Die Stuttgarter Kickers Meister von Süddeutschand.
Fußball und olympischer Sport‘, Ausgabe 28/1913 vom 07.04.1913
Der Ausgang der südd. Meisterschaft war durch zwei Proteste erheblich bedroht, nun sind diese Einsprüche abgelehnt wie folgt:
1. Protest des VfR Mannheim gegen das Verbandsschlußspiel mit FC Stuttgarter Kickers am 23.3.1913. Urteil: der Protest wird abgelehnt, die Gebühr verfällt. Begründung: Die Verletzung des Spielers durch den ins Spielfeld eingedrungenen Hund ist, da eine Absicht oder auch nur eine Fahrlässigkeit von Kickers dem ganzen Hergange nach nicht vorliegt, ein unglücklicher Zufall und muß auch als solcher beurteilt werden. Wird nun das Ausscheiden eines Spielers durch eine Verletzung veranlaßt, so gründet sich darauf kein Anspruch auf Spielwiederholung. — Bei diesem Standpunkt brauchte der Frage, ob die erlittene Verletzung eine solche war, daß sie die Möglichkeit, weiter zu spielen, tatsächlich ausschloß, nicht näher getreten zu werden. — Zu der Beanstandung des Platzes sei bemerkt, daß über die Spielfähigkeit des Platzes ausschließlich der Schiedsrichter entscheidet. — Der angeführte Regelverstoß (Abstoß statt Schiedsrichterball) muß angesichts des Endresultats (5:0) sowie des Spielstandes zur Zeit des Vorfalles (3:0) als unwesentlich angesehen werden.
2. Protest der Spielvereinigung Fürth gegen das Verbandsschlußspiel mit Frankfurter FV am 24.3.1913. Urteil: der Protest wird abgelehnt, die Gebühr verfällt. Begründung: Sowohl über die Spielfähigkeit des Platzes und die Möglichkeit, trotz Unwetters weiter zu spielen, als auch darüber, ob ein Tor regelrecht erzielt wurde, entscheidet ausschließlich und endgültig der Schiedsrichter. (Vergl. amtl. Bekanntmachung im Mittwochsheft.)
Stuttgarter Kickers — Frankfurter Fußballverein 1:0(1:0).
Stuttgart. Der große Tag ist vorüber, Stuttgart hat seine Sensation gehabt. Im letzten, entscheidenden Treffen um den Südd. Meistertitel, gelang es den Kickers nach erbittertem Kampf, den Nordkreismeister, Frankfurter Fußballverein, welcher heißer Favorit war, mit 1:0 einwandsfrei zu besiegen und werden die Kickers nun, den höchsten Titel, welchen Süddeutschland zu vergeben hat, einnehmen, vorausgesetzt, daß der Verband, der über die Protestsache Kickers — VfR Mannheim zu verhandeln hat, nicht noch einen Strich durch die Rechnung macht.
Zu diesem bedeutungsvollen Treffen fand sich eine Rekordzuschauermenge ein (es mögen immerhin 6—7000 Personen gewesen sein), um Zeuge zu sein, ob es den Kickers gelingen wird, die Ehre des Südkreises zu retten und den Meistertitel zum zweiten Mal nach Stuttgart zu bringen. Wie das Resultat schon angibt, ist ihnen dies gelungen, aber nur ganz knapp. In der 1. Hälfte leicht im Vorteil gelang es ihnen, mit Hilfe des Frankfurter Torwarts einen Ball einzudrücken, der die Entscheidung bringen sollte. Nach der Pause verlegten sie sich mehr auf die Verteidigung und mußten bange Minuten überstehen, aber das Glück blieb diesmal auf ihrer Seite, denn dem dann stark drängenden Gegner blieb der verdiente Ausgleich, der ihm zugleich die Meisterschaft gebracht hätte, versagt.
Stürmisch begrüßt betraten beide Mannschaften den fein gezeichneten Platz, auf dem die Südd. Meisterschaft entschieden werden sollte. Kurze Zeit darauf erschien der Protektor der Kicker, Herzog Ulrich v. Württemberg, ebenfalls sehr lebhaft vom Publikum begrüßt. Schiedsrichter Kehm gab sofort das Zeichen zum Beginn.
Kickers eröffneten das Spiel und gingen gleich zum Angriff über. Beide Mannschaften waren aber zuerst sehr aufgeregt und spielten ziemlich zerfahren, erst allmählich legte sich die Unruhe. Kickers fand sich zuerst zusammen und wurden dem Frankfurter Tor durch 2 Strafstöße gefährlich. In der 8. Minute hatte Gmelin im Frankfurter Tor einen fein platzierten Ball Häußler’s abzuwehren; eine Ecke für Kickers wurde ins Feld gebracht, der Ball ging dann zu Leissing, der nach gutem Flankenlauf fein zenterte und Schmidt im Stuttgarter Tor konnte noch im letzten Moment dem feindlichen Stürmer den Ball vorm Fuß wegnehmen.
