Schmitt steht auf der Kippe
Dem Kickers-Trainer droht heute der Rauswurf – Als Nachfolger wird Rainer Kraft gehandelt
BERLIN/STUTTGART. Nach der 1:5-Niederlage der Stuttgarter Kickers in Berlin entwickelt sich die Trainerfrage zur Hängepartie. Eine Entscheidung soll nun heute bekanntgegeben werden.
Von Joachim Klumpp
Berlin ist eine Reise wert, so heißt es zumindest in den Reisekatalogen. Für die Stuttgarter Kickers galt dieses Motto allerdings nicht. Im Gegenteil. Was die mitgereisten Fans und Funktionäre vor 6000 Zuschauern am Sonntag zu sehen bekamen, glich einem Offenbarungseid, auch wenn beim Tabellenführer der dritten Liga nicht unbedingt ein Sieg erwartet werden durfte. Aber etwas mehr Gegenwehr schon als beim 1:5 in den 90 Minuten gegen Union Berlin.
Dieses Ergebnis hat die Bedenken gegenüber dem Trainer Edgar Schmitt erhöht. Ist er noch der richtige Mann am richtigen Ort? Nach einer Nacht des Überschlafens haben sich Präsidium und Aufsichtsrat gestern kurzgeschlossen – aber kein Ergebnis gefunden: Ob der Trainer morgen im Nachholspiel gegen Jahn Regensburg noch im Amt ist, blieb bis gestern Abend offen, auch wenn viele Anzeichen für eine Trennung sprechen. Die Verantwortlichen um den Präsidenten Dirk Eichelbaum haben sich um 20 Uhr nochmals zu einer Nachtsession zusammengefunden, um in medias res zu gehen. Mit dem Trainer am Tisch, der selbst nach der Niederlage in Berlin offensichtlich davon ausging, weiter auf der Bank zu sitzen. „Wir müssen nach vorne schauen und die nötigen Punkte gegen unsere direkten Konkurrenten holen“, sagte er unmittelbar nach dem Spiel.
Vor dem Osterwochenende hatten der Präsident Dirk Eichelbaum und der Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Lorz noch unisonso einen Trainerwechsel ausgeschlossen. „Wir ziehen das jetzt durch“, so Lorz. Der war beim Spiel in Berlin zwar nicht selbst anwesend, doch die Ausführungen seines Präsidenten müssen so erschreckend geklungen haben, dass nun doch noch das letzte Mittel in Erwägung gezogen wird, um den Klassenverbleib möglicherweise zu schaffen.
Was einem fast aussichtslosen Unterfangen gleicht, auch wenn Eichelbaum predigt: „Wir können es nach wie vor schaffen, die Situation ist nicht ausweglos.“ Dabei haben die Kickers bisher in 30 Saisonspielen erst fünf Siege verbucht – und mindestens diese Zahl bräuchten sie jetzt in acht verbleibenden Partien, um noch eine realistische Chance auf den Nichtabstieg zu besitzen.
Eichelbaum wehrt sich in diesem Zusammenhang auch gegen den Vorwurf, er habe für die beiden Spiele gegen Offenbach und Berlin quasi einen Freifahrschein ausgestellt. „Selbst in Berlin wäre ein Punkt möglich gewesen, wenn alle so gekämpft hätten wie ein Gambo oder Manuel Salz.“ Ganz offensichtlich hapert es aber an der Einstellung einiger Spieler. So soll der Kapitän Alexander Rosen nach der Partie den Fans gegenüber gesagt haben: „Hier spielt jeder für sich.“
Was ein Indiz dafür wäre, dass es Schmitt auch nach mehr als einem halben Jahr im Amt nicht gelungen ist, aus dem vorhandenen Spielermaterial eine Einheit zu formen. Als Favorit auf die Nachfolge gilt Rainer Kraft, der bisherige Assistent von Schmitt. „Ich kann und möchte dazu nichts sagen“, erklärte der 46-Jährige gestern Abend. Ihm zur Seite könnte Alexander Malchow als Co-Trainer gestellt werden, der in dieser Funktion schon seit der Winterpause tätig ist. Dagegen scheint Björn Hinck von der zweiten Mannschaft nicht in der engeren Wahl zu stehen, jedenfalls wurde er bisher nicht offiziell kontaktiert. Der 32-Jährige hat im Verein zwar eine hohe Wertschätzung, aber nicht die für die dritte Liga nötige A-Lizenz, auch wenn dieses Handicap mittels einer Ausnahmegenehmigung zu umgehen wäre. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass Hinck beruflich so eingespannt ist, dass er kurzfristig nicht in Vollzeit zu Verfügung stehen würde, was bereits bei der ursprünglich angedachten Lösung mit ihm als Co-Trainer der ersten Mannschaft das K.-o.-Kriterium war.
