Fußball und olympischer Sport, Ausgabe 29/1913 vom 09.04.1913
Nach vielen, mühseligen Kämpfen ist es den Kickers nun glücklich doch gelungen, sich zur Süddeutschen Meisterschaft durchzuringen. 21 Verbandsspiele hatten sie diesmal zu absolvieren, mit wechselndem Glück operierten sie auf dem Spielfeld, Siege und Niederlagen wechselten miteinander ab, aber die Mannschaft schlug sich wacker durch und hat die schwere Prüfung erfolgreich überstanden. Mit bewunderswürdigem Eifer focht die Elf sämtliche Spiele aus; zu Anfang wenig von Glück begünstigt, spielten sie unverdrossen weiter, oft sahen sie die Meisterschaft in die Ferne gerückt, doch das gute Können der nie ganz versagenden Mannschaft, blieb Sieger und knapp, wie sie die Südkreismeisterschaft erzielten, wurden sie auch Süddeutscher Meister. Die Zeiten, wo der Südkreismeister die Südd. Meisterschaft überlegen gewinnen konnte, sind endgültig vorbei. Bei dem gleichwertigen Können der anderen Kreismeister kann sich eben jetzt der Sieger nur noch ganz knapp in Vorsprung bringen. Die diesmaligen Gegner des Südkreises: Fürth, Frankfurt und Mannheim stellen Mannschaften ins Feld, die selbst der besten Südkreisklasse vollkommen ebenbürtig sind. Unter diesen Umständen wird man die Leistung der Kickerself, welche dem Südkreis die Südd. Meisterschaft nochmals erhalten konnte, besser zu würdigen verstehen, denn es ist sehr fraglich, ob ein anderer Klub den Titel ebenso erfolgreich verteidigt hätte, wie gerade die Kickers.
Im großen Ganzen blieben die Leistungen der genannten Mannschaft in dem letzten Spiel ziemlich zurück gegen die des Ostersonntags. Die Stürmer gingen zwar wieder ziemlich temperamentvoll ins Treffen und wußten den Gegner in der 1. Hälfte fast vollständig zu beschäftigen, aber die Spieler waren doch ziemlich aufgeregt und vergaben dadurch manche Chance, die sie schon besser auszunützen verstanden. Immerhin glückte ihnen ein Treffer Auch die zweite Hälfte begann vielversprechend, bis zu dem Moment, wo sie Metzger in die Läuferreihe zurückzogen; damit war dem Tatendrang der Stürmer so ziemlich ein Ende gesetzt; Frankfurt übernahm dann das Kommando und blieb auch fast bis zum Schluß im Vorteil. Kickers verloren nun ihre Ruhe und wurden immer mehr unsicher, die sonst so brillante Läuferreihe versagte im entscheidenden Moment und erleichterte dem Gegneer das Spiel; einzig die sichere Arbeit der beiden Verteidiger hielt den anstürmenden Gegner im Schach und verteidigte das Tor heldenmütig.
Schmidt hatte, obwohl das Spiel lange Zeit vor seinem Tor war, verhältnismäßig wenig zu tun, denn die Frankfurter Stürmer schossen wenig und meistens unplaziert; nur einmal konnte er seine Klasse beweisen und rettete auch hervorragend. Die Verteidigung Rüdinger und Kretzdorn wurde ihrer Aufgabe vollauf gerecht, beide waren in guter Form und lediglich ihrem vorzüglichen Spiel war es zuzuschreiben, daß das Kickerstor intakt blieb. Die Läuferreihe gefiel diesmal nicht besonders; in der 1. Hälfte blieben sie zwar wenig schuldig, waren aber nachher um so unsicherer. Bürkle gefiel noch am besten, obwohl er seinem Flügel nicht immer die nötige Aufmerksamkeit schenkte. Schäfer, der in der 1. Hälfte genügte, war nachher dem Frankfurter Innensturm nicht mehr ganz gewachsen, sein Spiel erweckte den Eindruck, als ob er sich von seiner Verletzung noch nicht ganz erholt hätte; in ein solch wichtiges Spiel gehören aber nur gesunde Spieler. Auch Kreb’s brillante Technik wurde durch schwache Momente öfters ungünstig beeinflußt, was eben diesmal doppelt unangenehm war, denn gerade von diesem Spieler hätte man erwarten können, daß er in einem solch wichtigen Spiel seinen Mann voll und ganz stellt. Hoffentlich bleibt dieses Versagen, der sonst so hervorragenden Läuferreihe, das einzige in ihren diesmaligen Meisterschaftsspielen.
