Stuttgarter Kickers – VfB. Stuttgart 5:1 (1:1)
Schon von jeher bildete das Zusammentreffen dieser beiden großen Lokalrivalen ein sportliches Ereignis für Stuttgart. Auch diesmal machten sich zu Fuß und mit allen möglichen Beförderungsmittel über 10 000 Menschen auf den Weg, um in Degerloch Zeuge zu sein, wie diese beiden Mannschaften die Klingen kreuzten. Wenn aber in früheren Tagen dieser Waffengang ob seiner nicht sportlichen Note keinen ungetrübten Genuss verschafft, so sah man sich in solchen Befürchtungen heute angenehm enttäuscht. Es war auch diesmal wieder ein mit aller Energie, unter restlosem Einsatz aller Kraft geführter Kampf, der aber in keinem Augenblick die Grenzen sportlicher Fairneß überschritt. Für beide Gegner stand gleich viel auf dem Spiel und der bedeutungsvolle Charakterteur diese Begegnung war niemals zu verkennen. Beiderseits standen die augenblicklich stärksten Formationen auf dem Plan. Der VfB. machte in diesem Bestreben aber den Fehler, die bisher bewährte Aufstellung durch Einstellung von Blum und Böckle zu zerreißen und erziehlte dadurch keineswegs die erhoffte Verstärkung. Diese Maßnahme wirkte sich im Gegenteil als Schwächung der Läuferreihe nachteilig aus und dieses Moment gab den Ausschlag im Kampf. Der Sturm der Gäste kam nicht in vollem Umfang zur Entfaltung und auch die Verteidigung wurde dadurch überlastet. Sie konnte in der zweiten Hälfte nicht mehr in wünschenswertem Maße — und wie sie es vor der Pause tat — Widerstand leisten und daraus erklärt sich in erster Linie der hohe, dem Spielverlauf nach zu hohe, Sieg der Kickers.
Die Mannschaften lieferten sich einen Kampf, der andere Rasse und Tempo nur selten übertroffen werden wird. Wenn auch die rein fußballerischenn Leistungen nicht immer die gleichgroße Linie zeigten, so wurde die Gemüter der Zuschauer doch stets in höchsten Maße in Spannung gehalten. Die Zahl der torreifen Situationen häufte sich vor beiden Gehäuse in selten gesehenem Maße und vor der Pause leistete der VfB. in dieser Hinsicht fast mehr als seine Gegner. Dennoch waren es die Kickers, die in der 22. Minute in Führung gingen, als Vogelmann eine Bombe von Merz zwar abwehrte, den Nachschub von Esenwein aber nicht parieren konnte. Den verdienten Ausgleich erzielte Seibold, der einen von Haarer zurückgeschlagen Elfmeter Kochs einschoß. Waren sich die Mannschaften vor der Pause durchaus ebenbürtig, so trat nach dem Wechsel ein deutlicher Umschwung zu Gunsten der Kickers ein. VfB. sah sich immer mehr in die Defensive gedrängt. Ein von Blum verschuldeter Strafstoß wird in der 47. Minute durch Merz zum zweiten Tor verwertet. Der dritte Treffer fiel in der 73. Minute, als Link die neunte Ecke der Kickers durch Kopfstoß verwandelte. Die zehnte Ecke befördert Esenwein in der 80. Minute durch Kopfstoß ins Tor und in der 85. Minute war es abermals Link, der durch seinen Kopfball das Schlußergebnis von fünf zu eins herstellte. Als Schiedsrichter amtierte Best – Höchst mit großer Energie zur vollen Zufriedenheit.
Beilage zum Schwäbischen Merkur, Stuttgart, Nr. 208 vom 6. September 1932