Kampf um Punkte und Partner
Kickers vor dem Derby in Aalen
STUTTGART. Die Stuttgarter Kickers stecken in der dritten Fußballliga mitten in einer ereignisreichen Woche. Nach der Niederlage gegen Jena stand am Mittwoch die Hauptversammlung auf dem Programm – morgen (14 Uhr) folgt zum Abschluss das Derby in Aalen.
Von Joachim Klumpp
Edgar Schmitt hat am Mittwochabend Sitzfleisch bewiesen. Während der Trainer der Stuttgarter Kickers am Spielfeldrand seinen Emotionen schon mal freien Lauf lässt, saß er während der rund dreieinhalbstündigen Hauptversammlung im ADM-Sportpark ruhig auf seinem Stuhl. „Und dann bin ich erst zu nichts gewählt worden“, sagte Schmitt gestern lächelnd. Zumindest nicht direkt, denn allenthalben ist klar, was seine Aufgabe ist: den Klassenverbleib zu schaffen. „Davon bin ich überzeugt“, sagte der Präsident Dirk Eichelbaum vor den Mitgliedern. „Wenn wir dann höhere Ziele angehen wollen, muss auch der Etat erhöht werden.“
Gemach, gemach. Zunächst einmal geht es nicht nur um das sportliche Überleben in der dritten Liga, sondern ums finanzielle, das auch in dieser Spielzeit wieder eine Gratwanderung ist, nachdem aktuell ein Fehlbetrag von 300 000 Euro im Etat bis zum Saisonende klafft. Der sogar noch größer werden könnte, weil das ehemalige Präsidiumsmitglied Walter Kelsch ein Darlehen über 50 000 Euro zum Januar 2009 fristgerecht gekündigt hat, auch wenn Eichelbaum zuversichtlich ist, „das unter Sportsfreunden zu lösen“. Abwarten, schließlich sind beide Seiten im Sommer nicht im Frieden geschieden.
Warum regelmäßig Defizite im Etat auftauchen, darüber hat sich der Aufsichtsratvorsitzende Rainer Lorz Gedanken gemacht. Seine Erklärung: „Vor allem bei den Werbeerträgen hinken wir im Vergleich zu den anderen Drittligisten hinterher.“ Die hätten in diesem Bereich im Schnitt 2,4 Millionen Euro zur Verfügung, bei den Kickers ist für diese Saison die Hälfte veranschlagt (etwa 1,1 Millionen sind davon gesichert), wobei der fürs Marketing zuständige Dieter Wahl darauf verweist, „dass wir eine Plus von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr haben“. Inwieweit weitere Sponsoren dazukommen, bleibt – nicht nur angesichts der Wirtschaftslage – fraglich. „Wir müssen jetzt erst einmal über den Winter kommen“, sagt Wahl. Und Lorz fügte hinzu: „Wenn man nach Offenbach mit den Exprofis Andreas Möller und Michael Sternkopf oder zum VfR Aalen schaut, dann zeigt das, wohin die Reise geht.“
Morgen erst einmal – nach Aalen, zu Schmitts Exclub, für den er zu Saisonbeginn noch vier Spiele auf der Bank sitzen durfte. Doch inzwischen ist das Vergangenheit. „Ich muss mit keinem abrechnen“, sagt Schmitt, der nur drei Kilometer entfernt vom Aalener Stadion wohnt und das (der schulpflichtigen Kinder wegen) bis zum Saisonende so beibehalten will. Schmitt sagt: „Ich habe gehört, dass viele Zuschauer sich auf ein Wiedersehen freuen.“ 8000 Besucher erwartet der VfR, allerdings auch, weil der Club eine Freikartenaktion im Stadion ausgerufen hat.
Apropos Stadion: gestern hatten die Kickers den Gesprächstermin beim Deutschen Fußball-Bund wegen des zunächst um zwei Jahre aufgeschobenen Umbaus. „Der DFB wird jetzt erst einmal mit der Stadt Kontakt aufnehmen“, sagte der Manager Joachim Cast von den Kickers, die in diesem Fall auf eine konzertierte Aktion mit dem VfB setzen, dessen zweite Mannschaft allerdings andere Voraussetzungen hat: ihr genügen die vorhandenen tausend Tribünenplätze (statt 2000 bei den Kickers), um die Auflagen zu erfüllen. Aber selbst diese werden morgen (14 Uhr) nicht alle gefüllt sein, wenn die Kickers Emden im Gazi-Stadion zu Gast sind.
