Presse zum Rücktritt von Hans Kullen

„Das ist keine Lustkandidatur“

Dirk Eichelbaum folgt Hans Kullen als Kickers-Präsident

STUTTGART. Heute wird Hans Kullen offiziell seinen Rücktritt als Präsident des Traditionsvereins Stuttgarter Kickers verkünden. „Wenn die Pflicht ruft, mach ich das“, sagt der bisherige Schatzmeister Dirk Eichelbaum.

Von Joachim Klumpp

Die Hoffnung stirbt zuletzt. So langsam aber macht sich Dirk Eichelbaum (42) mit dem Gedanken vertraut, von heute an Präsident der Stuttgarter Kickers zu sein. Der Rechtsanwalt sagte gestern: „Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass Herr Kullen weitermacht.“ Der wiederum betont: „Mein Entschluss steht fest.“ Rücktritt. Heute will er dies offiziell kundtun, wobei drei weitere Mitglieder des Präsidiums – die Herren Köhn, Kurz und Wahl – diesem Schritt folgen wollen. „Das ist keine Lustkandidatur. Aber es kommen ja sonst nicht viele in Frage“, sagt Eichelbaum zu der Konstellation, nachdem der angesprochene Exprofi Walter Kelsch abgelehnt hat. „Und es macht keinen Sinn, wenn wir jetzt jemand von außen holen, der mit der Situation im Klub nicht vertraut ist.“

Die sieht so aus, dass eine Abordnung des Aufsichtsrats den Präsidenten am Samstag vor dem Spiel gegen den FC Ingolstadt (1:1) dazu aufgefordert hat, sein Amt niederzulegen. „Warum soll ich weiterkämpfen, wenn ich keinerlei Rückendeckung habe“, sagt Kullen: „Das macht keinen Sinn mehr, zumal die Anerkennung fehlt.“

Vor allem die, den Verein wirtschaftlich von einem Sanierungsfall in ein gesundes Fahrwasser gebracht zu haben (siehe Grafik), was Eichelbaum bestätigt. „Es sieht gar nicht so schlecht aus, wenn man bedenkt, dass im Sommer einige lukrative Freundschaftsspiele anstehen.“ Gegen Borussia Dortmund und den VfB Stuttgart, möglicherweise auch noch Hertha BSC. Dennoch gibt der Präsident in spe zu: „Jetzt sind die Personen gefordert, die den Präsidenten weg haben wollten.“

Kullen gegenüber wurde zuletzt vehement suggeriert, dass er in Sachen Sponsorensuche der entscheidende Hemmschuh sei. Bleibt abzuwarten, ob mit einem Führungswechsel der Befreiungsschlag in diesem Bereich kommt. Eichelbaum sagt dazu: „Ich dämpfe allzu große Erwartungen.“ Klar sei, dass der Verein einen Hauptsponsor brauche („die Frage ist, ob wir nicht noch ein besseres Angebot finden als das jetzige“) und eine breitere Basis bei den Werbepartnern. Dirk Eichelbaum betont: „Ich persönlich wehre mich dagegen, Hans Kullen als unerwünschte Person zu betrachten. In der Sache sind wir gut miteinander ausgekommen.“ Auch die Transfers Okpala und Mesic seien einstimmig vom Präsidium beschlossen worden.

Allerdings habe es immer wieder Reibungspunkte gegeben. Gewissermaßen das i-Tüpfelchen sei gewesen, dass Kullen nicht mehr wie in der Vergangenheit den Zinsverzicht auf sein Darlehen (von exakt 437 000 Euro) unterzeichnet habe, was die aktuelle Bilanz mit rund 50 000 Euro belasten dürfte. „Das habe ich bewusst gemacht, weil der Aufsichtsrat nicht in der Lage war, für einen Bankkredit zu bürgen“, kontert Kullen. Auch den Vorwurf, die Anschaffung des neuen Mannschaftsbusses für 200 000 Euro im Alleingang abgewickelt zu haben, dementiert Kullen vehement: „Ich habe vom Präsidium und Aufsichtsrat den Auftrag gehabt, und das für den Verein im Preis-Leistungs-Verhältnis beste Angebot umgesetzt.“

An solchen Beispielen wird deutlich, mit welcher Regelmäßigkeit die kleinsten Ursachen große Wirkung bei den Kickers haben. In dieser Gemengelage hat sich Kullen nun fast vier Jahre lang aufgerieben, nicht immer mit dem nötigen Fingerspitzengefühl, das steht außer Frage, dafür wusste man bei dem 65-Jährigen, woran man ist. Und Weggefährten bezeichneten ihn als durchaus lernfähig.

