Aus im Pokal, aber Schuster verlängert
Die Stuttgarter Kickers sind auf dem Boden der Realität gelandet. Ausgerechnet in dem zum bisher wichtigsten Spiel des Jahres erkorenen Viertelfinale des WFV-Pokals verlor der Fußball-Regionalligist gestern 0:1 (0:0) beim Oberliga-Schlusslicht SV Bonlanden. „Und das nicht einmal unverdient“, wie der Trainer Dirk Schuster zugeben musste. Seine Mannschaft hatte vor 1000 Zuschauer zwar den besseren Start und traf durch Dirk Prediger (17.) nur den Innenpfosten. „Von da an wusste ich, dass heute etwas drinliegt“, sagte Bonlandens Trainer Norbert Stippel später.
Vor allem der ehemalige Kickers-Spieler Bernd Eckhardt hatte einige gute Möglichkeiten, der zum Verteidiger umfunktionierte Julian Schwarz traf zudem nur die Latte (51.), während für die Kickers der Torjäger Mijo Tunjic frei vergab (86.). Als alle schon mit einer Verlängerung rechneten, traf der eingewechselte Vicenzo Scaglione zwei Minuten vor Schluss zum 1:0. Aus Sicht der Kickers gab es zumindest eine gute Nachricht: Dirk Schuster (und sein Assistent Alexander Malchow) haben ihren Vertrag vorzeitig bis 2012 verlängert. Und auch der frühere Coach Edgar Schmitt hat wieder einen Job – er trainiert den Sechstligisten und Ailton-Club Uerdingen. ump
Stuttgarter Zeitung
Kickers blamieren sich im WFV-Pokal
Von Jürgen Frey
FILDERSTADT. Edgar Kurz war bedient, aber gefasst. „Im Fußball gibt es Dinge, die kann man nicht erklären“, sagte der Präsident der Stuttgarter Kickers. Das Aus der Blauen gestern im WFV-Pokal-Viertelfinale gehört zu diesen Phänomen. Bei Oberliga-Schlusslicht SV Bonlanden unterlag der Fußball-Regionalligist mit 0:1 (0:0) und musste damit seine Hoffnungen auf den lukrativen DFB-Pokal-Einzug begraben. Dabei hatte für den Favoriten vor 1000 Zuschauern alles nach Plan begonnen. Zu Beginn schnürten die Blauen das gut eingestellte Team von Trainer Norbert Stippel ein. Mit zunehmender Spieldauer agierten die Kickers jedoch immer schlampiger, hatten keine gute Raumaufteilung und leisteten sich zu viele Fehler. „Es ist so bitter“, sagte Spielmacher Enzo Marchese, „wir haben den Gegner selbst aufgebaut.“ Mit einem Sonntagsschuss in den Winkel erzielte Vincenzo Scaglione aus 17 Metern das Tor des Tages (88.). „Eine Sternstunde für Bonlanden“, schwärmte Stippel. Und ein großer Dämpfer für die Kickers. Das einzig Positive gestern: Trainer Dirk Schuster und Co-Trainer Alexander Malchow verlängerten ihre Verträge bis 2012. Als neuer A-Junioren-Trainer ist Sven Hayer (SV Tumlingen-Hörschweiler) im Gespräch.
Kickers: Wagner – Gerster (55. Abruscia), Köpf (66. Olveira), Rapp, Savranlioglu – Jung, Rizzi, Marchese, Ivanusa (76. Gondorf) – Tunjic, Prediger (52. Türpitz).
Stuttgarter Nachrichten
Der Joker Scaglione trifft zur Sensation
Fußball. Der SV Bonlanden wirft den hohen Favoriten StuttgarterKickers mit einem 1:0 aus dem WFV-Pokal. Von Franz Stettmer
Um 18.51 Uhr war der Moment, in dem die Verantwortlichen des SV Bonlanden kurzzeitig um die Gesundheit ihres Spielers Vincenzo Scaglione fürchten mussten. Der Schmächtigste und mit Kleinste im eigenen Aufgebot versuchte noch zu flüchten. Doch er hatte keine Chance. Die Jäger waren schneller, und im Nu war Scaglione begraben unter einem Berg von zappelnden Männern in weißen Trikots. Fünf Minuten später bebte das Stadion an der Humboldtstraße vollends in seinen Grundfesten, was nicht mehr allein an dem bereits zuvor gefeierten Protagonisten lag. Die Heimmannschaft hatte die Sensation geschafft. Was im voraus lediglich kühnste Optimisten hatten erwarten können, ist Wirklichkeit: Der Oberliga-Tabellenletzte SV Bonlanden hat den Regionalligisten und hohen Favoriten Stuttgarter Kickers aus dem Verbandspokalwettbewerb gekippt. Das Endresultat am gestrigen Mittwochabend: ein 1:0. Der Schütze des goldenen Tors: richtig, der erwähnte Scaglione.
