Ich habe eine neue Leidenschaft: Ich tue nichts. Seitdem geht es mir gut. Ich kaufe zwei, drei Fußballmagazine und schaue nach, ob CFR Cluj noch mit drei Toren vor Steaua Bukarest die Tabelle der rumänischen Liga anführt. Beitar Jerusalem liegt in Israel klar vor Maccabi Netanja, da ist nichts mehr zu machen, und das sollte man wissen, bevor man die Frage klärt, ob Anorthosis vor Apoel Nikosia den Titel auf Zypern holen wird.
Die Kunst des Nichtstuns ist eine einmalige Gabe. Ich danke Gott dafür. Neulich noch habe ich mich mit der Frage auseinander gesetzt, ob der VfB die Mercedes-Benz-Arena braucht. Dieses Thema hat mir zu schaffen gemacht, aber auch geholfen, das Nichtstun zu entdecken.
Ich war drauf und dran, laut zu schreien: Ihr Unglückseligen, selbstverständlich braucht diese schöne Stadt ein richtiges Fußballstadion. Wie sonst soll es der VfB-Kunde in der Kurve aus sechs Kilometern Entfernung erkennen: Handelt es sich um den VfB-Manager Heldt oder den VfB-Spielmacher Bastürk, wenn einer von beiden auf Zehenspitzen Mike Hanke von Hannover 69 in den Bauchnabel beißt?
Sagen Sie mir nicht, es gebe kein Hannover 69, solange ich weiß, dass Modrica Maksima die Tabelle vor Celik Zenica in Bosnien-Herzegowina anführt. Ich weiß auch, was 69 bedeutet, ich habe als Nichtstuer gelernt, ins Zentrum menschlicher Lüste zu schauen: Seit Jahrzehnten besuche ich den Fußballplatz der Stuttgarter Kickers 1899, die einzige richtige Fußballarena der Stadt. Man hat Augenkontakt und danach die Gewissheit, dass Fußballfunktionäre vom Nichtstun leben.
Der Präsident der Kickers, er heißt Eichelbaum, hat dieser Tage per Brief den Papst zum Spiel eingeladen. Herr Eichelbaum hält dies für einen Gag. Er will die Kickers ins Gespräch bringen. Der Kickers-Präsident hält den Papstbrief für Öffentlichkeitsarbeit. Der Papstbrief ist die einzige Öffentlichkeitsarbeit, die der Kickers-Präsident in dieser Saison geleistet hat.
Herr Eichelbaum sollte keine Briefe an den Papst schreiben. Er sollte seinen Mentalcoach um eine Diagnose bitten. Wenn er das Ergebnis sieht, wird er nicht mehr den Papst um Hilfe bitten. Dann kann ihm nur noch der liebe Gott helfen.
Herr Eichelbaum ist hauptberuflich im Insolvenzgeschäft tätig. Ob er geistige Bankrotte bearbeitet, weiß ich nicht. Ich bin nicht der Papst. Am Freitag haben die Kickers gegen Oggersheim gespielt. Ich habe mein Nichtstun unterbrochen und bin hin. Der Papst war nicht da. Der Papst hatte mich zuvor angerufen. „Richten Sie Herrn Eichelbaum aus“, hat der Papst gesagt, „er möge den mentalen Offenbarungseid leisten, bevor er zur Hölle fährt.“ „Herr Papst“, habe ich gesagt, „Gott sei mit Ihnen.“
Die Kickers haben gewonnen.
Stuttgarter Nachrichten