Rainer Kraft musste auch gestern noch den leblosen Auftritt in Berlin verdauen und sagte nur: „Heute um elf Uhr wollten wir trainieren – das werden wir auch.“ In welcher Konstellation auch immer.
Berlin: Glinker – Bemben (61. Menz), Stuff, Göhlert, Parensen – Younga-Mouhani – Mattuschka, Dogan, Gebhardt (68. Kohlmann) – Biran (61. Benyamina), Sahin.
Stuttgarter Kickers: Salz – Ortlieb, Mann, Traub, Härter – Traut, Rosen, Gambo, Gentner (68. Köpf) – Schürg (68. Kacani), Smeekes (68. Galm).
Schiedsrichter: Kuno Fischer (Leer)
Tore: 1:0 Biran (3.), 2:0 Dogan (24.), 3:0 Sahin (59.), 4:0 Gebhardt (65.), 4:1 Gambo (75.), 5:1 Benyamina (80.).
Stuttgarter Zeitung
„Es gibt Tendenzen“
Nachgefragt bei Dirk Eichelbaum
Die Zukunft des Kickers-Trainers Edgar Schmitt ist gestern Abend noch offengeblieben, obwohl die Verantwortlichen den gesamten Tag über die Trainerfrage diskutiert hatten. „Wir wollen die Entscheidung auf eine breite Basis stellen“, sagt der Kickers-Präsident Dirk Eichelbaum im Gespräch mit Joachim Klumpp.
Herr Eichelbaum, Sie haben gestern lange über den Trainer Edgar Schmitt diskutiert. Warum ist keine Entscheidung gefallen?
Weil wir die auf eine breite Basis stellen wollen, so dass einstimmig oder zumindest mit einer überwältigenden Mehrheit feststeht, ob wir so weitermachen oder nicht.
Sie meinen eine Mehrheit in den Vereinsgremien?
In den Gremien, aber wir wollten auch noch einmal mit dem Trainer sprechen.
Ist das im Laufe des Tages nicht bereits geschehen?
Doch. Aber ich wollte die Lage noch mal persönlich analysieren – und am Dienstag wird es zu einer Entscheidung kommen, die dann für die restlichen acht Saisonspiele gilt.
Und wenn der Trainer sagt, er will nicht gehen, dann bleibt er bei den Kickers?
Da muss man sehen, mit welcher Motivation er weitermachen will, ob er sich die Aufgabe noch zutraut. Es gibt Tendenzen, aber es macht keinen Sinn, jetzt groß darüber zu spekulieren.
Und eine mögliche Nachfolgediskussion wird anschließend geführt, oder wie muss man sich das vorstellen?
