Zoltan Sebescen schaffte es bis ins Champions-League-Finale – Inzwischen arbeitet er an seiner zweiten Karriere
Degerloch. Seit knapp zwei Monaten ist der ehemalige Bundesligaprofi Zoltan Sebescen Jugendkoordinator der Stuttgarter Kickers. Nach einer bewegten Karriere hat es ihn auf die Waldau verschlagen – dorthin, wo für ihn alles begann.
Von Alexander Kitterer
„Es war eine schöne, bewegte und kurze Fußballkarriere mit einem beschissenen Ende.“ Das sagte Zoltan Sebescen in einem Zeitungsinterview, kurz nachdem er seinen Rücktritt vom aktiven Fußball bekanntgegeben hatte. Sechs Knieoperationen hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits über sich ergehen lassen müssen. Heute spricht der 32-Jährige von dieser Zeit als der schwierigsten seines Lebens. „Hätte ich auf mein Herz gehört, wäre ich immer noch in der Reha“, sagt er. Im August 2005 verkündete er seine Entscheidung, die trotz aller Wehmut eine schwere Last von ihm nahm: „An so etwas kann man zugrunde gehen.“ Mehr als zwei Jahre hatte er da bereits kein Spiel mehr bestritten.
Seit Juli ist Sebescen Jugendkoordinator bei den Kickers und verantwortlich für das Management der Jugendmannschaften des Vereins. Eines seiner Ziele ist, dass die noch besser zusammenarbeiten, um den Jugendlichen den Sprung in die erste und zweite Mannschaft zu ermöglichen. „Für mich ist es wichtig, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen“, beschreibt er seine Aufgabe. Sebescen möchte das Potenzial des Nachwuchses noch besser ausschöpfen, damit der Verein wirtschaftlich und sportlich profitiert. Für diese Aufgabe scheint Zoltan Sebescen bestens geeignet. Schließlich war er bereits selbst Nutznießer erfolgreicher Jugendarbeit. Das Kickers-Eigengewächs schaffte es damals in die erste Mannschaft und spielte für die Blauen auch schon in der Ersten Bundesliga.
Als 23-Jähriger wagte er 1999 dann den Sprung zum VFL Wolfsburg. „Das war mein Schritt in die große Fußballwelt“, sagt Sebescen. Aus der vertrauten Umgebung in eine neue Stadt und ein komplett neues Umfeld, das sei hart gewesen. Aber es dauerte nicht lange, bis er sich durchsetzte. Schon in seiner ersten Saison spielte er 17-mal und erzielte sechs Treffer für seinen neuen Verein.
Und er erlebte den Höhepunkt seiner Karriere. Manche meinen, dass es ein negativer gewesen sei, aber er selbst sieht das anders. „Was gibt es Besseres, als für die Nationalmannschaft zu spielen?“, fragt der ehemalige Mittelfeldspieler. Nach dem 21. Spieltag und acht Spielen für seinen neuen Verein VfL Wolfsburg wurde er für ein Freundschaftsspiel gegen die Niederlande nominiert – und stand in der Startaufstellung. „Das habe ich damals wirklich sehr genossen“, sagt Sebescen.
Die Entscheidung des Bundestrainers Erich Ribbeck kam überraschend, und nach 45 Minuten fühlten sich die Kritiker in ihrem Urteil bestätigt. Sebescen war an beiden Gegentoren beteiligt, zur zweiten Halbzeit wurde er auf die Bank verbannt. „Da ist für mich natürlich eine Welt zusammengebrochen“, sagt er. Eine Woche ging er nicht aus dem Haus, las keine Zeitung. „Die Mannschaft und mein Vereinstrainer haben mir aber den Rücken gestärkt“, erzählt er. Schon eine Woche später zahlte er das in ihn gesetzte Vertrauen zurück. In einem dramatischen Spiel gegen den Hamburger SV erzielte Sebescen drei Tore und trug seinen Teil dazu bei, dass seine Mannschaft ein 4:4-Unentschieden erreichte. Nach zwei Spielzeiten kam die nächste Stufe auf der Karriereleiter. Er wechselte zu Bayer Leverkusen. Die Mannschaft um Spieler wie Lucio, Zé Roberto, Jens Nowotny und Bernd Schneider wurde in seiner ersten Saison Vizemeister. Sebescen erkämpfte sich mit guten Leistungen einen Stammplatz und etablierte sich.
Es folgte ein weiteres Glanzlicht. Sebescen lief im Champions-League-Finale 2002 für Bayer auf. Schon da plagten ihn Knieprobleme, aber er biss die Zähne zusammen. Am Ende siegte Real mit 2:1. Zum dicken Ausrufezeichen hinter Sebescens Fußballerlaufbahn reichte es wieder einmal nicht. Fast alles, was ein Fußballer erreicht hat, hat er erreicht – sogar einen Eintrag in der ewigen Sammlung missglückter Zitate. Den mit der Aussage: „Uns kann eigentlich keiner mehr schlagen, außer wir uns selbst. Daran arbeiten wir.“ Nur „ein Titel fehlt mir“, gibt er zu, „aber ich sehe das mittlerweile gelassen und bin stolz auf das, was ich erreicht habe“.
Die Gelassenheit hat ihm auch über die schwierigen Phasen seiner Karriere hinweggeholfen. Die haben ihn sogar gestärkt, sagt er: „Wenn man ein guter Fußballer werden will, muss man solche Zeiten durchstehen.“ Diese Einstellung will er bei den Kickers weitergeben. Seinen Ehrgeiz hat Sebescen sich auch in seinem zweiten Beruf erhalten. Sein Sportmanagement-Studium hat er bereits abgeschlossen, nächstes Jahr will er die Prüfung zum Sportfachwirt bestehen. Festlegen will er sich bei seinen Zukunftsplänen zwar nicht, bei den Kickers will er aber noch einiges bewegen: „Vielleicht kommen wir dann wieder dahin, wo wir hingehören“, sagt Sebescen. Daran arbeitet er. Ganz gelassen.
Stuttgarter Nachrichten