Stuttgarter Zeitung
Der VfR Aalen hat viel Geld, aber kein Konzept
Trotz bester Voraussetzungen tut sich der ehrgeizige Fußball-Drittligist schwer damit, den Aufstieg in die zweite Liga zu verwirklichen
AALEN. Beim Auswärtsspiel der Stuttgarter Kickers morgen in Aalen wird in Petrik Sander schon der dritte VfR-Trainer in dieser Saison an der Seitenlinie stehen. Er soll in den nächsten Jahren die großen sportlichen Ziele erreichen – trotz aller Nebengeräusche.
Von Johannes Scharnbeck
Berndt-Ulrich Scholz war begeistert. „Sehr schön, sehr schön“, sagte der Präsident des VfR Aalen immer wieder, als er am Montag zum ersten Mal die neue Geschäftsstelle des Fußball-Drittligisten besichtigte. Das „VfR-Forum“ mit seinen durchsichtigen Glasfronten an der Nord- und Südseite des Gebäudes – auch von innen kann jeder dank der großen Glastüren in alle Büros hineinschauen – repräsentiert perfekt das Selbstbild des Vereins. Ein moderner, aufstrebender Club, ausgestattet mit einem Masterplan, wollen die Aalener sein. Ein Club, der in die zweite Liga gehört. Doch Anspruch und Wirklichkeit wollen in letzter Zeit auf der Ostalb gar nicht mehr zusammenpassen. Der VfR Aalen wechselte auf seltsame Weise die sportliche Leitung aus und erlebte so die turbulentesten Monate der Vereinsgeschichte.
Jetzt soll natürlich alles anders werden, besser versteht sich. Am Montag stellte Scholz in der durchgestylten Geschäftsstelle nämlich auch einen neuen Trainer (den mittlerweile dritten dieser Saison) vor: Petrik Sander. Dabei war der frühere Bundesligacoach von Energie Cottbus gar nicht die erste Wahl, sondern Markus Schupp (ehemals Wacker Burghausen). Doch der zögerte zu lange. Sander wird nun gemeinsam mit Jürgen Kohler, der wegen Herzproblemen als Trainer zurückgetreten war und noch als Sportdirektor fungiert, das neue Führungsduo bilden. Schon morgen im Heimspiel gegen die Stuttgarter Kickers sollen beide zeigen, dass Aalens Verantwortliche doch richtig gehandelt haben. Denn morgen (14 Uhr) treffen Sander und Kohler auf ihren Vorgänger Edgar Schmitt. Doch selbst wenn diese Partie für den VfR erfolgreich ausgehen sollte, an Ansehen haben Scholz und sein ehrgeiziger Aufsichtsrat seit längerem verloren. Momentan steht der Verein nicht für innovative Ideen, sondern für unkoordinierte und sprunghafte Entscheidungen – von den eigenen hohen Ansprüchen ist er weit entfernt.
Schon zum Ende der vergangenen Saison erhielt das Bild des ambitionierten Konzeptclubs erste Risse. Drei Spieltage vor Schluss entließ Scholz auf Wunsch der Mannschaft den Manager Helmut Dietterle mit der Begründung, Streitigkeiten zwischen Dietterle und dem damaligen Trainer Schmitt würden die Spieler vom Aufstiegsrennen ablenken. Den Sprung in die zweite Liga verpasste das Team dennoch. Für diese Saison statteten der Schrottunternehmer Scholz sowie der zweite große Sponsor Imtech den VfR mit 5,5 Millionen Euro und dem damit zweithöchsten Etat aller 20 Drittligisten aus. Doch schon nach vier Spieltagen verlor die Führungsriege die Nerven. Sie feuerte Edgar Schmitt, dabei war seine Bilanz nicht gerade entlassungswürdig: ein Sieg, zwei Unentschieden, eine Niederlage.
„Wir hatten zwei Möglichkeiten. Entweder wir machen weiter wie bisher, nehmen viel Geld in die Hand und werden weiter Dritter oder Vierter. Oder wir haben ein neues Konzept, bei dem wir das Trainergespann austauschen und in drei Jahren die zweite Liga erreichen“, lautete die bizarre Kündigungserklärung von Johannes Moser, dem Vorsitzenden des VfR-Aufsichtsrats und Imtech-Leiters der Region Südwest. Der Trainer mit dem neuen Konzept stand dann auch sofort parat: Jürgen Kohler, Weltmeister von 1990, Firmenrepräsentant von Imtech und ein guter Freund Mosers.
