Welche Rolle spielt Buchwald?
Der Weltmeister meldet Interesse an, aber die Stuttgarter Kickers geben sich bedeckt
STUTTGART. Die Stuttgarter Kickers sind immer noch auf der Suche nach einem Trainer. Da kommt jetzt sogar Guido Buchwald ins Spiel – doch passt der überhaupt ins Anforderungsprofil?
Von Joachim Klumpp
Tradition ist vergänglich. Auch im Fußball. Im ersten Europapokalfinale standen sich 1954 Real Madrid und, ja wer eigentlich, gegenüber? Stade Reims aus Frankreich, am Freitagabend abgestiegen in die dritte Liga. Selbst die ist auf deutscher Ebene inzwischen zu hoch für die Stuttgarter Kickers, die sich am Samstag von ihrem Publikum in die Regionalliga verabschiedeten. Oder von dem, was davon noch übrig geblieben war. Offiziell wurden zwar 3140 Zuschauer gezählt, doch nicht alle Dauerkartenbesitzer wollten sich das Begräbnis zweiter Klasse antun, dafür sorgten zumindest rund 1300 mitgereiste Anhänger des SC Paderborn, der sich mit dem 3:0-Sieg den Relegationplatz sicherte, für Stimmung. Ansonsten ist es überraschend ruhig geblieben. Keine Plakate, keine Proteste, die Fans scheinen sich mit dem Schicksal abgefunden zu haben.
Oder machen ihrem Unmut via Internetforum Luft. Was zur Folge hatte, dass Michael Feichtenbeiner kurzerhand aus dem Kreis der Trainerkandidaten ausschied, obwohl er „ein schlüssiges Konzept vorgelegt hat“, wie der Schatzmeister Frieder Kummer zugibt. Aber er hatte keine Lobby im Umfeld, weil er vor x Jahren angeblich unrühmlich aus dem Verein geschieden war, nachdem er die Mannschaft zuvor noch ins DFB-Pokalhalbfinale geführt hatte. Tradition ist vergänglich, Ressentiments sind es nicht, zumindest nicht auf Degerlochs Höhen. Der Präsident Dirk Eichelbaum will die Trainerfrage nun bis Mitte der Woche geklärt haben, wobei den Verantwortlichen eine Teammanagerlösung vorschwebt. „Aber das hängt auch von der Person ab“, sagt Eichelbaum.
Zumal jetzt noch Guido Buchwald ins Spiel kommt, der auch schon eine Kickers-Vergangenheit hat, als Sportdirektor 2001 – allerdings ohne nachhaltige Erfolge. „Er wurde an uns herangetragen“, sagt Eichelbaum zu der Personalie mit dem Weltmeister. „Wir müssen mit einem Gespräch abwarten, bis er heute wieder zurück ist.“ Aus Japan nämlich, wo er am Wochenende weilte, und nach wie vor einen guten Ruf genießt. Einen besseren jedenfalls als in Deutschland, wo er nach seinem gescheiterten Intermezzo bei Alemannia Aachen bisher vergeblich auf ein neues Engagement wartet.
Nun also die Kickers? Abgeneigt scheint Buchwald nicht zu sein, er sagt: „Mein Herz schlägt noch für den Verein. Grundsätzlich kann ich mir alles vorstellen. Aber ich weiß nicht, wie die finanzielle Situation aussieht.“ Die Frage ist auch, ob Buchwald ins Anforderungsprofil des Neuaufbaus – mit jungen Spielern aus der Region – passt. Das trifft vielmehr auf Michael Rentschler zu, mit dem die Kickers heute die Gespräche vertiefen wollen. Bei dem 38-Jährigen bleibt eher abzuwarten, ob er seinen Job als WFV-Verbandssportlehrer aufgibt, zumal noch nicht einmal die Regionalligalizenz der Kickers sicher ist.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Lorz sagt zu diesem Punkt: „Ich bin da optimistischer als vor einer Woche. Es gibt positive Signale.“ Allerdings will zum Beispiel Eduardo Garcia vom Hauptsponsor verständlicherweise erst wissen, wie die sportliche Führung aussieht. Das interessiert auch die Spieler, zumindest die, die noch in der engeren Wahl stehen: Marcus Mann, Torsten Traub, Ralf Kettemann, vielleicht Benedikt Deigendesch, auch Bashiru Gambo will/soll bleiben – und selbst Alexander Rosen ist nicht abgeschrieben. Die Zeit drängt. Und an Urlaub ist für die Verantwortlichen auch in den Pfingstferien nicht zu denken.
