Presse zu Stuttgarter Kickers – FC Bayern München 0:10 (0:1)

0:10 – eine Lehrstunde für die Kickers
Testspiel Der Regionalligist hält gegen Bayern nur eine Stunde mit. Von Joachim Klumpp

Der neue Präsident der Stuttgarter Kickers ist mit gutem Beispiel vorangegangen. „Ich kaufe meine Karten immer selbst“, sagt Edgar Kurz. Und weil das am Ende 10 899 Zuschauer im Gazi-Stadion getan haben, blieben für den Fußball-Regionalligisten gestern unterm Strich mindestens 100 000 Euro hängen, vielleicht sogar noch etwas mehr. „Da müssen wir einmal die Abrechnung abwarten“, so Kurz. Womit der Sinn und Zweck des Freundschaftsspiels gegen Bayern München im Rahmen des ADM-Gedenkjahres erfüllt war: den Kickers einen Teil des Etats und somit auch die Lizenz zu sichern.

Sportlich wollte die Mannschaft ihren Part „zu einem großen Fußballfest beitragen“, wie es der Trainer Dirk Schuster ausgedrückt hatte. Das gelang – zumindest zum Teil. Oder anders ausgedrückt: knapp eine Stunde, so lange die Kraft eben reichte. Da hielten die Kickers lange Zeit den 0:1-Rückstand, den Mario Gomez nach einer Viertelstunde erköpft hatte. „Und da haben wir auch zwei Chancen zugelassen“, wie der Bayern-Trainer Louis van Gaal zugab. Einmal durch Dirk Prediger, einmal durch einen Kopfball von Dominik Salz.

Doch nach dem zweiten Bayern-Treffer durch Ivica Olic (58.) ging es Schlag auf Schlag: Noch zweimal Olic, die eingewechselten Müller (3), Altintop und Görlitz schraubten das Ergebnis in zweistellige Höhen, so dass Dirk Schuster zugeben musste: „Am Ende haben wir eine Lehrstunde erhalten.“ 0:10 verliert keine Mannschaft gerne, das weiß auch der Präsident, der deshalb in der Kabine aufmunternde Worte fand: „Man muss wissen gegen wen man so verliert“, sagte er zu den Spielern. Selbst wenn beim Gegner sieben Stammkräfte – darunter Ribéry, Toni, Klose oder Schweinsteiger – fehlten, wollten die Spieler ihrem neuen Trainer doch beweisen, was in ihnen steckt. „Tore sind immer wichtig, selbst gegen unterklassige Gegner“, sagte Mario Gomez nach seinen 90 Minuten.

Zudem darf man nicht vergessen, dass auch die Kickers mit Verletzungssorgen ins Spiel gegangen sind. Der Stürmer Tunjic fehlte ebenso mit Knieproblemen wie Franco Petruso, so dass bei beiden sogar noch ein operativer Eingriff droht – und die beiden Nachwuchsleute Philip Türpitz und Andreas Wonschick zu ihrem Einsatz kamen. Den sie wahrscheinlich nie vergessen werden, auch wenn sich Dirk Schuster von seinem Kollegen mit den Worten verabschiedete: „Ich hoffe, man sieht sich irgendwann wieder.“

Stuttgarter Kickers Wagner (64. Becker) – Abruscia (64. Wonschick), Köpf, Rapp, Gerster – Steinle, Rizzi (46. Türpitz), Marchese (46. Jung), Ivanusa – Salz (46. Grujicic), Prediger.

Bayern München Butt (46. Rensing) – Lell, Demichelis (46. Ottl), Badstuber (46. Breno), Lahm – van Bommel – Sosa (46. Altintop), Baumjohann (52. Müller), Pranjic (46. Görlitz) – Gomez, Olic.

Tore 0:1 Gomez (15.), 0:2 Olic (58.), 0:3 Müller (60.), 0:4 Altintop (62.), 0:5 Olic (68.), 0:6 Görlitz (72.), 0:7 Müller (78.), 0:8 Müller (82.), 0:9 Olic (84.), 0:10 Gomez (87.).

Zuschauer 10 899 (ausverkauft).

Stuttgarter Zeitung

Der Star mit den guten Manieren
Fußball Mario Gomez kommt beim FC Bayern mit seiner unaufgeregten Art gut an.