Der erste Schritt ist: machen wir mit Edgar Schmitt weiter? Wie stellt er sich das vor? Traut er sich die Aufgabe noch zu? Er weiß, was auf ihn zukommt, er wird nicht nur eine gute Presse bekommen. Geht er da durch oder nicht? Ich hätte mir die Antworten auch schon lieber gestern gewünscht. Aber es ist eben nicht ganz einfach, an einem Ostermontag alle Beteiligten zu erreichen. Und letztendlich brauchen wir jetzt einen Treueschwur. Und das hieße dann in der Folge, auch nach einem 0:1 am Mittwoch gegen Jahn Regensburg machen wir trotzdem weiter. Es bringt ja nichts, dann noch jemand ins kalte Wasser zu werfen.
Spielen bei der Entscheidung auch finanzielle Gründe eine Rolle?
Sagen wir es mal so: finanzielle Gründe spielen insofern eine Rolle, dass wir bei den Kickers die Lasten gemeinsam schultern. Wenn ich ein Präsident wäre wie der Kollege in Sandhausen, der das mehr oder weniger aus der eigenen Schatulle bestreitet, dann hätte ich mich da überhaupt nicht mit anderen beraten, sondern die Entscheidung für oder gegen Schmitt längst gefällt.
Wobei bei einem möglichen Trainerwechsel letztendlich, aufgrund des Zeitdrucks, ja nur eine interne Lösung in Betracht kommen dürfte?
Eine externe Lösung, mit einem sogenannten bekannten Namen, gibt es auf dem Markt derzeit sowieso nicht. Also hätte das auch wenig Sinn.
Stuttgarter Zeitung
Schmitt droht der Rauswurf
Hängepartie um den angeschlagenen Trainer der Stuttgarter Kickers
Stuttgart – Es war ein turbulenter Ostermontag für die Stuttgarter Kickers. Die Führungsmannschaft des Fußball-Drittligisten diskutierte nach dem 1:5 am Vortag bei Union Berlin bis tief in die Nacht um die Zukunft von Edgar Schmitt. Alles sprach für einen Trainerwechsel – eine offizielle Bestätigung gab es aber nicht.
VON JÜRGEN FREY
Schon auf der Rückfahrt von Berlin war Dirk Eichelbaum in Sachen Trainer hin- und hergerissen. Nein, von eindeutigen Auflösungserscheinungen in der Mannschaft könne nicht die Rede sein. Aber seiner Stimme war anzumerken: Allzu weit weg waren die Kickers davon sicher nicht. Entsprechend geladen war der Kickers-Präsident: „So kann es nicht weitergehen. Die Einstellung der meisten Spieler war lasch. Nur ein paar wenige gingen an ihre Grenzen“, schimpfte Eichelbaum schon am Ostersonntagabend. Da dies nicht zum ersten Mal der Fall war und der Trainer nun eben mal für den Auftritt seiner Mannschaft verantwortlich ist, liefen gestern in der Führungsetage der Blauen die Drähte heiß. Die Diskussion um den Trainer entwickelte sich zu einer Hängepartie. Um 20 Uhr gab es eine weitere Sondersitzung. Bis tief in die Nacht wurden Pro und Contra abgewogen. Ein Konsens war nur schwer zu erreichen. Vor allem Manager Joachim Cast hielt zu Edgar Schmitt. Dennoch deutete alles darauf hin, dass sich die Kickers von ihrem Chefcoach trennen werden. „Wir müssen eine tragfähige Basis finden und alle unter einen Hut bringen, das ist keine leichte Aufgabe“, sagte Eichelbaum am Abend. Chaostage unterm Fernsehturm? Davon wollte der 44-jährige Jurist nichts wissen: „Es ist nicht so, dass bei uns die Rechte nicht weiß, was die Linke tut. Wir machen uns die Entscheidung nur nicht einfach.“
Am Nachmittag hatten sich die Anzeichen auf eine Trennung von Schmitt verdichtet. Vor den beiden Heimspielen in dieser Woche gegen Jahn Regensburg (morgen, 19 Uhr) und am kommenden Samstag (14 Uhr) gegen den Wuppertaler SV sollten noch einmal neue Impulse gesetzt werden. Als heißester Kandidat für eine mögliche Nachfolge wurde bereits Rainer Kraft gehandelt. Der langjährige Assistent von Edgar Schmitt verfügt über die in der dritten Liga nötige DFB-Fußballlehrer-Lizenz. Ihm zur Seite stehen könnte Ex-Profi Alexander Malchow, der bereits dem Trainerstab angehört. Oberligatrainer Björn Hinck besitzt dagegen nur die A-Lizenz. Im Fall des Abstiegs in die Regionalliga wäre der 32-Jährige der Wunschkandidat der Blauen. Von der Überlegung, ihn schon jetzt, mit einer Ausnahmegenehmigung, ins kalte Wasser zu werfen, halten die Macher offenbar wenig. Würde Hinck das Wunder Klassenverbleib gelingen, wäre er der Held von der Waldau – könnte aber in der neuen Runde wegen fehlender Lizenz nicht bleiben. Schafft er die Rettung nicht, wäre er möglicherweise im Hinblick auf den Neuaufbau bereits verheizt.
