstellte. „Im Offensivspiel haben wir noch viel Luft nach oben“, resümierte der Trainer – eine Beobachtung, die allerdings auch der Amtskollege Björn Hinck für sich und die Seinen in Anspruch nehmen durfte.
Gewiss, der Oberligist, angetreten mit acht U-21-Kickern in der Startelf, dominierte das Geschehen. Er nahm von Beginn an den Taktstock in die Hand. Folgerichtig waren die beiden letztlich siegbringenden Tore durch Christian Mijic (17.) und Predrag Sarajlic (70.). Der eine traf nach einer zackigen Kombination aus zentraler Position wuchtig unter die Querlatte; der andere umkurvte nach einem Musterpass von Marius Nuding noch den Torhüter Ronald Schlecker, ehe er einlochte. Abgesehen von diesen zwei Glanzlichtern bewerkstelligten aber auch die kleinen Blauen kaum Zwingendes. Schlecker jedenfalls hatte zwischen den Pfosten weniger zu tun als etwa die Assistenten des Schiedsrichters an der Seitenlinie. Möglich, dass deren Arme heute noch schmerzen – vom vielen In-die-Höhe-reißen. Standardende der Kickers-Angriffsbemühungen: Abseits, Abseits und wieder Abseits.
Die Möglichkeit, es besser zu machen, besteht bereits am Mittwoch (18 Uhr). Dann treten die Degerlocher in der zweiten Runde des Wettbewerbs an, und zwar erneut bei einem Filderteam, namentlich dem TV Echterdingen.
SV Vaihingen: Schlecker – Markus Löw (46. Volz), Simon, Schneider, Rother – Stark – Feichtinger, Lapeschi, Johannes Löw (46. Andretti), Drephal (78. Markus Müller) – Durak (75. Hauner).
Stuttgarter Kickers II: Aller – Goll (80. Schaal), Robert Keller (87. Mägerle), Wonschick, Stierle (72. Tobias Müller) – Kaiser, Steinle, Knezevic (77. Klimatsidis), Mijic – Koutsiofytis (60. Nuding), Sarajlic.
Stuttgarter Zeitung