1:1 – gerechtes Unentschieden gegen Siegen
Den Stuttgarter Kickers fehlt in der Fußball-Regionalliga noch die Konstanz über 90 Minuten – Gambo sorgt für die Wende
STUTTGART. Zur Halbzeit hat es noch Pfiffe gegeben, am Ende zumindest einen Punkt. „Es gibt noch viel zu tun, aber daran arbeiten wir“, sagte der Kickers-Trainer Peter Zeidler nach dem 1:1 (0:1) gegen die Sportfreunde Siegen in der Fußball-Regionalliga.
Von Joachim Klumpp
Wenn Nico Beigang sieben Minuten vor Schluss alleine auf dem Weg zum Tor nicht an Schlussmann Wulnikowski gescheitert wäre, dann hätten die Stuttgarter Kickers wie schon vergangenes Wochenende in Pfullendorf einen Rückstand noch in einen Sieg gedreht. So aber blieb es gegen die Sportfreunde Siegen bei einem 1:1-Unentschieden, nach dem es zur Pause noch gar nicht ausgesehen hatte. Da wurden die eigenen Spieler von den 3300 Zuschauern mit einem Pfeifkonzert in die Kabine begleitet.
Was durchaus verständlich war. Schließlich lief mehr oder weniger gar nichts zusammen, sodass der Manager Joachim Cast später zugeben musste: „Wir waren froh, dass wir nur mit einem Tor Rückstand in die Halbzeit gingen.“ Denn in den 45 Minuten zuvor bestimmten die Gäste aus Siegen eindeutig das Geschehen im Gazistadion (Cast: „Da wurden wir teilweise vorgeführt“), weil die Kickers vor allem im Mittelfeld keinen Zugriff auf den Gegner bekamen. Das lag zum einen daran, dass der mit der Achse Nemeth und Gaede hervorragend besetzt war, dem wiederum das Pendant Markus Ortlieb und Marcus Mann bei den Kickers nichts entgegen zu setzen hatte. Man kam nicht in die Zweikämpfe, und wenn doch mal einer gewonnen wurde, folgte prompt ein Fehlpass.
Die Führung von Siegen entsprang allerdings einer Standardsituation. Nach einem Freistoß köpfte der aufgerückte Innenverteidiger Bogusz den Ball unhaltbar für David Yelldell zum 1:0 (18.) ein. Nach einer knappen halben Stunde reagierte der Kickers- Trainer Peter Zeidler: zunächst taktisch – und stellte Mann sowie Ortlieb auf eine Linie zu zwei defensiven Mittefeldspielern.
Wesentlich wirkungsvoller waren dagegen die personellen Umstellungen zur Pause. Da kam Saban Genisyürek für den schwachen Rodrigues und Sökler musste Bashiru Gambo weichen. Der hatte sich bei Anpfiff etwas überraschend nur auf der Bank wiedergefunden. Manager Cast: „Er war die letzten beiden Spiele nicht so gut.“
Im Gegensatz zu gestern Abend. Da brachte der Ghanaer endlich Struktur in die Aktionen. Am Ausgleich war er aber nicht beteiligt. Dafür wieder Sokol Kacani, der einen Eckball von Benda mit dem Kopf ins Tor setzte. Da waren erst zwei Minuten in der zweiten Hälfte gespielt – es keimte Hoffnung auf drei Punkte. Zwar waren die Kickers nach dem Wechsel zumindest gleichwertig und hatten auch ein, zwei sehr gute Möglichkeiten, doch die Gäste blieben stets gefährlich. Weniger durch den schwachen und in Degerloch allseits bekannten Christian Okpala als durch Gerrit Müller, der die Abwehr öfter mal in Aufregung versetzte. Jedoch ohne den letzten Zug zum Tor. Am Ende sagte Siegens Alexander Blessin: „Wir haben es versäumt, noch vor der Pause das 2:0 nachzulegen.“ Dafür gab sein Trainer Ralf Loose zu: „Das Ergebnis ist gerecht.“
Blieb noch die Frage, warum die Kickers es in dieser Saison bisher nicht verstanden haben, über 90 Minuten eine konstante Leistung abzurufen. Der Kapitän Jens Härter sagt: „Das ist unverständlich.“ Nicht für den Trainer Peter Zeidler: „Unsere Mannschaft ist eben noch in der Entwicklung. Da sind junge Spieler wie Sökler, Rodrigues – oder Genisyürek, der bisher gegen Hildrizhausen gespielt hat.“ Und nicht in Gladbach (wie Gaede) oder Frankreichs erster Liga (wie Assoumani). Fazit Zeidler: „Um Siegen über neunzig Minuten zu beherrschen, dafür ist die Mannschaft zu gut.“ Diese Einschätzung wiederum müsste für sein Team am Dienstag im WFV-Pokalspiel beim SSV Ulm II gelten.
