Kraft mistet den Kickers-Kader aus
Der Trainer arbeitet bis Saisonende nur noch mit 20 Spielern
STUTTGART. Die Rechnung des Trainers Rainer Kraft ist beim 2:1-Sieg der Stuttgarter Kickers in Dresden aufgegangen. Ob die Rechnung des Tabellenletzten der dritten Liga am Ende auch aufgeht, ist eine andere Frage. „Wir schauen nur von Spiel zu Spiel“, sagt Kraft.
Von Joachim Klumpp
Der Kreis hat sich bei den Stuttgarter Kickers am Samstag schon vor dem Anpfiff geschlossen. Auf dem Spielfeld. Normalerweise wird dieses Ritual in der Kabine zelebriert, „doch diesmal wollten wir ganz offen demonstrieren, dass wir noch eine Mannschaft sind“, sagt der Kickers-Trainer Rainer Kraft zu der kleinen Programmänderung. Inwieweit diese zum 2:1-Sieg bei Dynamo Dresden beigetragen hat, ist zwar hypothetisch, doch insgesamt haben die Maßnahmen gefruchtet.
Zum einen ließ Kraft den „für unser Spiel“ nicht fitten Mustafa Parmak zu Hause, und auch Michael Schürg bekam „eine Denkpause“. Zum anderen erzielte ausgerechnet der für den Stürmer nachgerückte und in Dresden eingewechselte Mijo Tunjic drei Minuten vor Schluss den Siegtreffer. Alles richtig gemacht? „In diesem Fall stimmt das“, sagt Kraft, „aber da gehört auch etwas Glück dazu. Wir waren uns nicht ganz sicher, ob wir Tucci oder Tunjic bringen sollen.“
Immerhin hat die Mannschaft vor 13 250 Fans in Dresden gezeigt, dass sie in der dritten Fußballliga mithalten kann, wenn sie zusammenarbeitet. Umso schwerer wiegen da die Punktverluste in den zwei Heimspielen gegen die Abstiegskonkurrenten Regensburg und Wuppertal. Doch nachkarten bringt nichts, „wir schauen nur von Spiel zu Spiel“, sagt Kraft. Vielleicht kann mit dieser Einstellung der Druck vom Team genommen werden, das mindestens vier der fünf Spiele gewinnen muss, um überhaupt noch eine Chance auf den Klassenverbleib zu haben.
Rainer Kraft ist in Dresden seinem Motto treu geblieben, das da lautet: „Bei mir spielt die beste Mannschaft und es spielen nicht die besten Spieler – wenn die dann dazugehören, umso besser.“ Das könnte in der Schlussphase der Saison noch die eine oder andere Überraschung bereiten. Gestern und heute ist trainingsfrei, doch morgen wird laut Kraft endgültig ein Schnitt gemacht: „Wir trainieren bis zum Saisonende nur noch mit 20 Spielern.“ Das soll ein gezielteres Arbeiten möglich machen und die Zahl der unzufriedenen Spieler möglichst gering halten. Nachdem bereits Josip Landeka aus disziplinarischen Gründen bei der zweiten Mannschaft gelandet ist, droht dieses Los nun auch Parmak und Schürg. „Das werden wir noch mal intern besprechen, bevor wir Wasserstandsmeldungen abgeben“, so Kraft.
Genauso will es der Präsident Dirk Eichelbaum halten, was die Personalien Trainer und/oder Manager angeht. Auch die Frage, ob die Trennung von Edgar Schmitt nicht zu spät gekommen sei, hält er für überflüssig. „Wir hatten unsere Gründe, aber hinterher ist man manchmal schlauer.“ An den Planungen hat der Sieg in Dresden – in Anbetracht von sieben Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz – nichts geändert.
Die Planung der vierten Liga hat Priorität vor der dritten, und den Etat aufzustellen „wird schwer genug“. Einige Sponsoren haben verlängert, andere gekündigt. „Wir müssen nachbessern“, sagt Eichelbaum. Zunächst einmal wird das Gespräch mit dem Hauptsponsor gesucht: „Wenn der ein Bekenntnis zum Verein abgibt, wäre das auch ein Signal an die anderen Sponsoren.“ Schließlich soll sich auch da der Kreis schließen.
Dresden: Keller – Hübener, Oppitz, Palionis – Pfeffer (81. Kügler), Truckenbrod, Wagefeld, Nikol – Savran (70. Müller), Dobry, Bröker.
Stuttgart: Salz – Deigendesch, Mann, Traub, Gentner (46. Härter) – Traut, Rosen, Gambo (80. Ortlieb), Ivanusa – Smeekes, Galm (67. Tunjic).