Mario Gomez lässt Andreas Görlitz den Vortritt, als beide zum Pressegespräch kommen. Dann spricht er höflich und ruhig, beantwortet auch für ihn lästige Fragen zu Spätzle und Stuttgart zuvorkommend. Bei Bayern Münchens bisher teuerstem Spieler ist im Trainingslager in Donaueschingen sofort seine gute Kinderstube zu spüren. Schon jetzt ist der 24 Jahre alte Nationalstürmer ein Star, allein wegen der bis zu 35 Millionen Euro, die der deutsche Fußball-Rekordmeister für den ehemaligen VfB-Profi lockergemacht hat. Doch von Allüren keine Spur.

„Es macht mir viel Spaß. Und es ist ja auch nicht schwer, dass es einem hier gefällt“, sagt Mario Gomez über seinen neuen Verein. Einen Vertrag bis zum 30. Juni 2013 hat er unterschrieben. In den nächsten vier Jahren will Gomez reifen, Titel sammeln, „vielleicht auch mal die Champions League gewinnen“.

Wie der Mannschaftsfriede trotz des enormen Konkurrenzkampfes gerade im Sturm mit Miroslav Klose, Luca Toni und Ivica Olic gewahrt werden soll, ist für Gomez klar: „Wir haben gemeinsame Ziele. Wenn jeder sein eigenes Ding macht, werden wir nicht erfolgreich sein.“ Gestern Abend im Testspiel bei den Kickers (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet) in seiner Heimat Stuttgart wollte sich Gomez mit seinen Sturmkollegen eigentlich einspielen. Doch die angeschlagenen Klose und Toni mussten geschont werden. Zumindest ein weiterer Vorteil in eigener Sache für Mario Gomez, ohnehin Stürmer Nummer eins. Selbstbewusst hat er bereits angekündigt: „Ich werde hier nicht scheitern.“

Uli Hoeneß, der bereits im vergangenen Sommer versucht hatte, Gomez loszueisen, gefällt dieses wohlerzogene und zugleich entschlossene Auftreten. „Mario macht einen relaxten Eindruck“, stellte der Manager zuletzt fest. Und auch die Angestellten des Clubs berichten, der Schwabe verhalte sich immer korrekt. Im Haifischbecken Bayern mit all den Stars durchaus erwähnenswert. Von der Rekordablöse hat sich Gomez jedenfalls nicht blenden gelassen.

Das sei eben die Bedingung des VfB gewesen, sagt er achselzuckend. Zu Bayern München zu wechseln war für ihn ein „logischer Schritt, weil es in Deutschland der beste Verein ist und in Europa einer der besten. Hier ist alles ein Stück schöner, größer und besser.“ Mehr noch: „Bayern ist ein Weltclub.“ Freundliche Sätze sind das, Gomez weiß eben, was sich gehört.

Als er ganz neu in München war, hat er sich noch auf Vergleiche mit dem VfB eingelassen, bei dem er groß geworden ist und für den er in den vergangenen drei Spielzeiten stets mehr als 20 Bundesliga-Tore erzielt hatte. Zuletzt waren es 24. Mittlerweile sagt er: „Ich will nicht immer vergleichen. Die Zeit beim VfB ist für mich vorbei, es war eine schöne Zeit, aber jetzt schaue ich nach vorne.“ Sportlich seien die Bayern für ihn „der nächste Schritt, ein neuer Abschnitt“. Das ist auch nett formuliert, im Kern aber eine Botschaft mit Konfliktpotenzial. Denn München soll nicht seine letzte Station sein. Der FC Barcelona ist das Traumziel für den Spaniendeutsche.

Bei den Bayern wissen sie das. Gomez hat ohnehin nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er irgendwann im Ausland spielen will. Sollte er seine beeindruckende Torquote halten, könnten die europäischen Topclubs allerdings viel früher anklopfen.

Was in solchen Fällen passiert, bekommt Gomez gerade beim Wechseltheater um Franck Ribéry vorgeführt. Das wochenlange Buhlen von Real Madrid um den Mittelfeldspieler sei nachvollziebar, sagt er, schließlich sei der Franzose „ein Weltklassespieler“. Mario Gomez war rund zehn Millionen Euro teurer als Ribéry. Dann verabschiedet er sich, sagt im Vorbeigehen zu einem Hotelgast im Öschberghof noch einmal freundlich „Tschüss“. SID

Stuttgarter Zeitung

RUND UM DAS SPIEL
Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 22.07.2009

Bashiru Gambo Der Ghanaer stand gestern nicht im Aufgebot der Kickers, weil er ein Probetraining beim Drittligisten Erzgebirge Aue absolviert. Die Einstellung des Vereins ist klar: „Wir würden ihm keine Steine in den Weg legen“, sagt der Präsident Edgar Kurz – zumal bei einem Wechsel der Etat des Regionalligisten spürbar entlastet würde.