In der 10. Minute erzielten die Gäste zwei Eckbälle, die schon gegeben, von den Einheimischen wieder ins Feld gebracht wurden. Gleich darauf verschuldeten die Kickers wieder 2 Ecken, von welchen die letzte ein Gedränge vorm Tor verursachte, doch der gutgemeinte Schuß brachte das Leder knapp neben den Pfosten. Die nächsten Minuten sahen dann die Einheimischen wieder im Vorteil und in der 22. Minute fiel das einzige Tor des Tages, ein Tor von dem die Meisterschaft abhängen sollte. Schäfer, der Mittelläufer der Kickers, schickte das Leder hoch aufs Tor, Gmelin schenkte diesem Ball nicht genügend Beachtung, und Heilig, der schnell vor’s Tor ging, konnte, nicht ohne Unterstützung des Frankfurter Torhüters, den Ball vollends eindrücken. Mit bloßen Worten läßt sich der ungeheure Beifall, der sich anhob, nicht wiedergeben, man muß den vieltausendstimmigen Ruf „Goal“ gehört haben, um zu wissen, was Sportsbegeisterung ist.
Auch in den nächsten Minuten waren die Stuttgarter im Angriff, doch war die Frankfurter Verteidigung den Kickersstürmern nun überlegen und wußte einen weiteren Erfolg zu vereiteln. In der 32. Minute gelang den Gästen ein vielversprechender Angriff, doch Schwarze gab den Ball ganz unnötiger Weise zum Flügel und verdarb dadurch die gute Chance. 2 Minuten später umspielte Löble die Frankfurter Verteidigung und hatte nur noch den Torwart vor sich, der seinen Platz bereits verlassen hatte, der zweite Erfolg schien unvermeidlich, doch der Internationale setzte den leichten Ball übers Tor. Eine nie wiederkehrende Chance war verscherzt.
Die Stuttgarter brachten noch verschiedentlich den Ball aufs Frankfurter Tor, aber Gmelin rettete jedesmal fein; erst knapp vorm Wechsel wurden die Gäste dem Kickers-Tor gefährlich und hätten jedenfalls den Ausgleich hergestellt, wenn die Innenstürmer ein klein wenig überlegter gespielt hätten, sie hatten einige gute Chancen, verdarben aber alle durch herzlich schlechten Schuß; — dann war die 1. Hälfte vorbei. — Werden die Kickers den Vorsprung halten können oder gar vergrößern oder aber wird Frankfurt ausgleichen? Die Spannung wuchs von Minute zu Minute, nur das eine stand fest, das nächste Tor entscheidet! Aber dieses entscheidende Tor fiel nicht, zum Glück für die Kickers!
Frankfurt nahm eine Umstellung im Sturm vor, die sich gut bewährte, Leissing ging zur Mitte und Schwarze stürmte Rechtsaußen. In der 1. Viertelstunde waren die Kickers glatt überlegen und machten der Frankfurter Verteidigung tüchtig zu schaffen. Gmelin bekam einige schwierige Bälle, meistens von der rechten Seite auf sein Tor, hielt aber alles mit verblüffender Sicherheit. Die Verteidigung der Gäste verschuldete drei Ecken, von welchen die erste eine sehr gefährliche Situation hervorrief, wobei Gmelin hervorragend rettete. Inzwischen kam Frankfurt durch einen Strafstoß in die Nähe des Kickerstor, gleich darauf mußte Gmelin wieder einen hohen Ball abwehren und verschuldete hart bedrängt eine weitere Ecke. Den gut gegebenen Ball setzte Metzger aus guter Stellung weit übers Tor.
Kickers, die seither im Angriff lagen, zogen nun Metzger in die Läuferreihe zurück, was sich aber als ein großer Nachteil erwies, denn die 4 Kickersstürmer fanden sich nun nicht mehr zusammen; alle vorgebrachten Bälle wurden eine sichere Beute der Frankfurter Verteidigung, und nun kam eine bange Zeit für die Stuttgarter Mannschaft und — für das Stuttgarter Publikum. Mit angstvoller Miene sahen die Zuschauer das nicht gerade sichere Spiel der einheimischen Verteidigung und der immer stärker drängenden Frankfurter Stürmerreihe. Minuten wurden gezählt, aber die Zeit schien zu schleichen, es waren noch 20 unendliche lange Minuten bis Schluß. Leissing schoß aus ca. 30 Meter knapp über die Latte, während Dornbusch eine gute Chance durch schlechten Schuß verdarb. Die Frankfurter Stürmer arbeiteten im Feld gut zusammen, aber zum Schuß ließ sie die Stuttgarter Verteidigung selten kommen, die Stuttgarter Läuferreihe spielte besonders aufgeregt und verfehlte, auffallend viel Bälle.
Noch 10 Minuten bis Schluß, Rüdinger verschuldete einen Eckball, der für viele schon der Ausgleich schien, aber es war kaum möglich etwas durchzubringen, den mit Ausnahme von Löble stand die ganze Kickerself zur Abwehr bereit und schützte ihr Tor, Schmidt konnte den Ball zwar nur wieder zur Ecke ablenken, aber diese wurde, obwohl schön gegeben, wieder ins Feld gebracht. Frankfurt versucht noch einmal sein Glück, aber die Kickers hielten nun stand, durch energisches Spiel kamen sie noch einigemal vor, ohne mehr erfolgreich zu sein. Frankfurt verschuldete noch einen Strafstoß und dann war der Kampf zu Ende. — Süddeutschland hat seinen Meister.
Der Protektor der Kickers, Herzog Ulrich, richtete noch eine Ansprache an die Spieler; dem Kapitän der Kickers wurde ein großer Lorbeerkranz übergeben und unter dem Jubel der Zuschauer verließen die Spieler den Platz mit dem schönen Bewußtsein: Zum zweiten Mal „Süddeutscher Meister“.
(Eine Schlußkritik mit Besprechung über die einzelnen Spieler folgt in der Mittwochnummer.)