Schiedsrichter: Schumacher (Oberhausen).
Tore: 1:0 Savran (25.), 1:1 Galm (30.), 1:2 Tunjic (87.).
Stuttgarter Zeitung
Die Kickers lassen sich nicht hängen
2:1 in Dresden als positives Signal für Sponsoren und Fans – doch Sieg verbessert fast aussichtslose Lage der Blauen nur unwesentlich
Statt acht Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz sind es nur noch sieben. Doch Fußball-Drittligist Stuttgarter Kickers bleiben nach dem 2:1 in Dresden nur noch fünf Spiele zur Aufholjagd.
Von Jürgen Frey
DRESDEN/STUTTGART. Viele Kickers-Höhepunkte gibt es in dieser Saison nicht zu bestaunen. Einer davon war der Siegtreffer bei Dynamo Dresden durch den 21-jährigen Mijo Tunjic. Das Dumme daran für Dirk Eichelbaum: Als der eingewechselte Holländer mit viel Durchsetzungvermögen, Willen und Zielstrebigkeit drei Minuten vor Schluss sein Solo übers halbe Spielfeld kaltschnäuzig abgeschlossen hatte, war der Kickers-Präsident schon nicht mehr im Stadion. Er musste früher weg – da kein anderer Rückflug mehr zu bekommen war. Eichelbaum trug es mit Fassung: „Viel wichtiger war, dass die Mannschaft gezeigt hat, dass sie lebt.“ Sie ließ sich nicht hängen – und deshalb freute sich auch Präsidiumsmitglied Dieter Wahl: „Dieser Sieg ist ein letzter Hoffnungsfunke und war Gold wert.“
Weniger weil deshalb die Minimalchance auf den Ligaverbleib groß gestiegen wäre, sondern weil die Mannschaft zeigte, dass sie wenigstens einen Funken Charakter besitzt. „Natürlich wollen Sponsoren im Hinblick auf die neue Saison in erster Linie ein schlüssiges Konzept sehen, doch dieser Erfolg hilft uns in der Endphase der Saison weiter“, erklärte Wahl. Die restlichen drei Heimspiele werden durch den dreifachen Punktgewinn nun nicht zwangsläufig zu Geisterspielen. Auch wenn Wahls Prognose („Gegen Eintracht Braunschweig rechne ich mit 5000 Zuschauern, gegen den VfR Aalen mit noch mehr“) sehr kühn erscheint.
Der neue Cheftrainer beschäftigt sich mit solchen Dingen nicht. Für Rainer Kraft zählt nur das Hier und Jetzt: „Mannschaft und Trainerteam wollen in jedem Spiel zeigen, was wir können“, sagt er. In Dresden ist das gelungen. Dass seine Chancen mit solchen Siegen nicht kleiner werden, in der neuen Runde Trainer zu bleiben, ist klar. Doch eine Jobgarantie gibt Eichelbaum nicht: „Wir würden selbst bei einem Happy End nicht noch mal, vom Wunder geblendet, alles beim Alten lassen.“ Jeder kommt auf den Prüfstand. Das hielt Kraft nicht davon ab, gestern A-Junioren und Oberligaelf unter die Lupe zu nehmen. „Wir Trainer tun so, als ob es mit uns weiterginge“, sagt Kraft.
Schaden dürfte das den Kickers nicht.
Stuttgarter Nachrichten
Kickers senden Lebenszeichen
Das Drittliga-Schlusslicht gewinnt in Dresden mit 2:1
Dresden (bw) – Die Stuttgarter Kickers haben sich noch nicht aufgegeben. Das Schlusslicht der dritten Fußball-Liga beendete mit dem glücklichen 2:1 (1:1)-Sieg bei Dynamo Dresden seine Durststrecke und wahrte damit die theoretische Chance auf den Klassenverbleib.