DSF Der TV-Spartensender hat die Partie gestern Abend live übertragen. Allerdings mussten die Kickers dafür die Produktionskosten tragen, die zwischen 10 000 und 15 000 Euro betrugen. Der Geschäftsführer Jens Zimmermann sagte dazu : „Die hat aber glücklicherweise ein neuer Sponsor des Vereins übernommen – die Firma Xerox.“

ADM Das Spiel fand im Rahmen des Gedenkjahres für den Ehrenpräsidenten Axel Dünnwald-Metzler statt. Dessen Gattin fehlte allerdings auf der Tribüne. Dafür weilte unter den Ehrengästen der frühere VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, der mit Pfiffen begrüßt wurde. Im Gegensatz zum Bayern-Manager Uli Hoeneß, für den es Applaus gab. ump

Stuttgarter Zeitung

0:10 – Geldsegen bleibt Kickers als Trost

Regionalligist geht im Testspiel gegen Bayern München nach der Pause unter – erwirtschaftet aber einen Gewinn von rund 120000 Euro

Draußen feierten die Bayern-Fans nach dem Abpfiff Mario Gomez. Drinnen tröstete Edgar Kurz in der Kabine die Spieler der Blauen. „Alles hat bei diesem Fußballfest gepasst – bis auf das Ergebnis“, sagte der Präsident der Stuttgarter Kickers nach dem 0:10 (0:1) im Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern.

Von Jürgen Frey

Lichtblick erste Halbzeit: Vor der Pause rieben sich die Kickers-Fans verwundert die Augen. In der vergangenen Drittliga-Saison hatten die Spieler den Ball meist planlos nach vorne gedroschen, gestern versuchte die neu formierte Mannschaft in den ersten 45 Minuten zumindest zu kombinieren. „Wir haben mit enormem Aufwand sehr ordentlich gespielt“, lobte Kickers-Trainer Dirk Schuster. Der Lohn: Mehr als ein Tor von Mario Gomez ließ sein Team nicht zu.

Einbruch nach der Pause: Konfusion pur in Halbzeit zwei bei den Blauen. Die Bayern nutzten die Breite des Spielfelds, spielten sich locker den Ball zu und trafen noch neunmal. „Das war die perfekte Lehrstunde“, musste Schuster eingestehen. Und Präsident Kurz ergänzte: „Ich musste die Jungs trösten. Denn nicht mal in der Jugend verliert man gerne mit 0:10.“

Strenger Coach: Bayern-Trainer Louis van Gaal eilt der Ruf voraus, ein besonders strenger Coach zu sein – er wird General genannt. Und als hätte es noch eines Beweises bedurft, sagte der Niederländer nach dem stimmungsvollen Fußballabend im Gazistadion: „Ich bin nicht so ganz zufrieden. Wir müssen künftig mit einem höheren Tempo spielen. Gegen einen Viertligisten reicht das, aber auf uns warten stärkere Gegner.“

Warmer Regen: Die Einnahmen aus dem Bayern-Spiel hatten die Kickers laut Präsidiumsmitglied Dieter Wahl mit sieben Prozent ihres Gesamtetats veranschlagt. Bei einem 1,6-Millionen-Etat wären das 112 000 Euro. Durch das mit 10 899 Zuschauern ausverkaufte Stadion und die Live-Übertragung im DSF dürfte sich der Gewinn auf rund 120 000 Euro belaufen.

Gomez lobt: „Die Kickers haben anfangs Vollgas gegeben. Dann ließ die Kraft nach“, sagte der Ex-VfB-Stürmer. Was er schade fand: Er durfte nach dem Spiel nicht zu seinem Lieblingsitaliener – es ging direkt zurück ins Trainingslager nach Donaueschingen.

Akribische Vorbereitung: Nach einer Trainingseinheit am Vormittag war der Bayern-Tross Richtung Stuttgart aufgebrochen und quartierte sich im Waldhotel ein.

Kein Risiko: Bei den Bayern fehlten die angeschlagenen Franck Ribéry, Luca Toni, Miroslav Klose, Anatoli Timoschtschuk, Edson Braafheid und Tim Borowski. Auch Bastian Schweinsteiger und Daniel van Buyten mussten wegen Trainingsrückstands noch pausieren.

Knappe Sache: Beim letzten Aufeinandertreffen mit den Bayern-Profis hatten die Blauen im Juni 2003 nur mit 2:3 verloren. Damals waren zu dem Testspiel allerdings nur 5100 Fans nach Degerloch gekommen.