„Wunderbar. Phantastisch. Eine Sternstunde für den Verein“, sagte der Trainer Norbert Stippel nach dem Abpfiff stellvertretend für die Seinen und wirkte, als könnte er das eigene Glück selbst noch kaum fassen. Wobei: Glück war eigentlich der falsche Ausdruck. Der Außenseiter, am Wochenende im Punktspiel in Bahlingen noch mit 1:6 untergegangen, hatte sich diesen Erfolg durchaus verdient. Und Stippel hatte alles richtig gemacht. Erstens mit seiner Einwechslung von Scaglione. Der avancierte in der 89. Spielminute, als bereits ein jeder unter den 1000 Zuschauern mit einer Verlängerung rechnen musste, zum Matchwinner. Ein Eckball, eine zu halbherzige Kickers-Abwehr, ein 18-Meter-Schuss – da rauschte die Kugel in den Torwinkel.
Zweitens mit der Aufstellung überhaupt. Angesichts dieser mögen sich nicht wenige der regelmäßigeren Beobachter verwundert die Augen gerieben haben. Dass im Tor wie schon in den bisherigen Pokalpartien Philipp Günther den Vorzug vor Christian Landenberger, der etatmäßigen Nummer eins, erhielt – okay. Doch bot Stippel gleich sechs Spieler auf anderen Positionen auf als zuletzt. „Ich wollte der Mannschaft neues Leben einhauchen“, erklärte der Coach hinterher. Auf einen „Hallo-Wach-Effekt“ habe er gehofft. Die gravierendste Umstellung: der Stürmer Julian Schwarz begann in der Innenverteidigung, dies anstelle von Cesur Sevimli, der ins linke Mittelfeld wechselte.
Es war der Mut dessen, der nichts zu verlieren hat. Und der machte sich bezahlt. Die Rechnung des Taktikfuchses Stippel ging auf. Nicht nur, weil Schwarz mit viel Übersicht als Turm in der Defensive eine bärenstarke Leistung bot – freilich auch, weil, so abgedroschen es klingt, mit fortlaufender Spielzeit immer mehr die dem Pokal eigenen Gesetze griffen. Klein, die Chance zur Sensation witternd, wächst über sich hinaus. Groß, die Gefahr der Blamage im Nacken, tut sich zunehmend schwer. Eine erste Viertelstunde lang musste auf Bonlandener Seite ein mulmiges Gefühl aufkommen. Der Gegner drehte seinem Status gemäß auf. „Wenn wir in dieser Phase ein Gegentor kriegen“, sagte Stippel, „verlieren wir mit 0:5“. Tatsächlich ist eben dieses Tor nicht gefallen, und so wendete sich das Geschehen. Zehn rennende, kämpfende und grätschende Bonlandener gruben dem Kontrahenten den Spielfluss ab. Nicht nur das: in der zweiten Hälfte setzten sie auch offensiv über weite Strecken die größeren Akzente.
Gewiss, um zum Faktor Glück zurückzukehren – das Quäntchen in dieser Hinsicht kam dann auch dazu. So senkte sich ein wohl halb als Schuss, halb als Flanke gedachter Versuch des Kickers-Angreifers Dirk Prediger zum allgemeinen „Oh“ an den Innenpfosten und sprang von dort ins Feld zurück. So auch spielten zuletzt dem Führenden der Regionalliga-Schützenliste, Mijo Tunjic, bei dessen einziger Torchance die Nerven einen Streich. Er köpfte den Ball unbedrängt in Günthers Arme.
Demgegenüber klopften auch die Bonlandener auf Aluminium. Der aufgerückte Schwarz scheiterte per Kopf an der Latte. Hinzu kam eine für ein klassentieferes Team erstaunliche Anzahl an Gelegenheiten, bei denen Bernd Eckhardt gegen seinen Ex-Verein bereits zwei-, dreimal die Führung auf dem Fuß hatte.
Doch die Bewerkstelligung dieses Happyends war dann, wie gesagt, dem Joker Scaglione vorbehalten – wonach man beim Filderclub weiter träumen darf. Nur ein Sieg noch bis zum Endspiel. Im Halbfinale am 20. oder 21. April wird der Gewinner aus der Partie FSV Bissingen gegen VfR Aalen der Gegner sein.
Einem erneuten Einsatz Scagliones, das im Übrigen noch, steht nach jetzigem Stand nichts im Weg. Der Mann des Abends hat den Übergriff seiner Teamkollegen trotz zunächst anderweitiger Befürchtungen gut überstanden.
SV Bonlanden: Günther – Feichtinger, Schwarz, Greif, Liebenstein – Yilmaz, Kemmler, Adam, Sevimli (79. Scaglione) – Siekerman (90.+2 Knappe), Eckhardt.
Stuttgarter Kickers: Wagner – Gerster (53. Abruscia), Köpf (64. Olveira), Rapp, Savranlioglu – Rizzi – Jung, Ivanusa (76. Gondorf) – Marchese (90. Gümüssu) – Tunjic, Prediger (50. Türpitz).
Filderzeitung