Kickers: Yelldell – Benda, Wildersinn, Härter, Stierle – Sökler (46. Gambo), Ortlieb, Mann, Rodrigues (46. Genisyürek) – Kacani (74. Beigang), Vaccaro.
Tore: 0:1 Bogusz (18.), 1:1 Kacani (47.)
Stuttgarter Zeitung
1:1 – Kickers mit zwei Gesichtern
Die Blauen laufen gegen Siegen erst hinterher – und schaffen dann die Wende
Stuttgart – Die Kickers sind die Wundertüte der Regionalliga-Saison. Keiner weiß, was drinsteckt. Beim 1:1 (0:1) gegen die SF Siegen gab“s in Halbzeit eins die Mogelpackung. Doch nach der Pause drehten die Blauen auf und kamen zum Remis.
VON JÜRGEN FREY
Es ist nicht ganz so einfach, in dieser Saison die Spiele der Stuttgarter Kickers zu analysieren. Mal überzeugen die Blauen auf ganzer Linie, mal machen sie Fehler, dass es dem Anhang die Zehennägel hochrollt. Und dass die Kickers dies alles in 90 Minuten packen, macht die Sache für die Nerven nicht einfacher. „Uns fehlt noch die Konstanz“, hat Manager Joachim Cast erkannt.
Den besten Beweis für diese These lieferten die Kickers am Freitagabend im Gazistadion gegen die SF Siegen. Das Team von Trainer Peter Zeidler zeigte in der ersten Halbzeit eine Leistung, die das Schlimmste befürchten ließ. Und das einzig Gute daran war, dass nur Daniel Bogusz per Kopfball für die Gäste traf (18.). Genug Chancen für weitere Treffer hätten die Siegener gehabt. Das war auch Cast nicht entgangen, der zugab: „Wir können heilfroh sein, dass wir nicht höher in Rückstand geraten sind.“ Die Voraussetzungen dazu wären geschaffen gewesen. Die Blauen verloren viele Zweikämpfe, hatten eine schlechte Organisation und nach dem Rückstand kein Selbstvertrauen mehr. Es gab nicht mehr sehr viele Kickers-Fans unter den 3300 Zuschauern, die sich auf die zweite Hälfte freuten.
So kann man sich täuschen. Denn Zeidler brachte Bashiru Gambo und der neuen Schwung ins Spiel. Plötzlich waren die Kickers präsent und zeigten ein Spiel, das Zeidler zu Recht als“sehr emotional und umkämpft“ beschrieb. Die Blauen setzten die Siegener plötzlich unter Druck und wurden umgehend belohnt – durch den Ausgleich von Sokol Kacani (47.), der nach einer Ecke von Sascha Benda per Kopf traf.
Am Ende wäre sogar noch ein Sieg möglich gewesen, die schwache erste Hälfte war fast vergessen. „Wir haben heute zwei Gesichter gezeigt“, sagte Kapitän Jens Härter. Zeidler glaubt, den Grund dafür zu kennen. „Wir haben viele Spieler, die noch in der Entwicklung sind.“ Man darf gespannt sein, wohin das in dieser Saison noch führt.