Edgar Schmitt war am Montag nicht zu erreichen. Bereits unmittelbar nach der Partie in Berlin wirkte er angeschlagen und soll um ein Gespräch mit der Vereinsführung gebeten haben. Denn mit minimalem Aufwand hatte Spitzenreiter Berlin das harmlose Schlusslicht an die Wand gespielt. „Ich hatte mir schon mehr Kampfbereitschaft und Ordnung gewünscht“, sagte Schmitt. Dass es auch in der Mannschaft drunter und drüber geht, zeigte ein Vorkommnis am Rande der Partie. Schmitt hatte Mittelfeldspieler Josip Landeka, der mit der Mannschaft nach Berlin gereist war, nicht für den Kader nominiert. Hintergrund: Landeka soll sich nach seiner Auswechslung im Spiel gegen Offenbach zu sehr auf der Tribüne amüsiert haben. Landeka jedenfalls war über die Ausbootung stinksauer: Er nahm sich nach dem Schlusspfiff in Berlin ein Taxi zum Bahnhof und fuhr mit dem Zug nach Hause. Unter einem Trainer Schmitt dürfte es für ihn keine Zukunft geben. Alles Weitere wird sich zeigen: Heute um 10 Uhr ist Training, um 13 Uhr Pressekonferenz.
Stuttgarter Nachrichten
Alles spricht für Rainer Kraft
Co-Trainer soll Chef werden
Stuttgart (jüf) – Für den Fall, dass die Stuttgarter Kickers ihren Cheftrainer Edgar Schmitt beurlauben, gilt der bisherige Co-Trainer Rainer Kraft als Favorit, die Mannschaft bis zum Saisonende zu betreuen. Der 46-Jährige ist in Stuttgart geboren, aufgewachsen und lebt seit 2004 wieder in der Landeshauptstadt.
Kraft arbeitete bereits beim VfR Aalen mit Schmitt zusammen. Früher spielte er in der Verbandsliga Nordbaden beim TSV Reichenbach zusammen mit Edmund Becker. Der jetzige Trainer des Karlsruher SC war es auch, der Kraft 1996/97 als Physiotherapeuten und Rehatrainer zum KSC II holte. Nach einer Saison wechselte er bis 2001 in gleicher Funktion zum VfB Stuttgart. Als Cheftrainer war Kraft für den Kreisligisten FC Unterheimbach tätig. 2005 ging er zum VfR Aalen. Dort hatte er bis zum Ende der vergangenen Saison neben seiner Co-Trainer-Aufgabe auch die Verbandsligaelf trainiert. 2007 hat Kraft die DFB-Fußballlehrer-Lizenz erworben.