Nächster Höhepunkt: Am 8. August (20 Uhr) geht im Theaterhaus für Kickers- und andere Fußballfans eine Show über die Bühne. Unter dem Motto „Hurra, wir kicken noch“ sind u. a. im Aufgebot Joe Bauer, Michael Gaedt und Michael Schulig mit Band, Nu Sports und Timo Brunke. Karten unter Telefon 07 11 / 4 02 07 20.

Stuttgarter Nachrichten

Hannawald genießt die Stimmung
Bei Kickers gegen Bayern zeigt Mayer-Vorfelder ein blaues Herz

STUTTGART (sli). Weißes Shirt, zerrissene Jeans, blond gefärbte Haare: Sven Hannawald (34), einstiger Überflieger im Skisprungzirkus, ließ sich das torreiche Fußballfest unterm Fernsehturm nicht entgehen. Der Mannschafts-Olympiasieger genoss die Atmosphäre bei seinem ersten Besuch auf der Waldau sichtlich. „Die Stimmung hier gefällt mir“, sagte Hannawald, der ohne Freundin angereist war. Marie-Therese musste wegen ihres Studiums zu Hause in München bleiben. Zehn schöne Tore – allerdings allesamt für die Bayern – bekam der ehemalige König der Lüfte zu sehen. „Die Kickers haben sich zu sehr einlullen lassen, und das haben die Bayern eiskalt ausgenutzt“, analysierte Hannawald, der selbst als Stürmer für den TSV Burgau aufläuft.

Direkt hinter Bayern-Manager Uli Hoeneß saß Ex-VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder mit Sohn Michael. „Nur am Anfang haben die Bayern nicht volle Pulle gespielt. Aber viel wichtiger ist, dass die Kickers so bald wie möglich wieder aufsteigen“, sagte MV und zeigte ein blaues Herz.

Klaus Renz kam diesmal nicht mit Fallschirm, sondern mit dem Motorrad. „Als Kickers-Fan muss man hier dabei sein“, sagte der Weltmeister aus Möhringen.

Stuttgarter Nachrichten

Ein bisschen Bundesliga
21. Juni 2009, 18.30 Uhr. Sitzprobe in der Unterwelt des deutschen Fußballs. Die Kickers feiern ihren 110. Geburtstag in der vierten Liga. So weit unten war der Club noch nie. Degerloch tiefer gelegt, eine Frage der Gewohnheit.

Ich betrachte die Dinge diesmal ausnahmsweise von oben. Auf der Kickers-Tribüne bin ich zum letzten Mal vor zehn Jahren gesessen, beim 3:1 im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund, damals Spitzenreiter der ersten Liga. Der Blick auf die Baumwipfel über dem B-Block der Stehtribüne, meinem Stammplatz, ist so gut wie einst, die Waldau noch immer ein Natur-Ereignis. Doch die Kulisse verdeckt die Sicht nach vorn. Im Verein wird zu viel über Tradition gefaselt, zu oft die „Marke Kickers“ beschworen, die Realität auf der vierten Etage des Fahrstuhls nach unten verkannt.

Die Bude dennoch ausverkauft, der Club am Leben. Wichtigste Erkenntnis: Die Kickers machen sogar gegen die Bayern den Laden voll. München atmet auf.

Wir haben einen heißen Abend erwischt, den ersten Sommertag im Juli. Vereinzelt weiße Wolken überm Fernsehturm, die neuen blauen Trikots, im Design langweiliger als die alten, kommen so besser zur Geltung. Die Bayern in roter Arbeitskleidung, ihr Trainer Louis van Gaal hat die großen Stars auf den Rasen geschickt. Auch der Manager Uli Hoeneß ist präsent. Hut ab. Wenn ein Mann den Kickers hilft, darf er sich Sportsmann nennen.

Etwas schade für uns Liga-vier-Einsteiger, dass die größte Waldau-Show der Saison vor dem ersten Pflichtspiel steigt. Das Fernsehen ist da, der sonst unsichtbare Sponsor aus der Frischkäsebranche führt den Anstoß aus, und im C-Block hängt ein Transparent mit der Aufschrift „Jesus“. So nah wird uns der Himmel nie mehr sein. In drei Wochen spielen wir gegen Wehen II.

Auf der Tribüne kann ich den Musiker und treuen Fan Erwin Lehn mit seinem Sommerhütchen erkennen. Unser Ansager hat ihn vor Spielbeginn als „Kompositeur“ und „Erfinder“ der 35 Jahre alten Kickers-Hymne vorgestellt. An diesem Freitag wird der 90-jährige Bandleader beim Festival Jazz Open in der Stuttgarter Messe mit einer langen Nacht geehrt werden. Jazzstars wie McCoy Tyner und Bill Frisell, Wolfgang Dauner und Helen Schneider musizieren ihm zu Ehren.