Stuttgarter Kickers: Salz (84. Huber) – Steinle, Mann, Traub, Härter (67. Tucci) – Traut (65. Petruso), Ortlieb, Gentner, Köpf – Smeekes, Galm.
SC Paderborn: Jensen – Wachsmuth, Mohr, Holst (72. Fischer), Krecidlo, Gonther – Guié-Mien, Alushi, Brückner – Krause (67. Löhning), Damjanovic (46. Güvenisik).
Stuttgarter Zeitung
Kickers suchen Kontakt zu Buchwald
STUTTGART (jüf/jük). Das 0:3 gegen den SC Paderborn geriet für die Stuttgarter Kickers zur Nebensache. Beim Absteiger aus der dritten Liga interessiert derzeit nur eines: Wer wird neuer Trainer und damit Nachfolger von Rainer Kraft. Fest steht: Heute wird mit Michael Rentschler verhandelt. Der 38-jährige Fußball-Lehrer und Sportwissenschaftler entspricht dem Anforderungsprofil der blauen Chefetage. Allerdings ist der WFV-Verbandssportlehrer nicht der einzige Kandidat. Um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, es nicht wenigstens versucht zu haben, wollen die Kickers auch Kontakt zu Weltmeister Guido Buchwald aufnehmen. Bisher gelang das jedoch nicht, da er sich noch bis Mitte der Woche in Japan aufhält. „Ich werde mich mit ihm austauschen, nicht mehr und nicht weniger“, sagte Präsident Dirk Eichelbaum. Spätestens Ende der Woche soll der neue Trainer dann feststehen. Damit endlich auch mit den Spielern Nägel mit Köpfen gemacht werden können.
Stuttgarter Nachrichten
Keine Tränen mehr
Die Kickers verlieren mit 0:3 und gehen mit vielen offenen Fragen in die Viertklassigkeit
Stuttgart – Das war ‚ s: Für die Stuttgarter Kickers hat sich das Kapitel dritte Liga nach einem Jahr wieder geschlossen. Zum Saisonfinale unterlag das Schlusslicht dem SC Paderborn vor magerer Kulisse im heimischen Stadion mit 0:3 (0:1) und schlittert jetzt mit vielen offenen Fragen zum ersten Mal in seiner Geschichte in die Viertklassigkeit.
Von Beate Wockenfuß
Es war kurz und schmerzlos. Die 20. Saison-Niederlage machte den Strich unter die katastrophale Spielzeit, deren unheilvolles Ende sich schon lange vor diesem 38. Spieltag abgezeichnet hatte. In der letzten Partie gegen den Aufstiegsaspiranten aus Paderborn war der tapfere Widerstand der Gastgeber beim 0:1 durch Sven Krause (44.) gebrochen. Als Florian Mohr kurz nach Wiederanpfiff auf 2:0 (51.) erhöhte, ergaben sich die „Blauen“ vollends ihrem Schicksal und mussten schließlich noch das 0:3 von Sercan Güvenisik (65.) hinnehmen. Paderborn spielt nun in der Relegation um den Aufstieg und wurde euphorisch von 1300 mitgereisten Anhängern gefeiert. Deren hoffnungsfroher Schlachtruf „Dritte Liga – nie mehr, nie mehr“ trifft tragischerweise – vorerst zumindest – ebenso auf die Kickers zu und daher zusätzlich ins Mark. Am Ende blieben ein enttäuschter Trainer Rainer Kraft, schweigsame Spieler und 1800 traurige Fans, die den 90-minütigen Abgesang mit Fassung trugen und sich noch das eine oder andere Trikot als Erinnerung sicherten.