Stuttgarter Nachrichten
Jetzt oder nie
VON JÜRGEN FREY
Edgar Schmitt ist ein netter Kerl, er kommt beim Großteil der Mannschaft gut an, lange Zeit mochten ihn auch die Fans. Das ändert nichts daran: Wenn den freien Fall der Kickers überhaupt noch etwas bremsen kann, dann ein Trainerwechsel. Denn Schmitt fehlte zuletzt nicht nur jegliche Fortune, er machte auch Fehler. Er hat die Elf im Winter ergänzt, anstatt sie zu verstärken. Und was das Wichtigste ist: Schmitt bastelte im Zickzackkurs an Aufstellung und Spielsystem herum, ohne dem Team eine neue Handschrift zu verpassen. Ergebnis: Verunsicherung, Ratlosigkeit, zuletzt fehlte sogar der Kampfgeist.
Allerdings sind es sicher nicht die Fehlleistungen des Trainers allein, die den Traditionsclub an den Abgrund trieben. Die Führungsetage stemmte sich viel zu spät gegen das drohende Unheil. Blau und lau – es passt ins Bild, dass die Kickers trotz stundenlanger Diskussionen gestern keine Entscheidung in Sachen Trainer verkündeten. Heute dürften sie die Trennung bekannt geben – es wäre der letzte Strohhalm.
Stuttgarter Nachrichten
Schmitts Stuhl wackelt
Trainer-Diskussion bei den Stuttgarter Kickers nach dem 1:5-Debakel in Berlin
Stuttgart (hag) – Die Stuttgarter Kickers verlieren in der dritten Fußball-Liga das rettende Ufer immer mehr aus den Augen. Nach der 1:5-Niederlage beim Spitzenreiter Union Berlin sind die Kickers bereits sieben Punkte vom 17. Platz weg. Nicht ausgeschlossen ist, dass heute Coach Edgar Schmitt abgelöst wird.
Gestern Abend liefen Gespräche um die Zukunft des Trainers, eine Entscheidung soll heute verkündet werden. „Für uns fängt am Mittwoch die schwere Serie an. Wir müssen dieses Spiel schnell abhaken und die nötigen Punkte dann holen“, hatte Schmitt nach dem Debakel in Berlin direkt auf die äußerst wichtigen Heimspiele morgen (19 Uhr) gegen den Tabellen-14. Jahn Regensburg und am Samstag (14 Uhr) gegen den 15. Wuppertaler SV vorausgeblickt. Ob er bei diesen im Abstiegskampf wohl vorentscheidenden Partien auf der Bank sitzen wird, ist momentan indes offen.
Die Berliner hatten keine Mühe, gegen das in allen Belangen unterlegene Schlusslicht fünf Treffer zu erzielen. Zur Pause stand es nach Toren von Shergo Biran (4.) und Hüzeyfe Dogan (25.) 2:0, in Hälfte zwei erhöhten Kenan Sahin (59.) und Marco Gebhardt (65.) auf 4:0. Nach dem Kickers-Ehrentreffer durch Bashiru Gambo (75.) setzte Karim Benyamina (80.) den 5:1-Schlusspunkt. „Dass man bei Union Berlin nicht unbedingt gewinnen muss, ist klar“, meinte Schmitt. „Aber man muss auch nicht 1:5 verlieren.“ Die Art und Weise ernüchterte den Coach: „Das ist zu wenig, das muss man ganz klar sagen.“
Stuttgarter Kickers: Salz – Ortlieb, Mann, Traub, Härter – Traut, Rosen, Gambo, Gentner (68. Köpf) – Schürg (68. Kacani), Smeekes (68. Galm).
Eßlinger Zeitung
Freude, die beruhigt
Der 1. FC Union feiert schon mal den Aufstieg – ein ganz kleines bisschen jedenfalls.
14.4.2009 0:00 Uhr Von Matthias Koch
Ritter Eisenheart muss mächtig ins Schwitzen gekommen sein. Das „ Maskottchen des Fußball-Drittligisten 1. FC Union mit dem seltsamen Namen tanzte nach dem 5:1 (2:0)-Erfolg gegen die Stuttgarter Kickers wild im Kreis der jubelnden Berliner Spieler umher. Bei sommerlichem Wetter im Jahn-Sportpark dürfte die Betriebstemperatur des Kostümträgers bedrohliche Ausmaße angenommen haben. Damit nicht genug. Der Mann mit der überdimensionalen Keule musste auch noch den Union-Trainer aus der Kabine holen.