Stuttgarter Nachrichten
Den Kampfgeist rechtzeitig entdeckt
Kickers erreichen gegen Siegen ein glückliches 1:1 – Kacani trifft
Stuttgart – Die Stuttgarter Kickers warten weiter auf den ersten Heimsieg. Der Fußball-Regionalligist kam gestern Abend gegen die SF Siegen über ein 1:1 (0:1) nicht hinaus. „Es bleibt noch viel zu tun“, bilanzierte Kickers-Trainer Peter Zeidler die 90 Minuten
Von Carlos Ubina
Die Kickers hatten zwar durch Dominique Rodrigues, der mit einem Freistoß an Torhüter Robert Wulnikowski scheiterte, die erste Chance (4.), doch schnell wurde deutlich, dass die Gäste nicht gewillt waren, kampflos Boden preiszugeben. Siegen profitierte dabei von einem unorganisierten Mittelfeld der Stuttgarter, die es nicht schafften, die Räume eng zu machen. Die Kickers-Abwehr geriet deshalb ständig unter Druck. Nach 17 Minuten stieg Daniel Bogusz im Anschluss an eine Freistoßflanke am höchsten und köpfte zum 1:0 für Siegen ein. Markus Ortlieb und Marcus Mann im zentralen Mittelfeld der Degerlocher kamen oft einen Schritt zu spät und mussten den Gegenspielern hinterherlaufen. Auch vorne herrschte Flaute. Sokol Kacani, dem zuletzt in Pfullendorf zwei Treffer gelungen waren, ließ einige technische Defizite erkennen. Nach 39 Minuten gelang den Siegenern eine schöne Kombination, die Kickers wählten den Beobachterstatus. Den Schuss von Alexander Blessin wehrte David Yelldell gekonnt ab. Kurz vor dem Halbzeitpfiff wäre der Stuttgarter Schlussmann allerdings machtlos gewesen. Glück gehabt: Christian Okpala traf aus kurzer Entfernung den Ball nicht richtig. Bei einem 0:2-Rückstand wäre das Spiel gelaufen gewesen. „Wir konnten froh sein, dass wir nach der ersten Hälfte nicht höher zurück gelegen sind“, meinte ZeidlerZur Pause reagierte der Kickers-Trainer und brachte mit Bashiru Gambo für Sven Sökler und Saban Genisyürek für Rodrigues zwei frische Spieler für die Außenbahnen. Dennoch fiel der Ausgleich der Kickers wie aus dem Nichts. Nach einem Eckball von Sascha Benda wuchtete Kacani den Ball mit dem Kopf ins Netz. Im zweiten Durchgang entdeckten die Stuttgarter wenigstens die zuvor vermisste Kampfkraft und hielten somit die Partie offen. Am Ende wäre sogar noch ein Sieg drin gewesen, doch Nico Beigang scheiterte an Wulnikowski (82.). Das wäre auch zu viel des Guten gewesen.
statistik
Stuttgarter Kickers: Yelldell – Benda, Wildersinn, Härter, Stierle – Sökler (46. Gambo), Ortlieb, Mann, Rodrigues (46. Genisyürek) – Kacani (74. Beigang), Vaccaro.
SF Siegen: Wulnikowski – Gallego, Assoumani, Bogusz, Escudero – Pfingsten (90. Weikl), Nemeth, Gaede, Blessin – Okpala, Müller (87. Popovic).
Schiedsrichter: Greth (Menning).
Zuschauer: 3300.
Tore: 0:1 Bogusz (17.), 1:1 Kacani (47.).
Gelbe Karten: Kacani, Rodrigues, Mann, Gambo/Assoumani, Müller.
Beste Spieler: Yelldell/Gaede, Müller.
Eßlinger Zeitung
Siegen vergab Sieg – und rettete Punkt
Stuttgart. Um 19.19 Uhr waren die Sportfreunde Siegen gestern erstmals Tabellenführer in der Regionalliga Süd. Mit einem frühen Tor hatten sie den Stuttgarter Kickers eine Hälfte lang den Schneid abgekauft. Doch den sicheren Sieg vor Augen gaben die Sportfreunde zwei Punkte wieder her – fahrlässig.