Das Präsidiumsmitglied Dieter Wahl jedenfalls ist von der Vorgesehensweise des Kontrollorgans zutiefst enttäuscht. „Bis heute hat vom Aufsichtsrat niemand mit mir persönlich gesprochen“, sagt der CDU-Stadtrat: „Das ist nicht der Stil der Kickers.“ Genauso wenig wie die Tatsache, dass das Gremium just am Stichtag für die Einreichung der Lizenzunterlagen (1. März) den Präsidenten zu einem Gespräch einbestellt hatte, das schließlich am Samstag vor dem Spiel gegen Ingolstadt nachgeholt wurde. Mit den bekannten Konsequenzen. „Inzwischen ist mir die gute Laune einiger Besucher klar geworden“, sagt Wahl zur Stimmung im VIP-Raum, die dem sportlichen Ergebnis von 1:1 nicht gerecht wurde. „Dabei muss man sich vorstellen, dass der Aufsichtsrat noch im November Herrn Kullen einstimmig zum Weitermachen aufgefordert hatte.“

Ein ehemaliger Funktionär sagt zur Rolle des neunköpfigen Aufsichtsrats: „Dabei geht es um persönliche Eitelkeiten und Intrigen.“ In einer Abstimmung vor dem Derby sollen sich die Anwesenden (ohne Klaus Lang und Kai-Uwe Völschow) einstimmig gegen Kullen ausgesprochen haben. Sollte der heute nicht zurücktreten, würden dies Teile des Aufsichtsrats tun, was unweigerlich zu Neuwahlen führen würde. Ansonsten fehlen neben Eichelbaum noch drei Mitglieder, damit das Präsidium weiter handlungsfähig ist.

„Ich mache mir nur etwas Sorgen um die Mannschaft“, sagt Kullen, der immer einen engen Kontakt zu den Spielern gepflegt hat. Ob der Trainer diese Gefahr auch sieht? „Die darf es nicht geben“, sagt Robin Dutt. Und überhaupt: „Diejenigen, die schon länger dabei sind, sind solche Situationen bei den Kickers ja gewohnt.“ Leider.

Stuttgarter Zeitung

Kullen geht – die Bedenken bleiben

Finanzielle Fragezeichen: Designierter neuer Kickers-Präsident Eichelbaum vor großer Herausforderung

Stuttgart – Wenn nicht noch ein Wunder passiert, wird Hans Kullen am heutigen Dienstag offiziell seinen Rücktritt als Präsident der Stuttgarter Kickers verkünden. Auf seinen designierten Nachfolger Dirk Eichelbaum wartet ein hartes Stück Arbeit.

VON JÜRGEN FREY

Hans Kullen klingt am Telefon gelassen. Er wirkt so, als sei er irgendwie mit sich im Reinen. „Wenn es keinen Spaß mehr macht“, sagt er in aller Seelenruhe, „dann muss man eben aufhören.“ Diesen Schritt will er heute verkünden. Die genauen Gründe, warum er nach dreieinhalb Jahren Amtszeit als Chef der Blauen seinen Hut nimmt, deutet der Versicherungskaufmann bisher nur an: Die Unterstützung aus dem Aufsichtsrat habe ihm gefehlt. Deren Mitglieder bezeichnet er als „Wölfe im Schafspelz, die erst in einiger Zeit merken werden, was ein Hans Kullen wirklich wert war“.