Uwe Neuhaus hatte im Gegensatz zu seinen Spielern das öffentliche Jubeln viel früher eingestellt und die Rufe der Fans anscheinend nicht gehört. „Wir wollen den Trainer sehen“, skandierten die Anhänger auf der Gegengeraden zunächst mehrfach vergeblich. Als Neuhaus das von Ritter Eisenheart persönlich übermittelt wurde, eilte der 49-Jährige fast 15 Minuten nach dem Abpfiff noch einmal aufs Feld, um mit den Fans La Ola zu zelebrieren.
Nimmt man noch die triefende Wasserdusche für Angreifer Kenan Sahin vor laufender Fernsehkamera durch die Sturmkollegen Karim Benyamina und Shergo Biran hinzu, sah das schon ein bisschen nach einer kleinen Aufstiegsfeier beim 1. FC Union aus.
Das wundert nicht. Vor dem Spiel am kommenden Sonntag beim Tabellendritten Fortuna Düsseldorf brauchen die Köpenicker aus den letzten sieben Meisterschaftsbegegnungen nur noch zehn Punkte zu holen, um den Aufstieg in die Zweite Bundesliga definitiv zu sichern. „Jetzt erwartet uns ein ganz heißes Spiel in Düsseldorf. Die rechnen mit 25 000 oder 30 000 Zuschauern“, blickte Neuhaus voraus. „Wir freuen uns auf dieses Spiel. Mit unserem Vorsprung kann man auch mit Spaß und Freude nach Düsseldorf fahren.“
Die Stuttgarter Kickers dagegen konnten am Ostersonntag vor 6004 Zuschauern Unions Erfolg zu keinem Zeitpunkt gefährden. Schon vor der Pause sorgten Shergo Biran und Hüzeyfe Dogan für einen beruhigenden 2:0-Vorsprung. In der zweiten Halbzeit trugen der überragende Kenan Sahin, Marco Gebhardt mit seinem ersten Saisontor und der eingewechselte Karim Benyamina zum höchsten Sieg der Berliner in dieser Saison bei. Der Ehrentreffer des Tabellenschlusslichts durch Bashirou Gambo störte Unions Osterfest nur kurzzeitig. „Es war ein sehr schöner Nachmittag für uns. Wir hatten nicht das Gefühl, das hier etwas anbrennen kann“, sagte Unions Mittelfeldspieler Hüzeyfe Dogan nach dem 17. Spiel ohne Niederlage in Serie.
Bei so viel Harmonie wird es allmählich schwer, Kritikpunkte zu setzen. Uwe Neuhaus machte es dennoch. Vielleicht, um die Konzentration der Spieler aufrecht zu halten. „Wir haben schnell 2:0 geführt, aber ich war mit einigen Dingen nicht einverstanden“, versuchte Neuhaus ein bisschen rumzunörgeln. Doch so kurz vor der Ziellinie zum Aufstieg in die Zweite Bundesliga dürfte das für den Fußballlehrer zunehmend schwerer werden.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 14.04.2009)
Dritte Liga
1. FC Union ist schon in Aufstiegsstimmung
Montag, 13. April 2009 16:38 – Von Michael Färber
Nach dem 5:1 gegen Stuttgart fehlen dem Berliner Drittligisten nur noch zehn Zähler aus sieben Partien, um die Rückkehr in die Zweite Liga perfekt zu machen. Vorausgesetzt, die Mitbewerber aus Paderborn, Düsseldorf oder Unterhaching geben sich weiter keine Blöße, so wie am vergangenen Wochenende.
