Kickers: Kummer trifft Kullen
STUTTGART. Sportlich geht es für die Stuttgarter Kickers diese Saison um die Qualifikation für die dritte Fußballliga, wirtschaftlich ums Überleben. Nicht zuletzt, weil die Schulden von rund einer Million Euro auch durch den verprellten Expräsidenten gedeckt werden.
Von Joachim Klumpp
Vor dem letzten Heimspiel gegen den SV Sandhausen hat sich der Kickers-Trainer Peter Zeidler etwas Besonderes einfallen lassen: ein Training am Vormittag. Blieb nur das Problem zu lösen, wie die Zeit zwischen Mittagessen und Kaffee sinnvoll überbrückt wird. Wo andere Mannschaften in Fünfsternehotels logieren (wie der Ligarivale Ingolstadt), bildete der Coach kurzerhand ein paar Wohngemeinschaften für die Spieler. „Das schweißt zusammen.“ Und kostet vor allem kein Geld, wie der Manager Joachim Cast zugibt: „Wir können uns ein Tageshotel eben nicht leisten.“ Der Sparkurs wird also fortgesetzt – ganz im Sinne von Hans Kullen.
Der Expräsident der Kickers hat auf diese rigorose Weise den Verein nicht nur vor der Insolvenz gerettet, sondern mit seinem Darlehen erneut zur Lizenzierung der laufenden Saison beigetragen. Dennoch hatte ihm der neunköpfige Aufsichtsrat unmittelbar danach einstimmig (bei zwei Abwesenden) das Vertrauen entzogen. Unter anderem übrigens mit der Begründung, Kullens Präsenz blockiere potenzielle neue Sponsoren.
In dieser Hinsicht ist der neue Vorstand allerdings schnell desillusioniert worden. Nachdem der Präsident Dirk Eichelbaum sich schon vor Wochen enttäuscht gezeigt hat, was neue Werbepartner angeht, sagt jetzt auch der Schatzmeister Friedrich Kummer: „Leider gibt es bei manchen Leuten mehr Worte als Taten.“ Ein Satz der so auch von Kullen stammen könnte, der diese leidvolle Erfahrung am eigenen Leib gemacht hat und immer wieder selbst in die Bresche springen musste, nicht nur finanziell übrigens. Dass Kullen bei Sponsoren keineswegs erfolglos oder unbeliebt war, verdeutlicht ein Beispiel: Die BKK Scheufelen, die er einst zu den Kickers brachte, hat der Versicherungskaufmann inzwischen auch zum Ligarivalen SSV Reutlingen vermittelt, wo ein Engagement nicht unwahrscheinlich erscheint. Ähnliches gilt möglicherweise für Kullen selbst, während sein kolportiertes Mitwirken beim Oberligisten SSV Ulm eher dem Wunschdenken der dortigen Macher entsprechen dürfte.
Die Kickers-Verantwortlichen wiederum fragen sich: Wie können wir Kullen befrieden? Um diese Problem „offen und fair“ (Kummer) anzugehen, gab es vor genau zwei Wochen ein Treffen des K-und-K-Regimes (Kummer und Kullen), allerdings noch ohne konkretes Ergebnis. Außer jenem, dass Kullen zu möglichen Zugeständnissen sagt: „Man kann über Ratenzahlung reden, aber warum soll ich auf Geld verzichten?“ Zumal er betont, den Verein bei seinem Rücktritt am 6. März in finanziell geordneten Verhältnissen hinterlassen zu haben, nämlich mit 600 000 Euro Liquidität, was sich auch in einem Überschuss der abgelaufenen Saison von rund 200 000 Euro niederschlagen dürfte. Und trotz der fehlenden Einnahmen aus dem lukrativen DFB-Pokal sagt Kummer: „Liquiditätsprobleme haben wir keine.“
Eher Lizenzierungsprobleme, wenn Kullen sein (Rangrücktritts-)Darlehen über etwa 450 000 Euro nicht verlängert, wovon nach dem Stand der Dinge auszugehen ist. Dass zudem ein Zinsverzicht und andere Nebengeräusche im Raume stehen, sei nur am Rande erwähnt. Außerdem gibt Kummer zu bedenken, „dass wir noch andere Gläubiger haben“, wie es juristisch heißt. Zum Beispiel Ursi Dünnwald-Metzler, die ebenfalls ein Darlehen mit gut einer halben Million einbringt, damit der Verein am Leben bleibt.
Das Thema wird die Kickers also noch eine Zeit lang beschäftigen, was Friedrich Kummer bestätigt: „Wir brauchen sicher noch einige Wochen, um eine Lösung zu finden.“ Wobei er die einzig überzeugende schon parat hätte – den Aufstieg in die zweite Liga. „Dann hätten wir das Geld.“ Doch rein sportlich betrachtet ist der Fußball-Regionalligist der künftigen vierten Liga momentan näher als der zweiten.
Stuttgarter Zeitung