Mit ihrem sechsten Saisonsieg haben die Kickers in der Tabelle zumindest etwas den Rückstand verkürzt. Fünf Spieltage vor Schluss trennen sie aber immerhin noch sieben Punkte vom rettenden Ufer. „Wir liegen nach wie vor im Koma und sind in akuter Lebensgefahr“, hielt Trainer Rainer Kraft den Ball flach. „Es hat sich an unserer Situation überhaupt nichts geändert, außer, dass wir jetzt drei Punkte mehr haben“, betonte der Coach.Mann des Tages bei den Kickers war Mijo Tunjic. Der U-23-Spieler erzielte bei seinem zweiten Einsatz für die Profis drei Minuten vor dem Abpfiff nach einem entschlossenen Antritt den umjubelten Siegtreffer. Der Stürmer war in der 67. Minute für Danny Galm eingewechselt worden, der nach Zuspiel von Orlando Smeekes für den 1:1-Ausgleich gesorgt hatte (30.). Halil Savran war vor 13 253 Zuschauern der Schütze des Führungstors (25.). „Wir wollten unser Spiel durchziehen, egal, wie es steht. Das hat die Mannschaft hervorragend umgesetzt“, lobte Kraft. Seine Strategie, auf Durchhalteparolen zu verzichten, hatte neue Kräfte freigesetzt, die es sogar möglich machten, auf fremdem Platz ein Spiel zu drehen. „Das Team hat mit Sicherheit Selbstvertrauen getankt“, sagte der Coach, warnte aber zugleich: „Es braucht niemand den Kopf rauszuheben. Wir müssen den Sieg schnell abhaken.“ Nach zwei freien Tagen gilt ab morgen die volle Konzentration der Partie am Samstag gegen Eintracht Braunschweig. Stuttgarter Kickers: Salz – Deigendesch, Mann, Traub, Gentner (46. Härter) – Traut, Rosen, Gambo (80. Ortlieb), Ivanusa – Galm (67. Tunjic), Smeekes.
Eßlinger Zeitung
Dresden kann seine Chancen nicht nutzen
Tunjic schlägt spät zu
Die Partie zwischen Dynamo Dresden und dem Tabellenschlusslicht aus Stuttgart begann schnell und chancenreich. Vor allem in der ersten Hälfte lieferten sich beide Mannschaften einen offenen Schlagabtausch. Der 1:1-Halbzeitstand spiegelte den Spielverlauf durchaus wieder. Nach der Halbzeit waren die Gastgeber um mehr bemüht, den entscheidenden Treffer makierten aber die Schwaben.
Die Heimmannschaft startete im Vergleich zum 2:1 in Paderborn mit einer Veränderung in die Partie. Pfeffer rückte für Kegel in die Startaufstellung. Kickers-Trainer Rainer Kraft veränderte seine Startaufstellung nach dem 0:1 gegen Wuppertal am letzten Wochenende auf zwei Positionen. Rosen spielte für Parmak und der 20-jährige Gentner kam aus der zweiten Mannschaft für Ortlieb in die Abwehr.
Den Gästen war von Beginn an Entschlossenheit anzumerken, auch wenn die Heimmannschaft zunächst die besseren Chancen hatte. Dobry setzte sich nach 21 Minuten auf der linken Seite durch, sein Heber ging aber knapp übers Tor. Savran hatte vier Minuten später mehr Glück. Bröker schlug eine Flanke von der rechten Seite, der 23-jährige Savran war da und netzte zur 1:0-Führung für Dresden ein. Doch die Kickers steckten nicht auf: In der 30. Minute gelang Galm nach Zuspiel von Smeekes der 1:1-Augleich.
Die Sachsen überwanden ihrerseits den Schock ebenfalls recht schnell. Es entwickelte sich ein offener Schlagabtausch, in dem Dynamo die besseren Torraumszenen hatte. Mehr und mehr kam Dresden mit Bröker über die rechte Seite. Truckenbrod traf in der 41. Minute den Ball nicht richtig und vergab die beste Chance der Gastgeber nach dem Ausgleich.
Nach der Halbzeitpause nagelten die Dresdener die Kraft-Schützlinge in deren Hälfte fest, spielten sich aber selbst kaum noch Chancen heraus. Der entscheidende Pass wollte den Hausherren nicht gelingen. So versuchten sie es aus der Distanz, was aber, wie im Fall von Wagefeld (72.), auch nicht zum gewünschten Ergebnis führte.
Die Kickers schienen mit dem Unentschieden zufrieden und beschränkten sich darauf, dass Dresdener Spiel zu zermürben. Der 2:1-Siegtreffer der Gäste in der 86. Spielminute fiel dem zu Folge aus dem Nichts. Tunjic traf aus spitzem Winkel. Ein alles in allem glücklicher Sieg für die Kickers, die sich somit zumindest eine theoretische Chance auf den Klassenerhalt wahren.
Dresden gastiert am nächsten Samstag bei der Fortuna in Düsseldorf. Die Stuttgarter Kickers empfangen zeitgleich die Eintracht aus Braunschweig.
Kicker
Dynamos schmerzhafte Landung
Von Sven Geisler
Die Dresdner verlieren auch zu Hause gegen Schlusslicht Stuttgarter Kickers mit 1:2.
