Kickers Der 27-Jährige kehrt von München nach Degerloch zurück. Von Joachim Klumpp
An den 2. September 2008 kann sich Oliver Stierle noch haargenau erinnern. „Das ganze Stadion hat Olli gerufen – aber leider den anderen gemeint.“ Oliver Kahn nämlich, zu dessen Ehren an diesem Abend das Abschiedsspiel in der ausverkauften Münchner Allianz Arena veranstaltet wurde. Mit den beiden Ollis, wobei Stierle erst in der Schlussphase zu einem Kurzeinsatz kam. Der unvergessen bleibt. Mittendrin statt nur dabei.
Der Heimkehrer der Stuttgarter Kickers gehörte seinerzeit zur zweiten Mannschaft des FCB, dritte Liga, doch kurz zuvor war der damalige Chefcoach Jürgen Klinsmann unvermittelt ins Training gekommen und hatte sich vier Spieler zur Verstärkung geangelt, darunter Stierle. Ein paar Monate später wurde der Exbundestrainer vorzeitig entlassen. Schlecht für ihn – und für Stierle. Denn plötzlich war auch Klinsmanns Zusage wertlos wie Monopolyspielgeld: den Blondschopf in der folgenden Saison bei den Profis mittrainieren zu lassen.
Das war ein erster Dämpfer, doch der eigentliche K.-o-Schlag folgte in der vergangenen Winterpause. Sein Trainer Mehmet Scholl plante nämlich, Stierle solle den Trainerschein machen und dann im Nachwuchsbereich der Bayern eingebunden werden. Doch mit diesem Vorschlag kam er beim neuen Präsidenten Uli Hoeneß nicht durch, und von dem Tag an war für Stierle klar: „Ich muss mir etwas Neues suchen.“
Was neues Altes: die Stuttgarter Kickers, deren Trainer Dirk Schuster frühzeitig sein Interesse bekundet hatte, nicht zuletzt in persönlichen Gesprächen. Zwar gab es auch von Drittligisten Anfragen (Dynamo Dresden) oder sogar Angebote (Wacker Burghausen), doch bei ersteren war die finanzielle Situation des Vereins mehr als unsicher, bei den anderen das Angebot „unterirdisch“, wie Stierle sagt. Blieben die Blauen.
Da weiß man, was man hat. Vor allem wenn man seit 2000 schon acht Jahre in Degerloch gespielt hatte. „Letztendlich war es eine Herzensangelegenheit“, sagt der Botnanger Stierle zu seinem Comeback bei den Kickers, dem nicht nur der Präsident Edgar Kurz („auf ihn bin ich besonders gespannt“) entgegenfiebert, wenn er heute bei der offiziellen Saisoneröffnung im ADM-Sportpark vorbeischaut.
Auch der Trainer Dirk Schuster verspricht sich viel von dem 27-Jährigen. Nicht nur weil er bei der Abschlussfahrt eines Teils der Mannschaft nach Mallorca mit dabei war. Das zeugt von Identifikation – und kommt gut an. „Olli hat schon von Anfang an gezeigt, dass er sich in der Hierarchie und Hackordnung ziemlich weit oben ansiedeln wird“, sagt der Trainer Dirk Schuster. Doch eine Stammplatzgarantie gibt es auch für einen Oliver Stierle mit dem Bayern-Stallgeruch nicht. „Schließlich definiert sich alles über die Leistung“, betont Schuster.
Das weiß auch der Linksfuß, der sich sowohl in der Viererkette als auch im Mittelfeld wohlfühlt. Und der von der Mannschaft überzeugt ist. Das eine oder andere Spiel in der Rückrunde hat er beobachtet, und selbst im Training vorbeigeschaut. „Da hat man die Handschrift des Trainers gesehen, das hat mir imponiert.“
Stierle kann sich ein gewisses Urteil erlauben. Schließlich hat er in den zwei Jahren bei den Bayern zwei Trainer erlebt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hermann („Tiger“) Gerland, den harten Hund, der auf dem Platz schon mal laut werden kann, und als Kontrastprogramm den Feingeist und TV-Kommentator Mehmet Scholl, der eher für technische Finesse und spielerische Eleganz steht. Lernen konnte man von beiden, weshalb Stierle die Zeit in München „auf keinen Fall missen will“.
In dieser Woche beim Trainingslager auf dem Schliffkopf wurden sogar ein wenig Erinnerungen wach. Das Programm war „mit dem unter Gerland vergleichbar“, sagt Stierle. Und das will was heißen. Schuster lässt es dagegen kalt: „Da müssen die Spieler jetzt durch.“ Nicht nur Stierle.
Die Saisoneröffnung beginnt heute um 11 Ihr im ADM-Sportpark mit der Mannschaftspräsentation und einer Autogrammstunde. Das Testspiel gegen Heidenheim wurde auf 13.30 Uhr vorverlegt, um dem WM-Viertelfinale gegen Argentinien aus dem Weg zu gehen, das in Degerloch auf einer Großbildleinwand gezeigt wird.
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