Sollten ähnliche Kaliber eines Tages auf unserem Rasen spielen, werden wir die Hauskonzerte der Degerlocher Fußball-Schrammler vergessen haben.

Was sage ich da. Die Regionalliga-Blauen, fast alle neu, unbekannt und erschreckend jung, wehren sich eine Zeit lang wie Männer. Zur Halbzeit führen die Bayern 1:0. Torschütze Gomez, früher VfB. Wer sonst. Rote halten überall zusammen. Der Benefizspiel-Gast Mayer-Vorfelder allerdings wird ausgepfiffen, auch von den Bayern-Fans. MV liebt Pfiffe. Jede andere Reaktion der Fans hieße Imageverlust.

Eine halbe Stunde vor Schluss beginnen die Bayern, sich etwas merkwürdig zu benehmen: Sie spielen uns Bundesliga vor, als hätten wir zu Hause keinen Fernseher. Als sie 10:0 führen, geht die Sonne hinter den Wipfeln unter, und Uli Hoeneß ist bereits in den Katakomben verschwunden.

Es wird Zeit, die Tribüne für immer zu verlassen. Noch ist alles offen in der Unterwelt. Und Wehen II gewarnt. Für zehn Einschüsse wird irgendeiner büßen müssen.

Stuttgarter Nachrichten

Schützenfest vor starker Kulisse
Die Stuttgarter Kickers unterliegen dem FC Bayern mit 0:10 – Gomez trifft doppelt

Stuttgart – Es wurde das erhoffte Fußball-Fest: Regionalligist Stuttgarter Kickers musste im Freundschaftsspiel gegen das B-Starensemble von Bundesligist FC Bayern München zwar eine 0:10 (0:1)-Niederlage einstecken, doch der Stimmung im ausverkauften Rund tat dies keinen Abbruch.

Von Beate Wockenfuß

„Das war eine Lehrstunde für alle Spieler von uns“, sagte Kickers-Trainer Dirk Schuster und fügte mit einem Augenzwinkern in Richtung Bayern-Coach Louis van Gaal hinzu: „Ich hoffe, man sieht sich irgendwann wieder.“So ein Andrang war auf der Waldau schon lange nicht mehr zu erleben und wird wohl auch so schnell nicht mehr der Fall sein. Ein ausverkauftes Gazi-Stadion gab es zuletzt am 25. Oktober 2007 beim DFB-Pokalspiel der „Blauen“ gegen Hertha BSC (0:2). Diesmal waren alle 10 899 Karten sogar schon im Vorfeld weg. Schließlich hatte sich der deutsche Rekordmeister angesagt, dem die Kickers vor 14 Jahren im DFB-Pokal zum vorerst letzten Mal gegenüberstanden und mit 0:1 unterlagen. Torreicher war die gestrige Partie, die im Rahmen des Gedenkjahres an den im Jahr 2004 verstorbenen Kickers-Ehrenpräsidenten Axel Dünnwald-Metzler ausgetragen wurde. Die Bayern verzichteten gleich auf acht Spieler. Angeschlagen fehlten Franck Ribéry, Luca Toni, Miroslav Klose, Anatoli Timoschtschuk, Edson Braafheid und Tim Borowski. Zudem pausierten Bastian Schweinsteiger und Daniel van Buyten. Damit wurde dem neuen Coach bei der Aufstellung die Qual der Wahl erheblich erleichtert – und Mario Gomez hatte seinen Stammplatz zumindest auf dem Rasen des Gazi-Stadions sicher. Der ehemalige VfB-Stürmer nutzte die Gelegenheit bei seinem ersten Auftritt als Bayer in Stuttgart, um sich im Konkurrenzkampf mit seinen Sturmkollegen in den Fokus zu spielen. Er sorgte für das erste und letzte Tor beim Schützenfest (15./86.). Im wesentlich muntereren zweiten Abschnitt waren dann noch Ivica Olic (58./68./83.), Thomas Müller (60./77./81.), Hamit Altintop (62.) und Andreas Görlitz (72.) für den Rekordmeister erfolgreich. „Die Kickers wurden sehr müde“, sagte van Gaal. „Deshalb haben wir im zweiten Durchgang so oft getroffen.“Für Schuster und sein neu formiertes Team war es der erste Auftritt im heimischen Stadion. Gut zwei Wochen vor dem Saisonstart lieferte die Mannschaft einen ordentlichen Auftritt ab und hielt zumindest in der ersten Hälfte gut dagegen.Die Partie gegen die Bayern war für die Kickers nicht nur sportlich ein echtes Highlight, sondern auch finanziell lukrativ. Das Testspiel brachte gut 100 000 Euro in die klamme Kickers-Kasse. Das erste Regionalliga-Heimspiel steht am 14. August gegen den SV Wehen-Wiesbaden II an. Allerdings wird das Stadion dann wohl nicht ganz ausver-kauft sein.