Die Stürmer fanden sich nicht so gut wie an Ostern, die Wichtigkeit des Spieles war allen in die Glieder gefahren. Löble, wie immer gut gedeckt, war manchmal etwas unentschlossen und ließ es besonders am genauen Schuß fehlen, wodurch ein sicherer Treffer verscherzt wurde. Häußler spielte auch unter seiner sonstigen Form, dagegen waren die beiden Außenstürmer Brutschin und Heilig ihrer Aufgabe gewachsen. Brutschin wurde namentlich in der 2. Hälfte durch feine Flankenbälle sehr gefährlich, während Heilig, der das entscheidende Tor schoß, durch schnelle Läufe auffiel, dagegen gelang es ihm weniger, im richtigen Moment zu zentern. Metzger, der im Sturm genügte, nützte nachher in der Läuferreihe nicht viel; jedenfalls wäre es für die ganze Mannschaft günstiger gewesen, wenn jener im Sturm geblieben wäre. Die ganze Reihe wurde durch sein Fehlen zusammenhaltlos und ermöglichte dadurch eine Überlegenheit des Gegners, die den Kickers event. doch zum Verhängnis hätte werden können. Die Erregung der Spieler war ja schon einigermaßen verständlich, denn ein einziges Tor des Gegners genügte, um der diesmal wieder so nahe gerückten Meisterschaft noch verlustig zu gehen und es war ja vom rein menschlichen Standpunkt aus sehr begreiflich, daß sie ihr Hauptaugenmerk darauf legten, den Vorsprung und damit die Meisterschaft zu halten und deshalb die Deckung verstärkten, trotzdem wäre es nicht zu empfehlen diese Taktik beizubehalten, denn sie hat sich doch im großen Ganzen sehr wenig als zweckerfüllend erwiesen.
Mr. Griffiths, der Trainer der siegreichen Elf, kann mit Stolz auf die ihm anvertraute Mannschaft blicken, sie hat ihre Pflicht voll und ganz getan; mit Genugtuung konnte er konstatieren, daß all seine Mühe und Sorge während den vielen Spielen nicht umsonst war, denn auch für ihn bedeutet die Siegeslaufbahn der Kickers ein voller Erfolg. — Es mag ja viele geben, die eine andere Mannschaft lieber als Sieger gesehen hätten, aber die Kickerself hat sich doch als die zuverlässigste erwiesen und es ist anzunehmen, daß diese, eingedenk der Ehre Süddeutsch-lands, ihr bestes geben wird, um auch in den Endspielen günstig abzuschneiden.
Der Nordkreismeister „Frankfurter Fußballverein“ übertraf um ein gutes Stück die in ihn gesetzten Erwartungen. Keine Mannschaft hinterließ hier einen solch vorzüglichen Eindruck wie gerade die Frankfurter Elf. Selbst Fürth, das unter günstigen Umständen einen Sieg erzielen konnte, gefiel in allen Teilen nicht so gut wie der Nordkreismeister. Mit erstaunlicher Energie und Ausdauer hielt die Elf das ganze Spiel durch. Zuerst fast durchweg auf die Verteidigung angewiesen, kamen sie später immermehr in Schwung und hatten in der 2. Hälfte das Spiel größtenteils in der Hand. Daß sie trotzdem erfolglos blieben, war dem etwas mangelnden Schußvermögen der Stürmer zuzuschreiben; ein Übel, das aber so ziemlich jeder Mannschaft anhaftet. Bei etwas besserer Ausnützung der Chancen wäre der verdiente Ausgleich sicher nicht ausgeblieben. Die Mannschaft muß sich nun mit dem 2. Platz vor Mannheim und Fürth begnügen, nimmt aber diese Stelle mit vollem Recht ein, denn die Elf verfügt über ein Können, das wirklich alle Hochachtung verdient.