Die Fans hatten ihren Helden schnell auserkoren. Der Gefeierte ließ sich auch nicht lange bitten, auch wenn ihn Ritter Keule, das Maskottchen des 1. FC Union, erst aus den Katakomben des Jahn-Sportparks hatte holen müssen. „Wir woll’n den Uwe sehen“, schallte es von den Rängen. Außerdem machte der Anhang der Köpenicker Kicker unter den 6004 Zuschauern am Ostersonntag deutlich: „Ohne Uwe geh’n wir nicht nach Haus!“ Und so tat jener Uwe, was von ihm erwartet wurde. „Natürlich freut das einen, da geht man gern raus“, sagte Uwe Neuhaus. Und ließ La Ola durch die Ränge schwappen.
Dabei ist der Trainer der Unioner niemand, der sich in den Vordergrund spielt. Erst recht nicht nach einem 5:1 (2:0), selbst wenn es nur gegen den Tabellenletzten der Dritten Liga, die Stuttgarter Kickers, gegangen war. Also fügte er rasch hinzu: „Das ist auch eine Anerkennung für die Mannschaft:“ Jene Mannschaft ist seit 17 Spielen ungeschlagen, liegt zwölf Punkte vor Relegationsplatz drei und benötigt noch zehn Zähler aus den letzten sieben Saisonspielen, um die Rückkehr in die Zweite Liga perfekt zu machen – vorausgesetzt, die Mitbewerber aus Paderborn, Düsseldorf oder Unterhaching geben sich weiter keine Blöße, so wie am vergangenen Wochenende.
Sahin ragt aus dem Team heraus
„Dass die Konkurrenz ihre Spiele gewonnen hat, war vielleicht sogar ganz gut für uns“, bilanzierte Neuhaus. Nur so sei es für seine Mannschaft möglich gewesen, aus dieser vermeintlich leichten Partie mehr als nur einen leichten Osterspaziergang zu machen. Keine Frage, der sportliche Aufschwung bei Union in den vergangenen knapp zwei Jahren ist untrennbar mit Uwe Neuhaus verbunden. Beim Sieg gegen die Kickers, die den Beweis ihrer Drittliga-Tauglichkeit 90 Minuten lang schuldig geblieben waren, kommt man an einem anderen Namen nicht vorbei: Kenan Sahin. Die ersten beiden Tore durch Shergo Biran und Hüzeyfe Dogan mustergültig vorbereitet, schlug der 24-Jährige in der 59. Minute selbst zu. Zwei Stuttgarter waren vorher wie Statisten zurückgeblieben.
Sahin selbst sprach später von einem „Arbeitssieg für uns“. Nach Arbeit sahen Marco Gebhardts Lupfer zum 4:0 – Vorarbeit: natürlich Sahin – und auch der Kopfball des eingewechselten Karim Benyamina zwar nicht aus. Doch auch Sportdirektor Christian Beeck hatte erkannt: „Das war sicher nicht alles Gold, was geglänzt hat.“ Der Trainer wurde etwas genauer. „Vor allem die Rückwärtsbewegung nach der 2:0-Führung hat mir nicht gefallen“, sagte Neuhaus. Die Kickers, die sich noch eine Minimalchance auf den Klassenerhalt ausrechnen, „haben immer drei, vier Spieler in der Offensive zurückgelassen“, erklärte der Coach: „Das hätte ins Auge gehen können.“
Fans feiern Trainer Neuhaus
Doch es bedurfte einer Standardsituation, damit die Schwaben zu ihrem Ehrentreffer kamen. Bashirou Gambo verwertete einen Eckball per Kopf in der 75. Minute. Der Vorfreude auf den Aufstieg tat dies keinen Abbruch. „Ihr könnt schon mal reingehen“, rief Neuhaus seinen Spielern mit einem Augenzwinkern zu, ehe er auf das Spielfeld lief. Kurze Zeit später stand er vor den Fans des 1. FC Union. Sie wollten ihren Helden feiern.
Berliner Morgenpost