Eßlinger Zeitung

Dominik Salz aus Neuhausen gegen die großen Bayern

Der Kerl ist nicht zu fassen. Dominik Salz steht in den Katakomben des Stuttgarter Gazi-Stadions und sagt Sätze, als ob er gerade ein x-beliebiges Fußball-Spiel hinter sich hat. „Wir haben in der ersten Halbzeit nur wenige Chancen zugelassen“, ist so ein klassisches Beispiel. Hallo? Ein bisschen höher darf der Euphorie-Pegel dann doch ausschlagen, oder?

Von Alexander Albrecht

Immerhin durfte Salz am Dienstagabend mit den Stuttgarter Kickers vor staatlicher Kulisse gegen die Bayern auflaufen – den mit Weltstars gespickten deutschen Rekordmeister. In der vergangenen Saison hat der schlaksige Stürmer noch das Trikot des SV Neuhausen getragen und es mit Calmbach oder Coschwa zu tun bekommen. Kreisliga. „Ich bin zur Halbzeit ausgewechselt worden, da hatte ich etwas Zeit, wieder runterzukommen“, begründet Salz seine erstaunliche Gelassenheit, während neben ihm gerade der Münchener Coach Louis van Gaal von Mikrofonen und Kameras umlagert wird.

Weltstar vor der Brust
„Das ist typisch für ihn. Außerhalb des Platzes ist Dominik ziemlich sachlich“, klärt Dietmar Dierlamm, Salz’ Ex-Trainer beim SV Neuhausen, auf. Auf dem Rasen sei er ein ganz anderer, ein „Fußballverrückter“, der immer leidenschaftlich kämpfe und keinen Ball verloren gäbe. Diese Einschätzung deckt sich mit seiner Leistung im Testspiel gegen die Bayern. Nur, dass Salz eben nicht viel bewegen kann. Kein Wunder, wenn man einen wie den argentinischen Nationalspieler Martin Demichelis als Gegenspieler hat. „Die Bayern-Abwehr hat uns ganz schön laufen lassen“, schnauft der kaum in Ballbesitz gekommene Salz.

Das Spiel ist eine echte Lehrstunde für die Stuttgarter Kickers. 0:10 heißt es am Ende, wobei die letzten neun Treffer alle im zweiten Durchgang fallen. Der noch bei den Eltern in Neuhausen wohnende Salz verfolgt das Münchener Schützenfest auf der Reservebank. „Schade, ich hätte gerne durchgespielt“, bedauert er. Doch Trainer Dirk Schuster war anderer Meinung und ließ Salz zur Halbzeit draußen. Was nicht heißt, dass er von den Fähigkeiten des 22-Jährigen nicht überzeugt ist. Im Gegenteil: „Dominik ist ein lernwilliger Junge, der zwar noch Schwächen im taktischen Bereich hat, aber seinen Weg machen wird“, so Schuster. Der Übungsleiter, dessen letzte Station vor den Kickers Alemannia Wilferdingen war, traut Salz sogar zu, in die Rolle des Torjägers bei den Blauen zu schlüpfen.

Dazu muss der ambitionierte Kicker („Ich will einen Stammplatz erkämpfen“) vor allem gesund bleiben. Vor zwei Jahren galt Dominik Salz als großes Talent und versuchte sein Glück beim 1. FC Pforzheim. Rückenprobleme durchkreuzten jedoch die Karriere im Brötzinger Tal. Nach der Durchgangsstation bei seinem Heimatverein SV Neuhausen will er es nun bei den drei Klasse höher spielenden Kickers wissen. Dominiks älterer Bruder Manuel stand in der vergangenen Saison im Tor der Schwaben. Dank glänzender Paraden rückte er in den Fokus des SC Freiburg. Der Bundesligist nahm den Keeper unter Vertrag. Ein gutes Omen? Nicht ganz. Manuel stieg mit den Kickers ab – Dominik will das zu verhindern wissen.

Pforzheimer Zeitung

Uli Hoeneß: „Wir brauchen Clubs wie die Kickers“

Bayern-Manager Uli Hoeneß vor dem Freundschaftsspiel bei den Blauen über Ribéry, Traditionsvereine und seine Erinnerungen an ADM

Der große FC Bayern hilft den kleinen Stuttgarter Kickers. Am kommenden Dienstag (18.30 Uhr/Gazistadion/live im DSF) beschert der deutsche Rekordmeister den Blauen eine Nettoeinnahme von rund 100 000 Euro. „Die Kickers können sich bei Jürgen Klinsmann dafür bedanken“, sagt Bayern-Manager Uli Hoeneß.