Bereits nach den ersten 45 Minuten hätte die Partie unter dem Fernsehturm für die Elf von Trainer Ralf Loose entschieden sein müssen. Die Gäste waren spielerisch absolut überlegen. Mit zwei, drei Toren hätten die Sportfreunde die total verunsicherte Truppe von Trainer Peter Zeidler in die Kabine schicken müssen. Nach vielen vergebenen Chancen der Siegener war es jedoch nur ein 0:1 und ein gellendes Pfeifkonzert, das die „Kickers“-Kicker mit in die Katakomben nahmen.
Doch am Ende der zweiten Hälfte, nach einem wahren Feuerwerk der Stuttgarter, wurde man das Gefühl nicht los, dass die Siegener hier einen Auswärtspunkt gewonnen hatten und froh sein konnten, immer noch ungeschlagen zu sein.
Sieben Minuten brauchten die Sportfreunde, da hatten sie das Heft in der Hand. In diesen Anfangsminuten setzten die „Kickers“ das um, was ihnen Trainer Peter Zeidler ins Logbuch geschrieben hatte: Schnell Druck aufbauen.
Ganze zwei Minuten waren gespielt, da rangelte sich im Strafraum Sokol Kacani im Zweikampf durch und reklamierte dann einen Elfmeter. Was er jedoch bekam, war eine gelbe Karte wegen Handspiels. Und auch in der vierten Minute stand der Schwabenzug unter Volldampf. Mit einem direkt geschossenen Freistoß von der Strafraumgrenze zwang Dominique Rodrigues Torhüter Robert Wulnikowski zur Glanztat.
Doch dann war es zunächst vorbei mit der Schwaben-Herrlichkeit. Die Sportfreunde knüpften da an, wo sie gegen Unterhaching aufgehört hatten: Mit Offensivfußball und Einsatz. Zuerst war es Enrico Gaede mit einem Distanzschuss (11.), dann knallte Gerrit Müller einen „Hammer“ knapp übers Gehäuse.
Besser Maß genommen hatte dann Daniel Bogusz. Nach einem Foul an Enrico Gaede trat Nils Pfingsten den fälligen Freistoß aus etwa 30 Metern gefühlvoll in den Sechzehner auf den sträflich frei stehenden Innenverteidiger Daniel Bogusz – und der bedankte sich für die Nachlässigkeit der Abwehr mit einem lehrbuchreifen Kopfballtor in der 17. Minute.
Damit war den Kickers der Wind aus den Segeln genommen. Nach einem erneuten Freistoß von Nils Pfingsten köpfte Mansour Assoumani völlig frei einen Gegenspieler an und in der 39. Minute hatte dann Alexander Blessin die größte Siegener Chance zur 2:0-Führung. Seinen Distanzschuss konnte Yelldell parieren, zum Abpraller kam Gaede einen Schritt zu spät. In der 43. Minute ging Müller über die linke Seite auf und davon, doch im Strafraum landete sein Ball zwei Mal in den Abwehrbeinen. In der 45. Minute vergab Okpala, der sich so sehr ein Tor gegen die Kickers gewünscht hatte.
Gastgeber brannten nach Wiederanpfiff ein Feuerwerk ab
Leider ist nicht überliefert, welche Standpauke Trainer Peter Zeidler in der Kabine gehalten hat. Fest steht: wie verwandelt kamen die Schwaben aus der Halbzeit und brannten ein wahres Feuerwerk ab. 90 Sekunden waren im zweiten Durchgang gespielt, da hatte Sokol Kacani zugeschlagen: Eine Ecke verwandelte er mit einem Kopfball. Frei hatte ihn die Siegener Hintermannschaft gewähren lassen, aber auch der ansonsten fehlerfreie Siegener Schlussmann machte hier keine gute Figur.
Jetzt spielten die Platzherren stark auf – und in der 51. Minute war es wieder Kacani, der zur Führung hätte treffen müssen. Wulnikowski schien jetzt zu ahnen, dass den Seinen noch alle Fälle davonschwimmen können und nahm sich nach einem Eckball in einem heftigen Rededuell Müller zur Brust, der sich zuvor einen Stellungsfehler geleistet hatte.