Der forsche Aufsichtsrat hatte dem Mann aus Hülben am vergangenen Samstag das Misstrauen ausgesprochen. Immer wieder habe der teamunfähige Kullen wichtige Entscheidungen mit dem Kontrollgremium nicht abgestimmt, heißt es. Das Fass zum Überlaufen brachte vor zwei Wochen etwas anderes: Erstmals hatte Kullen nicht auf die Zinsen für sein Darlehen in Höhe von zirka 450 000 Euro verzichten wollen. Daraufhin soll auch Ursi Dünnwald-Metzler die Zinsverzichtserklärung für ihr Darlehen (650 000 Euro) nicht unterschrieben haben. Die Zinsen für beide Darlehen belaufen sich auf etwa 40 000 Euro pro Jahr.

Nun soll Dirk Eichelbaum das Kickers-Schiff auf Kurs bringen. Der Aufsichtsrat hat den Schatzmeister gebeten, das Präsidentenamt zu übernehmen. „Um Kontinuität zu wahren und das totale Chaos zu verhindern, habe ich meine Bereitschaft erklärt“, sagt der Rechtsanwalt. Unter einer Voraussetzung: „Der Wechsel muss mit Stil und Anstand über die Bühne gehen. Es darf keine schmutzige Wäsche gewaschen werden.“ Da aus dem aktuellen Präsidium neben Kullen auch Edgar Kurz, Jürgen Köhn und Dieter Wahl („Ich bin überrascht und entsetzt über den Aufsichtsrat“) zurücktreten werden, braucht der neue starke Mann mindestens drei weitere Mitstreiter. Neu hinzukommen soll unter anderen Aufsichtsratsmitglied Walter Kelsch, der als eine der Triebfedern für den Umsturz in Degerloch gilt. Der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Mauch sagt zu den Beweggründen nur so viel: „Hans Kullen hatte keine Lösung parat im Hinblick auf einen Hauptsponsor und die Etatlücke in der neuen Runde.“

Bedenken, was die finanzielle Lage betrifft, bleiben auch so. Laut Eichelbaum seien Verhandlungen des Aufsichtsrats mit bisherigen und neuen Sponsoren weit gediehen, doch der 42-Jährige räumt diverse Unwägbarkeiten unumwunden ein: „Hans Kullen weiß genau, dass in der dritten Liga die Rückzahlung seines Darlehens nicht möglich ist. Sobald er seinen Rangrücktritt über den 30. Juni 2008 hinaus nicht verlängert, bekommen wir keine Lizenz.“ Die Blauen in die Insolvenz zu schicken, hätte jedoch auch für Kullen schmerzhafte Folgen – sein Geld wäre weg. Kullen gibt sich gelassen: „Ich mache mir keine Sorgen um mein Geld. Ob ich es morgen oder übermorgen bekomme, ist für mich nicht wichtig.“

Für die Kickers schon.

Stuttgarter Nachrichten

Sie haben das Sagen: Die Kickers-Gremien

Präsident: Hans Kullen (65/Versicherungskaufmann). Weiter im Präsidium: Dirk Eichelbaum (42/Rechtsanwalt – Ressort Finanzen und Recht), Dieter Wahl (57/Versicherungsfachwirt – Marketing und Öffentlichkeitsarbeit), Edgar Kurz (65/Versicherungskaufmann – Amateur- und Jugendfußball), Jürgen Köhn (64/ehemaliger ADAC-Geschäftsführer – andere Abteilungen).

Aufsichtsratsvorsitzender: Dr. Christian Mauch (43/Orthopäde). Stellvertreter: Christian Dinkelacker (42/Unternehmer). Schriftführer: Dr. Rainer Lorz (44/Rechtsanwalt). Weitere Mitglieder: Kai Uwe Völschow (37/Geschäftsführer business.com), Dr. Klaus Lang (67/ehemaliger Finanzbürgermeister Stadt Stuttgart), Heinz Höfinger (63/ehemaliger Geschäftsführer TNT Post Holding), Walter Kelsch (51/selbstständiger Unternehmer und Ex-Profi), Friedrich Kummer (46/Geschäftsführer ADP Employer Service), Alexander Lehmann (37/Geschäftsführer Minol Messtechnik).

Stuttgarter Nachrichten

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