Stuttgarter Kickers – VfB. Stuttgart 0:2 (0:1)
Stets wenn die Kickers und der VfB. Stuttgart um die Punkte kämpfen, bedeutet dies einen Höhepunkt in der sportlichen Veranstaltungsfolge der schwäbischen Landeshauptstadt. Die 59. Begegnung zwischen beiden Vereinen war wieder von vorentscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf der Fußballmeisterschaft von Württemberg. 18-20 000 Zuschauer füllten die Ränge der Adolf-Hitler-Kampfbahn; überfüllte Beförderungsmittel aller Art in Richtung Cannstatter Wasen, riesige Schlangen an den Eingangssperren deuteten den Großkampf erster Ordnung schon äußerlich an.
Die Erwartungen auf einen großen Kampf wurden erfüllt.
Allerdings mit der Einschränkung, daß nur der VfB. sich zu richtiger Spielform zusammenfand und nach spannungsreichem Verlauf mit 2:0 (1:0) verdientermaßen beide Punkte an sich brachte. Der Sieg des VfB. war überzeugend. Vor allem vor der Pause lief es vorzüglich. Die Cannstatter waren nicht nur schneller in der Spielführung, sie faßsten auch ihre Aufgabe überlegter an, und die einzelnen Spieler legten im Zweikampf mit ihren Degerlocher Widersachern auch das trickreifere Spiel hin. Dank der Unterstützung durch die Läuferreihe war der Sturm des VfB. meist feldüberlegen; an der Strafraumgrenze standen allerdings die Kickersverteidiger wie eine Mauer, und die zahlreichen, aber auch ziemlicher Entfernung abgegebenen Torschüsse des Sturmes und der Läuferreihe hielt Haarer meisterhaft. Der aus der Schweiz zurückgekehrte Pröfrock paßte sich recht gut ein. Neben einigen saftigen Schüssen zeigte er auch ein brauchbares Aufbauspiel im Sturm. Schwache Leute gab es auf Seiten der Cannstatter eigentlich nicht. Ein besonderes Lob verdiente sich der rechte Läufer Kraft, der in der zweiten Halbzeit dem nun stärker aufkommenden Kickerssturm wiederholt im letzten Augenblick Einhalt gebot.
Die Kickers hatten diesmal einen schlechten Tag
Man legte von vorneherein das Augenmerk auf die Sicherung des eigenen Tores. Lange Zeit glückte dies auch, mit den drei Verteidigern Ribke, Vosseler und Cozza hielten sie den andauernden Angriffen der Weiß-Roten Stand. Dazu feierte Haarer eine überzeugende Wiederkehr ins Kickerstor. Auch die Leistungen der Läufer Handte und Förschler (Förschler spielte in der zweiten Halbzeit an Stelle von Link) konnten, gemessen an dem Druck des VfB., noch zufriedenstellen, während die Stürmer gar nichts zeigten. Frey und Strickrodt ließen sich die Bälle abnehmen, auch der Innensturm brachte nicht viel zuwege. Dies war um so auffälliger, als durch das zeitweise weite Aufrücken der VfB.-Läufer die Cannstatter hier durchaus verwundbar waren. Erst in der zweiten Halbzeit wurde die Gesamtleistung der Kickers besser und der Kampf ausgeglichener.
Das Spiel erreichte seinen Höhepunkt eigentlich schon vor der Pause.
Der VfB. fand sich sofort recht gut zusammen. Dabei spielten die Cannstatter ideenreicher und mit mehr Abwechslung. Nach fünf Minuten schon verletzte sich der VfB.-Torhüter Schnaitmann am Fuß und war in der Folge natürlich nicht ganz vollwertig. Auch bei Kickers erlitt Link eine Knieverletzung, die ihn in der zweiten Halbzeit bewog, mit Förschler den Platz zu tauschen. Zahlreiche Schüsse aus dem VfB.-Sturm hielt Haarer prächtig. Die Kickers kamen eigentlich nur selten vor das VfB.-Tor und Schnaitmann bekam nicht sehr viel zu halten. Erst in der 35. Minute gelang es Rutz, den längst verdienten Führungstreffer zu erzielen. Gegen Ende der Halbzeit kamen die Kickers aber mehr auf.
Nach dem Wechsel
dauerte es geraume Zeit, bis der VfB. sich zu der vor der Pause gezeigten Spielweise zusammenfand. Die Kickersangriffe waren zahlreicher, aber immer fehlte ihnen die Durchschlagskraft. In der 85. Minute erhielt der VfB. einen Elfmeterball, den Rutz schoß, aber Haarer hielt den Ball. Erst in der letzten Spielminute fiel der zweite Treffer, den Lehmann im Nachschuß erzielte. Schiedsrichter Sackenreuther – Nürnberg traf sehr bestimmte Entscheidungen. Ihm fügten sich beide Mannschaften, die zwar hart kämpften, aber immer die Grenzen des Äußersten einzuhalten wußten.
Beilage zum Schwäbischen Merkur, Stuttgart, Nr. 280 vom 1. Dezember 1936