Resignation allerorten
Der Verein hatte die Sicherheitsbedingungen verschärft, doch die treuen Anhänger blieben bemerkenswert friedlich. Die Grenze ihrer Leidensfähigkeit wurde in den zurückliegenden Monaten offensichtlich mehrfach überschritten, so dass es für das Finale wohl keine Tränen mehr gab. Resignation allerorten.
Präsident Dirk Eichelbaum hatte sich im Stadionheft entschuldigt, „dass es aus den widrigen Umständen des geringsten Etats nicht gelungen ist, eine trotzdem schlagkräftige Einheit zu formen, die das Unternehmen ,Klassenerhalt ‚ bestanden hätte“. Wie das für die neue Saison gelingen soll, ist noch fraglich. Denn so lange es keine neue sportliche Leitung gibt, stehen unterm Fernsehturm alle Räder still. Der Acht-Spiele-Trainer Kraft wurde ohne Vorwarnung abserviert und darf sich jetzt einen neuen Job suchen. „Ich bin sehr enttäuscht, dass ich nicht einmal mein Konzept und meine Ideen vorstellen konnte“, sagte der Coach, der sich am Samstagabend von der Mannschaft bei einem Essen verabschiedete.
Wer Kraft, der das Team in einer Art Himmelfahrtskommando am 14. April von Edgar Schmitt übernahm, nachfolgt, soll sich Mitte dieser Woche entscheiden. Ein Kandidat ist Michael Rentschler. Mit dem früheren Oberliga-Trainer des VfL Kirchheim sollen laut Eichelbaum heute oder morgen Gespräche stattfinden. Zudem geistert der Name Guido Buchwald über die Waldau. Der Ex-Kickers-Spieler trainierte zuletzt den Zweitligisten Alemannia Aachen, wo er im November 2007 entlassen wurde.
Auch bei der Besetzung des Kaders für die neue Saison gibt es noch keine Fortschritte. Fest steht lediglich, dass Thorsten Reiß zum West-Regionalligisten SV Elversberg wechselt. Wohin es Manuel Salz zieht, verriet der Torhüter, den die Fans mit 72,5 Prozent der Stimmen zum Spieler der Saison wählten, noch nicht. Dagegen hat Bashiru Gambo noch einmal bekräftigt, dass er bleiben will. Der Mittelfeldakteur ist ohnehin der einzige, der einen für die Regionalliga gültigen Vertrag besitzt. Die anderen Spieler, die gehalten werden könnten, wurden in die Warteschleife versetzt bis der neue Trainer – und möglicherweise Teammanager in Personalunion – feststeht. Erst dann will sich auch Eduardo Garcia vom Hauptsponsor Gazi dazu äußern, ob er die Kickers weiter unterstützt. Eine Personalie scheint dagegen wasserdicht: Der Präsident selbst macht weiter. „Stand heute: ja“, trotzt Eichelbaum aller Kritik.
Statistik
Stuttgarter Kickers: Salz (84. Huber) -Steinle, Mann, Traub, Härter (69. Tucci) – Traut (67. Petruso), Ortlieb, Gentner, Köpf – Galm, Smeekes.
SC Paderborn: Jensen – Wachsmuth, Mohr, Holst (73. Fischer), Krecidlo – Gonther – Guié-Mien, Alushi, Brückner – Krause (69. Löning), Damjanovic (46. Güvenisik).
Schiedsrichter: Wingenbach (Diez).
Zuschauer: 3140.
Tore: 0:1 Krause (44.), 0:2 Mohr (51.), 0:3 Güvenisik (65.).
Gelbe Karten: Steinle / Damjanovic.
Beste Spieler: Salz / Alushi, Mohr.
Eßlinger Zeitung