Der frühere Weltklasseverteidiger versprach: „Hier soll es irgendwann Bundesliga-Fußball geben.“ Aalens neue Strategie sah vor, Kohler den größtmöglichen Einfluss zu verschaffen. Er wurde Sportdirektor und Trainer in einem, so wie Felix Magath in Wolfsburg. Schmitt blieb allein die Zuneigung der Fans. Denn der offensive Fußball des früheren Karlsruher Stürmers kam an bei den Zuschauern. Mit Kohler verbesserte sich der VfR zudem nur von Platz 14 auf Rang zwölf, und das Team zeigte vor allem auf Sicherheit bedachten Fußball. Ihm gelangen nur drei Siege in 16 Spielen, es stellt die schlechteste Offensive der Liga (elf Tore) und hat 14 Punkte Rückstand auf einen Aufstiegsplatz.
Vor Sander, der ebenfalls behauptet, „die Bedingungen hier führen zwangsläufig in die zweite Liga“, stehen nun große Aufgaben. Er hat einen aufgeblähten, verunsicherten Kader von 36 Spielern und soll bis zu seinem Vertragsende im Sommer 2010 schon wieder ein neues Konzept umsetzen. „Nächstes Jahr gilt es, den Aufstieg zu schaffen“, betont Moser mittlerweile. An diesen ständigen Strategiewechseln zeigt sich das Dilemma der Aalener. Sie haben ein zweitligareifes Stadion, viel Geld, große Namen – aber eben kein erkennbares Konzept. „Wir brauchen jetzt kontinuierliche Arbeit, dann ist auch der gewünschte Erfolg möglich“, sagt der Geschäftsführer und ehemalige Freiburger Profi Martin Braun. Die schicke Geschäftsstelle soll schließlich nicht das Letzte sein, was den hohen Aalener Ansprüchen genügt.
Stuttgarter Zeitung
Heimspiel für Trainer Schmitt in Aalen
Stuttgart (jüf) – Er war von Januar 2007 bis Ende August 2008 Trainer beim VfR Aalen, noch immer wohnt Edgar Schmitt nur zwei Kilometer vom Aalener Stadion entfernt – für den Trainer des Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers müsste das Derby am morgigen Samstag (14 Uhr/Scholz-Arena) bei seinem Ex-Club eigentlich eine pikante Angelegenheit sein. Doch der 45-Jährige spielt die Brisanz herunter: „Meine Familie und viele Bekannte werden da sein, ich freue mich einfach nur auf dieses Spiel, zumal ich mit keinem mehr eine Rechnung offen habe.“ Dennoch kann sich Schmitt einen süffisanten Seitenhieb nicht verkneifen. Auf die Frage, wo die gravierendsten Unterschiede zwischen den beiden Clubs liegen, antwortete er: „Die Kickers haben Tradition und Herz, Aalen hat Geld. Würden die Vereine fusionieren, wäre alles perfekt.“ Immerhin konnten sich die Blauen Orlando Smeekes leisten. Und vieles spricht dafür, dass der Neuzugang in Aalen neben Michael Schürg stürmen wird. Angelo Vaccaro bleibt wohl nur die Jokerrolle.
Stuttgarter Nachrichten
Derbyknüller gegen die Kickers
Sander will gewinnen / Doch keiner kennt das VfR-Team besser als der gegnerische Trainer
Das Schwabenderby gegen die Stuttgarter Kickers am Samstag in der Scholz-Arena (Anpfiff 14 Uhr) ist zum Knüller der bisherigen Drittliga-Heimspiele des VfR Aalen avanciert. Die Spannung ist am Siedepunkt.
Es ist mehr als nur ein Derby, bei dem beide Teams vehement um (Sieg-)Punkte für den Klassenerhalt kämpfen werden. Während in Aalen Petrik Sander in diesen Tagen sich und seine Mannschaft auf sein Trainer-Comeback vorbereitet, stimmte in dieser Woche auf der Stuttgarter Waldau Edgar Schmitt sein Team auf den Auftritt an seiner ehemaligen Wirkungsstätte ein. Der Druck, der auf beiden Mannschaften liegt, ist enorm, die Erwartungshaltung der wahrscheinlich über 8000 Fußballfans, die am Samstag in den Aalener Rohrwang pilgern werden, ebenfalls.