Der Weckruf für seine Vorderleute verhallte offenbar ungehört, denn in der 62. Minute hätte Angelo Vaccaro den Führungstreffer für die Kickers markieren müssen. Nach einem Konter über Kacani rutschte er, nachdem Wulnikowski bereits geschlagen war, um Haaresbreite am Ball vorbei.
In der letzten halben Stunde wurde es hektisch. Fouls, zweifelhafte Entscheidungen des Unparteiischen hüben wie drüben und zwei Trainer, die gehörig aneinander geraten waren.
Tormöglichkeiten hatte Siegen auch noch: 67. Müller über links und Okpala im Nachsetzen und in der 74. Minute vergab Okpala aus spitzem Winkel. Doch die deutlicheren Chancen hatten die Stuttgarter. In der 82. Minute rettete Wulnikowski nach einem Konter über Nico Beigang den Punkt für Siegen.
Ralf Loose: „Okpala hätte treffen müssen“
Stuttgart. (jd) Stimmen vom gestrigen Spiel der Sportfreunde Siegen gegen die Stuttgarter Kickers:
Ralf Loose (Trainer der Sportfreunde Siegen): Es war das erwartet schwere Auswärtsspiel. Wir haben in der ersten Hälfte gut ins Spiel gefunden. Waren spielerisch besser und hatten auch die klareren Chancen. Okpala hatte die größte Möglichkeit und hätte sie auch verwerten müssen. Nach der Halbzeit wollten wir da anknüpfen, wo wir vorher aufgehört hatten, aber der Gegentreffer aus einer Standardsituation war der Schock zum falschen Zeitpunkt. Trotzdem hat die Mannschaft den Ausgleich schnell weggesteckt. In den zweiten 45 Minuten war es dann ein ausgeglichenes Spiel. Beide Mannschaften hatten noch die eine oder andere Großchance, aber am Ende müssen wir mit dem einen Punkt zufrieden sein.
Peter Zeidler (Trainer der Stuttgarter Kickers): Die Spielanalyse deckt sich mit der meines Siegener Kollegen. In der ersten Hälfte haben wir uns keine Überlegenheit herausspielen können. Wir waren froh, zur Halbzeit nur 0:1 zurückzuliegen, um nach dem Seitenwechsel das schnelle 1:1 zu machen. Danach wurde es ein umkämpftes Spiel, das von viel Spannung geprägt war.
Björn Weikl (SF Siegen): Man kann darüber streiten, ob wir einen Punkt gewonnen oder zwei verloren haben. In der ersten Hälfte hatten wir drei hundertprozentige Chancen, andererseits ist ein Auswärtspunkt immer gut.
Christian Okpala (SF Siegen): Wir müssen mit dem Spiel absolut zufrieden sein, auch wenn wir nach den ersten 45 Minuten hätten höher führen können.
Alexander Blessin (SF Siegen): Alles in allem bin ich absolut unzufrieden. Wir haben das Spiel im ersten Durchgang klar bestimmt und hätten locker 3:0 führen können. Wenigstens hat es noch zu einem Auswärtspunkt gereicht.
Robert Wulnikowski (Torhüter/SF Siegen): Ich bin natürlich absolut zufrieden, aber wenn wir das 2:0 machen, ist das Spiel gelaufen und wir nehmen drei Punkte mit.
Schwache Chancenverwertung rächt sich nach dem Wechsel
Stuttgart. Mit einem 1:1 (1:0) bei den Stuttgarter Kickers mussten sich die Siegener Sportfreunde gestern Abend in ihrem zweiten Auswärtsduell der Fußball-Regionalliga begnügen. Eine blendend aufgelegte Siegener Mannschaft schaffte es vor der Pause nicht, für die entscheidende Führung zu sorgen. Viele Chancen blieben ungenutzt. Das sollte sich direkt nach dem Wechsel rächen.
Die gellenden Pfiffe, die die Stuttgarter Kickers in die Kabinen begleiteten, spiegeln die Kräfteverhältnisse in der Waldau beim Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Roland Greth aus Menning wider. Klar überlegene Siegener gehen mit einem 1:0-Vorsprung in die Pause und hätten 2:0 oder gar 3:0 führen müssen.