Von Jürgen Frey

Herr Hoeneß, dürfen wir zum Einstieg gleich mal Ihr Langzeitgedächtnis prüfen?

Nur zu.

Was war am 5. Oktober 1991?

Da haben wir gegen die Stuttgarter Kickers zu Hause verloren.

Respekt – und zwar mit 1:4. So eine Klatsche vergisst man nicht so einfach?

Unerwartete Ereignisse gibt es im Fußball immer wieder. Wir sind auch mal gegen den VfL Osnabrück im DFB-Pokal daheim ausgeschieden. Aber allzu oft verliert der FC Bayern vor eigenem Publikum nicht. Deshalb sind einem solche Spiele präsent.

Nun kommen Sie zum Freundschaftsspiel. Zu welchen Bedingungen eigentlich?

Wir können nicht überall umsonst spielen. Wir teilen uns die Zuschauereinnahmen, sämtliche Werbeeinnahmen fließen in die Kickers-Kasse.

Ohne die Einnahmen aus diesem Spiel hätten die Kickers wohl keine Lizenz bekommen. Mussten Sie lange überlegen, um zu helfen?

Es war schwierig, weil unser enger Terminkalender schon ein Problem ist. Ursprünglich wollten wir während unseres Trainingslagers in Donaueschingen kein Spiel machen . . .

. . . aber . . .

Unser Ex-Trainer Jürgen Klinsmann hat sich bei der Saisonplanung für das Spiel bei seinem ehemaligen Verein eingesetzt. Bei ihm können sich die Kickers bedanken.

Auch Sie waren dem Kickers-Ehrenpräsidenten Axel Dünnwald-Metzler, zu dessen Gedenken das Spiel stattfindet, eng verbunden.

Das war natürlich auch eine gewisse Verpflichtung für uns. Uns verband eine gute Freundschaft, wir haben in den Gremien des DFB immer gut zusammengearbeitet.

Wie haben Sie ADM in Erinnerung?

Als streitbaren Menschen, der aber immer den Kompromiss gesucht hat. Und er war ein gemütlicher, geselliger Typ, mit dem man viel Spaß haben konnte.

Inzwischen sind seine Kickers tief gesunken und in die Regionalliga abgestürzt.

Leider. Das Schlimme ist doch, dass viele Traditionsvereine große Schwierigkeiten haben. Und das ist schlecht für den Fußball, ja sogar dramatisch. Wir brauchen solche Clubs wie die Kickers.

Was machen diese Vereine falsch?

Ich bin nicht vor Ort und will nicht den Schlaumeier spielen. Aber grundsätzlich ist fehlende Kontinuität in der Führungsspitze immer ein gravierender Nachteil. Wir haben in München ja ein Beispiel vor der Haustür.

1860 tut sich schwer hinter den Bayern. Können zwei Clubs in einer Stadt bestehen?

In einer Großstadt wie München oder Stuttgart auf jeden Fall. Da ist mindestens ein Bundes- und ein Zweitligist möglich. Wenn man es geschickt anstellt, lässt sich mit einem schlüssigen Konzept im Windschatten des Großen viel bewegen.

Stichwort Großer: Was sagen Sie zur Stürmersuche des VfB?

Der VfB ist plötzlich in einer Situation, in der wir praktisch permanent sind. Nach den eingenommenen Gomez-Millionen heißt es überall: Der Krösus aus Stuttgart kommt. Das macht jeden Stürmer gleich drei, vier Millionen Euro teurer.

Bei Ihrem Superstar Franck Ribéry geht es um ganz andere Summen.

Um unvorstellbare Summen, deshalb kann ich ihn ja auch total verstehen, wenn er über Real Madrid nachdenkt.

Dennoch nervt das Theater. Wird er bleiben?

Ich bin sehr zuversichtlich. Derzeit sehe ich keine Gefahr am Horizont, dass er geht.

Das Gazistadion ist mit 11 000 Zuschauern ausverkauft. Könnten sich die Fans auf Ribéry und andere Stars wie Mario Gomez freuen?

Davon gehe ich fest aus. Wir kommen mit dem kompletten Kader, und unser Trainer wird auch alle Spieler einzusetzen, sofern keine Verletzungen dazwischenkommen.

Wie ernst nimmt Louis van Gaal solche Tests?

