Der letzte Sonntag vor dem Beginn der Ligakämpfe brachte gestern in dem Wettspiel Union-Kickers einen Sportsgenuß, wie er besser als Ouverture für die kommende Saison kaum gedacht werden konnte. Schon der überraschend starke Besuch zeigte, daß man sich von dem Kampf dieser beiden Teams etwas versprach; es werden wohl 3000 Personen den prächtig gelegenen Platz umsäumt haben. Das Spiel begann kurz vor 4 Uhr mit Anstoß von Union und nahm sofort ein sehr scharfes Tempo an. Zum größeren Teil der ersten Hälfte hielt sich das Spiel offen und eine Ueberlegenheit der ein oder anderen Partei ließ sich nicht erkennen. Beide Mannschaften hatten ziemlich Ersatz eingestellt, der sich erst in die Situation finden mußte. Dieser Umstand und die Tatsache, daß Union in den letzten Wochen Gelegenheit hatte, spieltüchtig zu werden, ließ einen leichten Sieg der Kickers nicht ohne weiteres sicher erscheinen. Bald verschaffte sich aber die bessere Kombination der nach und nach sich zusamamenfindenden Kickerself nachdrückliche Geltung. In der 25. Minute mußte Rothweiler, der sich in großer Form zeigte, das erste Tor für Kickers passieren lassen. Ein paar gefährliche Angriffe Unions scheitern an der sich gut bewährenden für Kühnle und Lessing eingestellten Verteidigung und der sicheren Abwehr des Kickerstorwarts. In der 40. Minute haben Kickers zum zweitenmal Erfolg. Mit 2:0 für Kickers werden die Seiten gewechselt. Nach Wiederbeginn tritt die Ueberlegenheit der Kickerself unverkennbar zutage. Das Spiel wickelt sich zum überwiegend größeren Teil auf der hartbedrängten Unionhälfte ab. Das Tempo hat an Raschheit nichts eingebüßt. Union zeigt von Kombination nicht viel und ist mit der Verteidigung stark beschäftigt. Ihr Ersatz entspricht nicht den Erwartungen. Die Stürmerreihe der Kickerself glänzte durch ihre größere Schnelligkeit am Ball und war für das Uniontor eine stete Gefahr. Bei aller Aufopferung der Verteidigung und des Torwarts von Union können Kickers in fast gleichen Abständen bis zum Schluß noch 4 Erfolge erzielen und so der Unionmannschaft eine Niederlage bereiten, die für sie umso empfindlicher ist, als es auf dem neuen Platz die erste ist.
Württemberger Zeitung, vom 12. September 1910