Die Gastgeber, denen daheim im Stuttgarter Stadtteil Degerloch die Pest an den Stiefeln klebt, bekamen nach einer recht schwungvollen, dreiminütigen Startphase kein Bein mehr auf den Rasen. Fehlpässe sogar am eigenen Strafraum brachten die Fans in blau auf die Palme.
Die Siegener nutzten dies zu überlegenem Spiel, kombinationssicher, ganz in Ruhe und wenn es nach vorne ging, dann blitzschnell.
Der einzige Treffer vor der Halbzeitpause war aber nicht einer Offensivkraft der Sportfreunde vergönnt, sondern Abwehrmann Daniel Bogusz. Der wuchtete nach 17 Minuten einen genau getimten Freistoß des erneut bärenstarken Nils Pfingsten unerreichbar für David Yelldell im Kickers-Tor ins lange Eck.
Eine Führung, die schon nach dieser knappen Viertelstunde mehr als nur in Ordnung ging, die aber im Verlaufe dieser ersten 45 Minuten ausgebaut werden musste.
Alexander Blessin, Gerrit Müller, Enrico Gaede vergaben ihre Chancen. Die dickste versiebte kurz vor dem Gang in die Kabine Christian Okpala. Von Pfingsten toll frei gespielt, taucht der „Ex-Blaue“ vor dem Keeper auf und bugsiert die Kugel flach am langen Eck vorbei.
So viele gute Möglichkeiten vergeben, den Gegner dermaßen sicher im Griff – und dann nur ein Tor. Häufig rächt sich das im Fußball.
Und in der Tat. Der Fußball bleibt seinen Gesetzen treu. Kaum war der Sekundenzeiger einmal gekreist im zweiten Durchgang, werden die Siegener abgestraft. Den Eckball von Oliver Stierle köpft Mittelstürmer Sokol Kacani aus fünf Metern ins Tor. Ausgleich für die Stuttgarter Kickers.
Und plötzlich sind die Gastgeber präsent. Umgekehrte Vorzeichen in der Waldau. Drei Minuten später ist es wieder der Albaner, der frei vor Wulnikowski auftaucht. Doch der Keeper kann klären.
Wenig später Eckball von der rechten Seite. Gerrit Müller springt am kurzen Pfosten unter dem Ball her. Gefahr kommt dadurch nicht auf, doch Wulnikowski flippt fast aus, packt sich den kleinen Ex-Karlsruher in Oliver-Kahn-Manier und kann erst durch Mansour Assoumani und Bogusz davon abgehalten werden, handgreiflich gegen Müller zu werden.
Sicher nicht die feine Art, aber doch so eine Art Weckruf für seine fast eingeschlummerten Vorderleute.
Erst jetzt finden die Siegener ins Spiel zurück, bekommen die Partie wieder in den Griff. Das Spiel ist jetzt insgesamt besser, weil die Hausherren durch die Einwechslungen von Saban Genisyürek und Bashiru Gambo stärker geworden sind.
Besser, intensiver und auch ruppiger. So versucht Assoumani nach einem Eckball mit gestrecktem Fuß gegen Yelldell zum Zuge zu kommen. Gelb ist die Folge, der eingewechselte Gambo lässt Gaede den Ellenbogen spüren – auch Gelb, Marcus Mann lässt Peter Nemeth im Mittelfeld über die Klinge springen – wieder Gelb.
Die besseren Chancen jedoch sind auch in diesem zweiten Durchgang auf Seiten der Siegener. So kann Müller nach 58 Minuten aus etwas spitzem Winkel Yelldell ebenso wenig überwinden wie nach 74 Minuten Okpala, der seinen Kopfball aus sechs Metern zu hoch ansetzt.
Die Sportfreunde haben ganz ohne Zweifel ein optisches Übergewicht, ohne dabei aber so glänzend und durchdacht zu sein wie vor dem Wechsel. Die Stuttgarter haben es leichter, sich zu befreien, gefährlich zu kontern. Der eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselte Nico Beigang hat das 2:1 auf dem Fuß, als er allein in Richtung Wulnikowski stürmt, der aber die Fingerspitzen noch an den Ball bekommt (83.).