Total ernst. Er lässt vor allem gnadenlos nach vorne spielen.

Das kann ja heiter werden für die Blauen. Was tippen Sie?

Ich hoffe auf ein schönes Spiel und dass wir fünf, sechs Tore schießen. Die Leute sollen Spaß haben.

Und Sie werden, wie angekündigt, nicht mehr auf der Bank sitzen, sondern es sich auf der Tribüne gemütlich machen?

Ja, das habe ich schon in zwei vorherigen Testspielen geübt.

Und?

Bisher war kein Druck da. Fragen Sie mich nach ein paar Bundesligaspielen wieder, wie es mir bekommt.

Stuttgarter Nachrichten

StN: Kickers kein Einzelfall: Zahlreiche Ex-Erstligisten kämpfen ums Überleben

Tradition sucht Zukunft

Stuttgart – Fußball-Drittligist Stuttgarter Kickers steht erstmals in seiner Vereinsgeschichte vor dem Absturz in die vierte Liga. Die Blauen sind dabei in prominenter Gesellschaft. Zahlreiche andere früher erfolgreiche Traditionsclubs haben den Anschluss nach oben verloren.

VON JÜRGEN FREY

Marc Arnold scheinen Traditionsclubs magisch anzuziehen. Er spielte früher für die Stuttgarter Kickers, danach unter anderem für Borussia Dortmund und Hertha BSC. Jetzt ist der 38-Jährige sportlicher Leiter von Eintracht Braunschweig. Der Club gehörte zu den Bundesliga-Gründungsmitgliedern und feierte 1967 die deutsche Meisterschaft. Jetzt ist der Club Ligakonkurrent der Kickers – und Arnold kennt die Sorgen und Nöte der von der nationalen Elite abgehängten Traditionsvereine. „Bei jedem dieser Clubs gibt es spezielle Gründe für den Absturz“, sagt Arnold, „doch bei vielen sind es die eigenen Strukturen, die ihnen bis heute zu schaffen machen.“

Missmanagement und Größenwahn heißen die Stichworte. Auf dem beschwerlichen Weg zurück nach oben sind kleine Schritte verpöhnt. Genauso wenig langfristig angelegte Konzepte und damit Phasen der Konsolidierung ohne unrealistische, kurzfristige Träumereien. „Das Interesse an einem Traditionsverein, die Erwartungshaltung ist einfach um ein Vielfaches höher als bei anderen Clubs“, weiß Arnold aus eigener Erfahrung. Dass dies häufig auch an der eigenen Führungsetage liegt, zeigt das Beispiel Stuttgarter Kickers. Die Verantwortlichen im Reich der blauen Götter pflegten noch die Erinnerung an die glorreichen Taten der Vergangenheit, da hatte der Totentanz in die Zukunft längst schon begonnen. „Bei den Vergleichen mit der Vergangenheit geht die Objektivität verloren, im Endeffekt hemmen sie nur“, ist sich Arnold sicher.

Das Leben nimmt eben wenig Rücksicht auf die liebgewonnenen Gewohnheiten der Fußball-Romantiker. Früher ließen die Transfers von Jürgen Klinsmann, Karl Allgöwer, Fredi Bobic oder Zoltan Sebescen die Kasse bei den Kickers klingeln. Dann kam das Bosman-Urteil, später die Total-Vermarktung des Top-Fußballs. Um es vorsichtig auszudrücken: Die Blauen wirkten inmitten dieser rasanten Entwicklung wenig anpassungsfähig.

Schmerzfreie Zeitgenossen empfehlen solch klammen Clubs wie den Blauen, Insolvenz anzumelden. Doch diese Art der Befreiung von allen finanziellen Bürden der Vergangenheit ist nicht nur für Arnold „sehr negativ behaftet“. Es gibt sehr wenige Clubs, die danach noch einmal zurückkommen. Hessen Kassel, ein weiterer ehemaliger Verein von Marc Arnold, ist ein solches Beispiel. 1990 verabschiedete sich der Club aus dem bezahlten Fußball, überstand zwei Konkurse samt Löschung aus dem Vereinsregister. Nach der Neugründung 1998 arbeitete sich der Club aus der Kreisliga (!) wieder nach oben. Jetzt klopfen die Hessen ans Tor zur dritten Liga. Wie das möglich war? Vor allem dank einer Identifikationsfigur: „Der ehemalige Profi Holger Brück war als Trainer und Präsident ganz entscheidend am Wiederaufbau beteiligt“, erklärt Arnold. Vielleicht machen sich die Kickers schon mal auf die Suche nach einer solchen Ikone.

Stuttgarter Nachrichten