Die Crux an der Geschichte: Während Aalens neuer Cheftrainer Petrik Sander erst seit wenigen Tagen dabei ist, sein Team kennen zu lernen, kennt die Aalener Mannschaft keiner besser als der Stuttgarter Trainer. Immerhin hat Edgar Schmitt die Rohrwang-Elf in den vergangenen eineinhalb Jahren bis zu seiner Entlassung am 27. August unter seinen Fittichen gehabt. Er müsste also in der Lage sein, seine Mannschaft punktgenau auf jeden einzelnen VfR-Spieler, dessen Stärken und Schwächen, einstellen zu können. Prekärer hätte sich die Situation für Petrik Sander zum Einstand in Aalen nicht darstellen können.
„Das kann man als Außenstehender so sehen“, sagt Sander, der den Stuttgartern deshalb dennoch nicht die Favoritenrolle überlassen will. „Wir gehen in diese Partie gehen um zu gewinnen“, nennt der neue Aalener Chefcoach (der am 22. September 2007 bei der 1:2-Niederlage beim Bundesligisten SC Cottbus letztmals auf der Bank saß) seine klare Zielsetzung für den Derbyschlager am Samstag.
Positive Energie
Er selbst freue sich, nach einem Jahr Pause „endlich wieder die Spannung zu fühlen, wenn es ins Stadion geht. Das ist eine tolle Sache. Ich versuche, das in positive Energie umzuwandeln und sie an die Spieler weiterzugeben.“
Seit Dienstag hat er die VfR-Kicker unter seinen Fittichen. „Wir haben in den vergangenen Tagen konzentriert und viel im taktischen Bereich gearbeitet, soweit das eben möglich war auf diesen widrigen Platzverhältnissen“, sagt Sander. Er ist zuversichtlich, dass er für Samstag eine Mannschaftskonstellation zusammenstellen kann, die gegen die Kickers erfolgreich sein kann. Der Druck ist groß. Deshalb entscheide neben der individuellen Fitness auch die mentale Stärke des einen oder anderen Spielers über seine Nominierung.
Eines allerdings steht fest: Moses Sichone wird am Samstag fehlen. Nach seiner gelb-roten Karte, die sich Sichone in Paderborn in der letzten Spielminute unnötiger Weise abgeholt hat, muss der VfR-Innenverteidiger ein Spiel pausieren und auf der Tribüne Platz nehmen. Für ihn soll entweder Michael Stickel aus dem defensiven Mittelfeld wieder in die Vierer-Abwehr-Kette rücken oder Pascal Bader wieder ins Team zurückkehren.
Aufbruchstimmung erzeugen
Und wie sieht es im Sturm aus? Wird die Mannschaft wieder mehr Offensivgeist zeigen, und wird dies am Spielsystem sichtbar werden? „Ich kann auch mit drei Stürmern defensiv spielen“, antwortet Sander und erklärt, dass das Spielsystem nicht allein für eine offensive oder defensive Spielweise steht. In Bezug auf das Spiel gegen die Kickers konkretisiert er deshalb: „Wir haben ein Heimspiel. Da muss man nach vorne spielen.“ Was Petrik Sander vor allem will, ist, die Zuschauer zu begeistern. „Alle Zuschauer, die am Samstag da sind, müssen in zwei Wochen wieder kommen – außer denen aus Stuttgart. Auch das muss unser Ziel sein. Wir müssen eine Aufbruchstimmung erzeugen und das Potenzial wecken, das in dieser Region vorhanden ist.“ Dass das eng mit dem sportlichen Erfolg verbunden ist, ist ihm klar.
Und noch eines weiß der ehemalige Cottbuser Goalgetter: Es ist auch für die Spieler nicht einfach, innerhalb von drei Monaten unter drei verschiedenen Trainern zu arbeiten. „Dass das schwierig ist, kann ich nachvollziehen“, sagt Sander. „Aber das darf nicht so weit führen, dass das ein Alibi für die Spieler wird.“
VfR Aalen: Linse – Schöckel, Stickel, Alder, Stegmayer – Haller, Hofmann, Mayer, Andersen – Sailer, Shynder.
Schwäbische Post