Ein interessantes Spiel ist es geworden, daran kann auch die Einlage von Müller nichts ändern, die ihm Gelb statt Elfmeter einbrachte (85.). Das hat er einfach zu oft versucht, den Schiedsrichter konnte er damit nicht überzeugen.
Die Siegener bleiben ungeschlagen, müssen sich aber den Vorwurf gefallen lassen, die überlegen geführte erste Halbzeit nicht zu einer klareren Führung genutzt zu haben. Nach der Pause reichte eine Aktion, den Gastgebern Oberwasser zu verschaffen. Ein paar Minuten Tiefschlaf hätten selbst den Punktgewinn noch gefährden können.
Siegener Vorstellung erntet auch bei den Kickers großes Lob
Stuttgart. Zwei Punkte verloren oder einen gewonnen? Diese Frage beschäftigte nach den 90 Minuten den zahlenmäßig starken Anhang im Stuttgarter Stadtteil Degerloch. Auch Vereins-Chef Christoph Hansen stellte sie sich.
„Ich weiß auch nicht, was ich von diesem Remis halten soll. Die Mannschaft hat in der ersten Halbzeit meisterlich gespielt, nach der Pause ein paar Nachlässigkeiten gezeigt. Das haben die Stuttgarter ausgenutzt.“
Sein Name sei Hase, meinte Torhüter Robert Wulnikowski nach dem Schlusspfiff, angesprochen auf die „Oliver-Kahn-Aktion“ gegen Gerrit Müller nach 55 Minuten. „Manchmal muss man seinem Ärger auch Luft machen“, so der Keeper.
Vollstes Verständnis für die Aktion zeigte Enrico Gaede. „Ein Torwart muss auch mal laut werden, das ist sein Recht. Wir sind einfach zu nachlässig aufgetreten in den ersten Minuten des zweiten Durchgangs.“
„3:0 mussten wir führen nach 45 Minuten“, ärgerte sich Co-Trainer Sascha Franz am Ende. „Aber dennoch können wir mit der Leistung und dem Spiel zufrieden sein. Das war teilweise echt Klasse.“
Als klar dominierend hat Alexander Blessin die Sportfreunde-Mannschaft erlebt. „Wir mussten einfach mehr aus dieser Überlegenheit machen“, so der Schwabe im Siegener Dress, der Besuch am Spielfeldrand von seiner Mutter erhalten hatte. „Ich bin immer dabei, wenn der Alex in unserer Nähe spielt“, so Mama Blessin.
Einen Sieg hätte sie natürlich genau so gern bejubelt wie ihr Sohn.
Keinen „Zugriff“ auf die spielerisch starken Siegener hatte Kickers-Trainer Peter Zeidler im ersten Durchgang ausgemacht. „Von dieser Leistung war ich echt angetan“, so der frühere Aalener Coach. „Wir konnten froh sein, dass es zur Pause nur 0:1 stand.“
Seine taktische Umstellung habe sich dann im Verlaufe der zweiten Hälfte ausgezahlt.
„Für uns bleibt unter dem Strich noch vieles zu tun. Man hat klar gesehen, dass wir gegen einen so starken Gegner das Spiel nicht 90 Minuten bestimmen können.“Lob also aus dem Munde des Kickers-Trainers, der ebenso wie Ralf Loose von einer „sehr emotionalen Partie“ sprach. Bei einem schwächeren Schiedsrichter als Roland Greth aus dem bayerischen Menning „hätten wir beide“, so noch einmal Zeidler, „von der Tribüne aus zugesehen.“
Sein Gegenüber wollte partout nicht über nicht gepfiffene Elfmeter für die Sportfreunde sprechen: „Ob Gerrit Müller die Gelbe Karte wegen einer angeblichen Schwalbe sehen muss, wage ich sehr stark zu bezweifeln.“
Ansonsten war der Fußball-Lehrer mit dem Punktgewinn zufrieden. Doch ein Wermutstropfen bleibt: „Christian Okpala muss natürlich das zweite Tor machen. Da fehlt ihm einfach die nötige Ruhe. Aber ich glaube, dass er bei seinem ehemaligen Klub etwas übermotiviert war.“