Die Frankfurter spielten im Gegensatz zu den Kickers etwas ruhiger; allerdings lag bei ihnen der Fall auch ganz anders, für sie galt es unbedingt den Ausgleich herzustellen und schon der Wille dazu brachte sie in Vorteil über ihren Gegner, der ängstlich darauf bedacht sein mußte, den Vorsprung zu halten. Dadurch wird auch ihre Überlegenheit in der 2. Hälfte erklärlicher; daß ihre viele Bemühungen erfolglos blieben, ist, wie schon erwähnt, auf die Schußunsicherheit der Stürmer zurückzuführen; in der 1. Hälfte kamen sie einmal ziemlich nah ans Kickerstor, aber die Stürmer waren dann zu aufgeregt um einen korrekten Schuß abzugeben.
Auch die Aufstellung der Stürmer war nicht ganz vorteilhaft. In der Mitte sah man einen alten Bekannten: Schwarze, das verdienstvolle, frühere Mitglied des KfV, der nebenbei bemerkt, in dieser Saison nicht weniger wie siebenmal auf Stuttgarter Boden spielte. Dieser versuchte, allerdings mit nur wenig Erfolg, den ihm angewiesenen Platz eines Mittelstürmers auszufüllen, später ging er dann auf den Flügel und Leising nahm dessen Platz ein, was sich auch als vorteilhaft erwies. Hätte die Mannschaft in dieser Umstellung das Treffen ganz durchgeführt, so wären sie dem Stuttgarter Tor jedenfalls gefährlicher geworden. Leising ist der talentierteste von der ganzen Reihe und gefiel sowohl auf dem Flügel als auch in der Mitte durch gute Ballbehandlung und geschicktes Umspielen. Die andern beiden Innenstürmer Dornbusch und Köllisch verstanden sich weniger zur Geltung zu bringen; von Köllisch sah man fast gar keinen Schuß, während Dornbusch, der einigemal gut vorkam, den Ball meistens weit neben das Tor setzte. Burkhard ist ein sehr flinker Außenstürmer, der schön Platz hielt, aber auch er verstand es selten, den Ball im richtigen Moment zur Mitte zu geben. Schwarze konnte sich, trotz sichtlicher Bemühung, mit seinen Nebenleuten nicht zusammenfinden und konnte man nicht gerade sagen, daß die Einstellung dieses sonst talentvollen Spielers in die ihm wenigstens jetzt noch fremde Mannschaft, von Vorteil war.
Die Hintermannschaft hielt sich vorzüglich und wurde ihrer Aufgabe vollkommen gerecht. In der 1. Hälfte hatten sie zwar einige schwache Momente, ließen aber nachher an Sicherheit nichts zu wünschen übrig. In besonders feiner Form befand sich der Mittelläufer Jockel, dessen schnelles Spiel verbunden mit eleganter Ballbehandlung besonders gut gefiel, ebenso war Braun seinem Posten gewachsen und ersetzte die manchmal etwas fehlende Technik durch eifriges Spiel, während Becker nicht besonders auffiel. Die Verteidiger Claus und Pfeiffer waren in brillanter Form. An dem ruhigen, sicheren Spiel dieser beiden Leute endeten viel Angriffe der Kickersstürmer, beide verfügen über einen schönen, flachen Stoß und waren auch sehr gewandt im Ballabnehmen. Gmelin war ein sehr geschickter Torwächter, er hatte bedeutend mehr zu tun, als sein Gegenüber und entledigte sich seiner Aufgabe stets in hervorragender Weise. Nur ein einzigesmal versagte er, und es ist gewiß sehr schmerzlich für ihn, daß gerade dieser schwache Moment seiner Mannschaft die Meisterschaft kostete. — Nochmals soll betont werden, daß diese sympathische Elf einen hervorragenden Eindruck in Stuttgart hinterließ und daß sie über ein Können verfügt, auf das der Nordkreis nur stolz sein kann.
Schiedsrichter Kehm, München, der schon manchen Kampf auf Stuttgarter Boden leitete, führte auch dieses Spiel völlig einwandfrei durch; seine korrekten, unparteiischen Entscheidungen haben ihm in Stuttgart schnell beliebt gemacht.
Das Publikum verhielt sich im allgemeinen sehr gut, die beiderseitigen Leistungen wurden entsprechend gewürdigt und an dem Kampf regen Anteil genommen. Selbst die schwere Zeit für die einheimische Mannschaft überstand das Publikum gut, um noch in unbeschreiblichem Jubel ihren Gefühlen über den Sieg hires Lieblings Ausdruck zu geben und mit Recht können die Schwaben heute sagen:
Der Südkreismeister hat seine Schuldigkeit getan.
Der Süddeutsche Meister wird sie auch tun!