Von einer Blamage wollte niemand reden. „Wenn man acht Chancen kreiert, hat man guten Fußball gespielt“, meinte Trainer Ruud Kaiser sogar. Trotzdem kassierte Dynamo Dresden gegen die Stuttgarter Kickers eine unnötige wie peinliche 1:2-Schlappe – und damit bereits die zweite Niederlage gegen das Schlusslicht der 3.Fußball-Liga.
Aufbaugegner Dynamo! „Die mögen uns auf jeden Fall“, sagte Thomas Bröker mit bissigem Unterton. Der flinke Außenstürmer hatte mit seiner Eingabe auf Halil Savran das Führungstor in der 25.Minute vorbereitet. Damit sah sich Kaiser bestätigt. „Unsere Planung war okay, schließlich haben wir 1:0 geführt“, erklärte der Trainer ungefragt seine taktische Formation.
Mit vier Angreifern und zwei Dreierketten dahinter hatte der Niederländer mal wieder eine überraschende Variante aufgestellt. Ausschlaggebend für die Niederlage war das System nur bedingt. Mit den Freiräumen im Mittelfeld konnten die harmlosen und verunsicherten Gäste jedenfalls kaum etwas anfangen. Doch den Gelb-Schwarzen mangelte es an Konsequenz im Abschluss und Konzentration in der Defensive.
So viele gute Chancen, wie Kaiser gezählt haben will, hatten die 13253 Zuschauer im Rudolf-Harbig-Halbrund zwar nicht zu sehen bekommen, aber für einen Sieg hätten sie allemal reichen müssen. Vor dem Führungstreffer vergab Pavel Dobry nach klasse Zuspiel des agilen Sascha Pfeffer, indem er den Ball übers Dreiangel schlenzte, anstatt in die Mitte auf Jens Truckenbrod abzulegen (20.). Später scheiterte Savran mit einem eleganten Versuch. Sein Heber über Kickers-Keeper Manuel Salz ging am Tor vorbei (34.). „Da wollte einer den Maradona mimen“, ließ Kaiser zumindest Kritik anklingen.
Nach dem Seitenwechsel spielte sich Dynamo keine klaren Möglichkeiten mehr heraus, und die Fernschüsse (Maik Wagefeld, Gerrit Müller) konnten Salz nicht schrecken. „In der zweiten Halbzeit haben wir komplett den Faden verloren und nicht mehr gespielt, sondern nur noch lange Bälle geschlagen“, analysierte Thomas Hübener.
Die Schuldfrage ist mit der mangelnden Effektivität in der Offensive ohnehin nur zum Teil geklärt. „Natürlich müssen wir das 2:0 nachlegen“, meint Savran, und der Torschütze ergänzt: „Wir dürfen aber auch nicht so dumme Gegentreffer kassieren.“
Fehlerketten in der Defensive
Drei ordentliche Angriffe reichten den Stuttgartern, wobei ihnen die Dresdner den Weg frei machten. „Beim 1:1 hatten wir die Zentrale im Mittelfeld nicht besetzt“, analysierte Kaiser. Plötzlich stürmten vier Kickers auf drei Dynamos zu. Orlando Smeekes spielte auf Danny Galm, der die Kugel am herausstürzenden Axel Keller vorbei schob. „Das geht an der Mittellinie los, wo wir einen Rückpass spielen“, monierte der Torwart: „Ich schlage den Ball raus, wir können ihn nicht sichern und stehen ungestaffelt.“
Eine weitere Fehlerkette ging dem 1:2 in der 86.Minute voraus. „Das Tor fällt nach einem Einwurf, unglaublich!“, schimpfte Kaiser: „Unser Umschalten auf Defensive war ganz schlecht.“ Hübener räumte seine Mitschuld ohne Zögern ein. „Ich mache einen Pressschlag, statt den Ball direkt ins Aus zu klären“, sagte der 26-Jährige. Nach ihm versäumen es aber auch Truckenbrod und Volker Oppitz, den eingewechselten Mijo Tunjic energisch zu attackieren. Der trifft aus spitzem Winkel. Keller kommt zwar an den Ball. „Ich schaffe es aber leider nicht, ihn wegzudrücken“, erklärt der 31-Jährige.
Nach der Jubelstimmung in den vergangenen Wochen sind die Dresdner hart auf dem Boden der Tatsachen gelandet. „Wir dürfen den Blick für die Realität nicht verlieren“, mahnt Keller und meint den Abstiegskampf. „Von der Mannschaft hat noch keiner gesagt, dass wir durch sind“, unterstreicht Kapitän Wagefeld. Bevor bei Dynamo schon Hochrechnungen angestellt werden können, wie viele Punkte möglich gewesen wären, müssen erst einmal noch drei Zähler für den sicheren Klassenerhalt geholt werden.
Sächsische Zeitung